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„An der Schule gab es Probleme“

Ckazdua Vögel im Wann & Wo-Interview.
Ckazdua Vögel im Wann & Wo-Interview. ©Sams
Claudia Vögel leitet die HTL Bregenz und ist die einzige Frau an der Spitze einer Technik-Schule in Vorarlberg. WANN & WO sprach mit ihr über Rollenbilder, Schülerzahlen, Probleme im Kollegium und Fachkräfte.

Von Anja Förtsch / Wann & Wo

WANN & WO: Sie sind die einzige Frau an der Spitze einer HTL in Vorarlberg, der Anteil an Lehrer-innen an Ihrer Schule beträgt zwölf, der der Schülerinnen elf Prozent. Wie schwer ist es für Frauen im technischen Bereich?

Claudia Vögel: Wenn eine Frau sich entscheidet, in die Technik zu gehen, ist es überhaupt nicht schwierig. Gerade der schulische Bereich ist für beide Geschlechter gleich schwer. Es gibt aber leider oft noch dieses Denken, dass Technik etwas für Männer ist. Da sind einfach noch Rollenbilder im Kopf, auch von Seiten der Eltern.

WANN & WO: Sie stimmen also zu, dass in Vorarlberg oft noch die klassischen Rollenbilder herrschen, in denen die Frau „einfache“ Jobs macht und der Mann als Fachkraft das Geld nach Hause bringt?

Claudia Vögel: Ja und man muss diese Rollenbilder ändern, sowohl bei den Mädchen, als auch bei den Eltern. Ich war als Kind schon immer mit in der Werkstatt unseres Transportunternehmens, mein Vater hat mir vorgelebt, dass es da keinen Geschlechterunterschied gibt. Inzwischen überlegen aber mehr Mädchen, in so einen Beruf zu gehen. Das sehe ich unter anderem an den Anmeldezahlen: Wir haben jetzt elf Prozent Schülerinnen, als ich die Leitung übernommen habe, waren es sechs Prozent. Das ist natürlich immer noch zu wenig.

WANN & WO: Wie sind Sie selbst zur Technik gekommen?

Claudia Vögel: Das bin ich überhaupt nicht. Ich habe Betriebswirtschaftspädagogik studiert und unterrichtet. Irgendwann bin ich gefragt worden, ob ich die HTL Bregenz leiten würde und habe ich mich beworben. Um eine Schule zu leiten, muss ich keine technische Ausbildung haben.

WANN & WO: Hatten Sie jemals das Gefühl, sich stärker durchsetzen zu müssen, als ihre männlichen Kollegen?

Claudia Vögel: Zu Beginn waren ganz viele besonders ältere Männer irritiert, in der Hinsicht: Was will die da? Da waren am Anfang, denke ich, Ängste da. Inzwischen hat es sich, glaube ich, beruhigt, weil sie sehen, dass ich ihnen nichts wegnehme. Ich arbeite eigentlich sehr gerne mit Männern zusammen, weil sie ein sehr systemisches, strukturiertes Denken haben. Das erleichtert vieles.

WANN & WO: Stichwort Strukturen: Sie haben die Initiative HTL Vorarlberg mit auf den Weg gebracht. Wie steht es aktuell darum?

Claudia Vögel: Alle zwei, drei Wochen treffen wir HTL-Leiter uns um Themen zu besprechen, die uns alle drei gleichermaßen betreffen. In diesem Schuljahr haben wir auf dem Tablett den Hackathon, eine Upcycling-Challenge, am Schuljahresende haben alle drei HTLs zusammen ein Fest in der Poolbar. Außerdem sind wir aktuell daran, das Aufnahmeverfahren, das bislang über Noten geht, gemeinsam zu überarbeiten, damit verstärkt technische Kompetenzen abgefragt werden. Außerdem entwerfen wir gemeinsam ein pädagogisches Digitalisierungskonzept.

WANN & WO: Warum braucht es überhaupt eine Zusammenarbeit der HTLs?

Claudia Vögel: Wir wollen uns im kleinen Ballungsraum Vorarlberg nicht gegenseitig Schüler wegnehmen. Außerdem sollte die Verteilung der Schüler nach ihren Begabungen stattfinden und das Ausbildungsangebot angepasst sein an die Bedürfnisse der Wirtschaft. Wir stellen uns auch gegenseitig Werkstätten und Lehrer zur Verfügung.

“Ausbildungsangebot an das angepasst, was die Industrie braucht”

WANN & WO: Sie haben gerade schon Schülerzahlen angesprochen. Die HTL Rankweil hat ein ähnliches Fachangebot und höhere Schülerzahlen, obwohl der Ort kleiner ist und die HTL Bregenz immerhin in der Landeshauptstadt sitzt. Machen Ihnen die Schülerzahlen an Ihrer Einrichtung Gedanken?

Claudia Vögel: Der Schülerzulauf an der HTL Bregenz ist über die letzten Jahre stabil geblieben. Wir halten unsere Größe und können auch nicht größer werden. Unser Ziel ist es, gute Techniker herzukriegen und zu halten. Wir haben das Ausbildungsangebot an das angepasst, was die Industrie braucht. Wir haben die Elektrotechnikfachschule nicht mehr, das stimmt. Dafür haben wir jetzt aber den Aufbaulehrgang.

