Europäer verbinden mit dem Namen Altamira die vage Vorstellung einer Höhle im Norden Spaniens, deren Wände Urzeitmenschen bemalt haben: Hirsche und Bisons gibt das Licht der Taschenlampen frei, und Jäger mit Pfeil und Bogen. Faszinierende Einblicke in den Alltag vor 16.000 Jahren. Auch die brasilianischen Indianer vom Stamm der Kayapo malen. Schlangen und Fische zum Beispiel. Sie tragen sie auf der Haut. Heute noch. Es leben derzeit noch 7000 Kayapo am Rio Xingu. Aber ihre Tage sind gezählt. Denn die Regierung Brasiliens will den Fluss mehrfach aufstauen, um ein Kraftwerk zu betreiben. Die Indios haben das Projekt mit Namen Belo Monte bereits in den Achtzigerjahren zu Fall gebracht. Aber jetzt scheint es ernst zu werden. Der Vorarlberger Erwin Kräutler stemmt sich dagegen. Seit 30 Jahren ist er Bischof am Xingu. Seine Kathedrale steht in Altamira, der flächenmäßig drittgrößten Gemeinde der Welt.
Zwangsumsiedlungen
Wenn Brasilien das Projekt durchdrückt, wird der Staat bis zu 40.000 Bewohner entlang des Flusses umsiedeln müssen. Große Flächen des wertvollen Regenwaldes werden durch die Überflutung zerstört, Kräutler geht von 1000 km2 aus. Der gigantische Stausee, den sie bauen wollen, wird so groß sein wie der Bodensee: Der misst mit Ober- und Untersee 536 km2, der Stausee am Xingu soll 512 km2 groß werden. Die Stadt Altamira selbst wird zu einem Drittel überflutet. Kräutler schlägt sein Notebook auf und zeigt auf einer Landkarte das überflutete Stadtgebiet: Hier haben wir eine Schule, überall leben Freunde und Bekannte. Durch den Stausee wird Altamira zu einer Halbinsel. Das klingt idyllisch. Aber es wird ein toter See sein, ist Kräutler überzeugt. Wir leben dort im Tropenklima. Stehendes Wasser wird rasch zur Brutstätte von Moskitos und Ungeziefer aller Art und provoziert hundertprozentig enemische Krankheiten. Altamira sei jetzt schon voller Denguefieber. Und weil das Projekt Arbeit verspricht, werden 100.000 Zuwanderer erwartet. Das wird ein einziges Chaos. Kräutler spricht solche Befürchtungen nicht grundlos aus. Wir wissen das von anderen Projekten. Der 2.875 km2 große Tucuruí-Stausee etwa ist heute ein Lebensraum für die Malaria übertragende Anopheles-Mücke. Weil das Gelände zuvor nicht gerodet wurde, zersetzt sich unter Wasser die vorhandene Biomasse. Erhebliche Mengen Methangas verdüstern die Klimabilanz.
Einfach zu seicht
Noch verheerender liest sich die Geschichte des Balbina- Stausees. Der wurde 1987 geflutet, um die Millionenstadt Manaus mit Strom zu versorgen. Aber das Kraftwerk produziert nur ein Drittel der möglichen 250 Megawatt, weil die Zuflüsse nicht mehr hergeben. Belo Monte prognostiziert Kräutler ein ähnliches Schicksal. Der Rio Xingu ist seicht in der Trockenzeit. Das alles hat auch deshalb weltweites Aufsehen erregt, weil wieder Teile des klimarelevanten Regenwaldes weichen sollen. So gesehen liegt auch Vorarlberg am Amazonas.
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