WANN & WO: Es gab ja aber auch Mischklassen, die angeblich gebildet wurden, weil die Klassen allein nicht vollgeworden wären.

Claudia Vögel: Das war zu der Zeit, als ich die Schulleitung übernommen habe. Damals war der Zweig der Elektrotechnik beinahe ausgestorben. Durch Marketing konnte ich die Anmeldezahlen wieder steigern. Wir müssen uns als Schule mittlerweile anstrengen, ein gutes Angebot zu machen und es dann auch zu halten. Der Wettbewerb um die 14-, 15-Jährigen ist in den letzten Jahren stark gestiegen, auch weil die Industrie die Lehre sehr stark forciert hat.

WANN & WO: Stehen Schulen also in Konkurrenz mit den Betrieben?.

Claudia Vögel: Wir arbeiten sehr gut mit den Firmen zusammen und sind in dem Sinne eigentlich gar keine Konkurrenten. Die Frage ist: Welches Potenzial wird wo am besten entfaltet? Wenn jemand die Begabung hat, eine höhere Ausbildung zu machen, dann ist er bei uns gut aufgehoben. Wenn jemand eher praxisorientiert ist und anpacken will, dann ist er eher für eine Lehre geeignet. Viele merken aber auch erst in der Lehre, dass sie auch an die HTL hätten gehen können und kommen dann zu uns.

WANN & WO: Wäre es da nicht besser, im Vorfeld umfassend zum Thema Ausbildung zu beraten?

Claudia Vögel: Die Beratung sollte flächendeckend in allen Schulen stattfinden. In unserer letzten Maturaklasse waren 83 Prozent aus der Neuen Mittelschule und nur ein geringer Anteil Gymnasiasten. Wenn in den Gymnasien mehr aufgeklärt würde, dass es noch eine andere Möglichkeit gibt, als die Oberstufe, könnten wir mehr techniktalentierte Menschen zu uns bekommen.

WANN & WO: Man hörte in der letzten Zeit von Problemen mit Lehrern an der HTL Bregenz und von eigens vom Elternverein einberufenen Coachings. Wie ist die Lage aktuell?

“Männer können sehr stur und verletzt sein”

Claudia Vögel: Aktuell gibt es keine Coachings mit Lehrern. Als ich die Schule übernommen habe, war die Kommunikation vielleicht nicht so transparent. Wir haben einige pädagogische Tage zum Thema Kommunikation und Miteinander gehabt. Inzwischen ist eine gute, angenehme Situation entstanden.

WANN & WO: Das heißt aber auch, dass es mal Probleme gab?

Claudia Vögel: Als ich die Schule übernommen habe schon, ja.

WANN & WO: Inwiefern?

Claudia Vögel: Männer können miteinander sehr stur und sehr verletzt sein, wenn etwas vorgeworfen und nie richtig ausgeräumt wird. Deshalb finde ich es wichtig, dass es in einer technischen Schule Frauen gibt, weil die die Kommunikation verändern.

WANN & WO: Man hört oft davon, dass viele gerade technische Berufe bedroht seien, weil Roboter und Anlagen immer mehr Tätigkeiten übernehmen. Sehen Sie das Risiko auch?

Claudia Vögel: Überhaupt nicht. Es werden sicherlich in der Zukunft automatisierte, einfache Tätigkeiten von Robotern übernommen. Dafür entstehen im Gegenzug aber ganz viele, neue Arbeitsbereiche. Generell haben wir hier in Vorarlberg eher einen großen Mangel an Fachkräften.

WANN & WO: Haben Sie eine Lösung für den Fachkräftemangel?

Claudia Vögel: Es bräuchte schon mehr Kinder. Viele hält aber die Angst um den Job vom Nachwuchs ab. Die Betriebe wollen nicht, dass die Angestellten Eltern werden und weniger arbeiten. Da muss man Arbeitszeitmodelle aufbauen, die das Kinder bekommen und aufziehen möglich machen, auch für Männer. Und den Frauen muss der Wiedereinstieg in den Beruf erleichtert werden. Ich sehe das natürlich auch als Arbeitgeberin: Es ist schwierig für den Betrieb, wenn Leute wegen Karenz ausfallen. Aber es ist eine Phase, die vorbeigeht. In meinen Augen muss ich außerdem die Region interessant machen und Fachkräfte aus dem Ausland holen. Wir können das Problem des Fachkräftemangels nicht mit unserer eigenen Bevölkerung lösen. Punkt. Wir brauchen eine interessante Integrationspolitik für dieses Land.

WANN & WO: Sollten dann auch Fälle wie der des Lustenauer Lehrlings Qamar Abbas vermieden werden, der mitten in seiner Ausbildung nach Pakistan abgeschoben wurde?

Claudia Vögel: Das ist ein Wahnsinn, was da passiert ist. Ich habe hier einen Jungen aus Afghanistan, der anfangs kaum ein Wort Deutsch konnte. Innerhalb von zweieinhalb Jahren hat er jetzt die Sprache sehr gut gelernt, hat alle Noten positiv und ist richtig gut integriert. Es wäre eine Katastrophe, wenn er jetzt gehen müsste. Ich verstehe überhaupt nicht, warum wir Menschen, die lernen und sich integrieren wollen, nicht hier behalten können. Es freut mich umso mehr, dass das jetzt zu einer großen Bewegung hier in Vorarlberg führt.

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