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„Als Kind wollte ich Lkw-Fahrerin werden“

Die Olymiasiegerin ist zur Ruhe gekommen – sie lebt ihre Rolle als Mutter.
Die Olymiasiegerin ist zur Ruhe gekommen – sie lebt ihre Rolle als Mutter. ©MiK
WANN & WO traf Olympiasiegerin und Gesamtweltcupsiegerin Anita Wachter in Bartholomäberg und sprach mit ihr über Siege, Niederlagen und den Spaß am Skifahren.

WANN & WO: Ihre aktive Laufbahn liegt hinter Ihnen. Was macht Anita Wachter jetzt?
Anita Wachter:Ich habe zwei Kinder – Teenager muss man jetzt schon sagen – das ist mein Job. Nebenbei bin ich beim Skiclub Montafon Trainerin.

WANN & WO: Was können Sie Ihren „Ski-Schützlingen“ mit auf den Weg geben?
Anita Wachter:Das Wichtigste ist der Spaß. Klar, es kann einem nicht jeden Tag gleich viel Freude bereiten, Ski zu fahren, aber die Begeisterung darf nicht fehlen.

WANN & WO: Wann standen Sie zum ersten Mal auf Ski?
Anita Wachter: Puh. Mit zweieinhalb, drei Jahren. Meine Mutter hat beim Kiosk Latschau, also bei der Golmer-Bahn, gearbeitet, da waren wir immer mit dabei – sind also quasi am Skilift groß geworden. Meine Brüder haben mich – gezwungenermaßen – zum Skifahren mitgeschleppt. Mit etwa vier Jahren war ich dann schon alleine unterwegs. Die Liftler haben mich auf dem Schrägaufzug mit auf den Berg genommen, dann hieß es nur noch Hocke und los ging’s.

WANN & WO: Verfolgten Sie schon immer den Plan, Spitzensportlerin zu werden?
Anita Wachter:Der Trainer des Wintersportvereins Tschagguns, bei dem ich damals trainiert habe, meinte, die Anmeldung an der Skihauptschule in Schruns wäre gut. Das tat ich dann auch. In den Sommerferien bekam ich kurz kalte Füße und habe mich nochmal abgemeldet. Der Trainer hat mir ins Gewissen geredet, schlussendlich besuchte ich dann die Skihauptschule in Schruns und anschließend die Skihandelsschule in Stams. Alles ist nach Plan gelaufen – und hier bin ich jetzt.

WANN & WO: Hatten Sie einen Plan B?
Anita Wachter:Als Kind wollte ich Hebamme, Stewardess oder Lkw-Fahrerin werden. Es hat sich bald herausgestellt, dass mir Skifahren gut liegt. Über eine Alternative habe ich mir eigentlich keine Gedanken gemacht.

WANN & WO: Wer war Ihr sportliches Vorbild?
Anita Wachter: Als ich jung war, fand bei uns im Montafon ein Weltcuprennen statt. Mit der Schule sind wir dort hin gegangen und durften zuschauen, wie die Rennläufer trainieren, auch am Abend in der Halle. Fabienne Serrat, eine französische Skifahrerin, nahm uns mit auf ihr Zimmer im Hotel. Ich habe gesehen, dass auf ihrem Kasten zwei Paar Skischuhe gestanden sind – überwältigend! Zu dieser Zeit war das ein Privileg! Das hat mich wirklich fasziniert. Außerdem hat sie mir noch eine Mütze geschenkt. Ganz lange Zeit war ich ein großer Fan von ihr, später hatte ich nochmal das Vergnügen, sie zu treffen. Zur Zeit des Weltcup­rennens hat mich auch der Trainer einmal gefragt, was ich werden möchte. Ich habe ihm geantwortet: Skirennläuferin. Der Wunsch hat also immer schon ein bisschen in mir geschlummert.

WANN & WO: Bei Anna Fenninger ist es Lake Louise, bei Michael Walchhofer war es Wengen. Was war Ihre Lieblingsstrecke?
Anita Wachter:Cortina und Vail waren zwei Strecken, die ich wirklich gerne gefahren bin. Wenn ich jetzt noch vor dem Fernseher diese Rennen ansehe, würde ich am liebsten hineinspringen und selbst runter fahren (lacht).

WANN & WO: Als Skifahrer kommt man viel herum. Hat das Reisen für Sie ein Problem dargestellt?
Anita Wachter:Nein, ich war immer gerne unterwegs. Bis auf das letzte Jahr in meiner Karriere. Da habe ich mir gedacht: Eigentlich will ich nicht mehr weg. Während der Reisen, musste man sich voll und ganz auf das Rennen konzentrieren, da blieb leider nicht viel Zeit für Städteausflüge.

WANN & WO: Welcher Sieg hat Ihnen persönlich am meisten ­bedeutet?
Anita Wachter:Sportlich gesehen war der Gesamtweltcup bestimmt der größte Erfolg. Der Olympiasieg in Calgary war aber viel emotionaler. Wenn man ganz oben am Treppchen steht und die Bundeshymne erklingt, ist das ein unglaubliches Gefühl. Allein die Tatsache, bei den olympischen Spielen teilzunehmen ist fantastisch. Dann kommt noch das spezielle Flair dazu, das „Drum Herum“ passt einfach. Für einen Sportler ist ein Olympia-Sieg das Größte, das er erreichen kann. Jeder einzelne Sieg hat aber etwas Besonderes an sich, etwas, das ihn außergewöhnlich macht oder einen speziellen Hintergrund hat.

WANN & WO: Kann nach einem Olympia-Sieg noch etwas Größeres kommen?
Anita Wachter:Ja, der nächste (lacht).

WANN & WO: Niederlagen gehören auch zum Leben einer Sportlerin.
Anita Wachter:Bei der letzten WM in Vail war ich super in Form, leider hat es nur für den dritten Platz im Riesenslalom gereicht. Das ist das einzige Rennen, das ich bis jetzt noch nicht angeschaut habe, weil es mir wirklich noch sehr lange wehgetan hat.

WANN & WO: Wie groß ist der Konkurrenzkampf innerhalb des eigenen Teams oder mit den Mitstreiterinnen?
Anita Wachter:Konkurrentinnen sind wir nur auf der Piste. Als Sportler muss man anerkennen, dass andere besser sind. Es gibt Zeiten, da darf man selbst wieder ganz oben stehen. Man ärgert sich mehr über die eigene Leistung und sucht die Fehler bei sich selbst. Obwohl das Zusammenspiel von Material, Wetter oder Tagesverfass­ung ein sehr komplexes ist.

WANN & WO: Wird der Skisport Ihrer Meinung nach immer gefährlicher?
Anita Wachter:Nein. Auch wir waren schon schnell unterwegs. Klar sind die Strecken heute wesentlich besser präpariert als damals, auch das Material hat sich verändert. Aber die Sicherheitsvorkehrungen unterliegen heute viel höheren Standards. Was mir auffällt, ist die Tatsache, dass die Sportler fitter sein müssen. Die Carving-Ski verlangen extrem viel Kraft. Der Fahrer muss, wie man so schön sagt, mehr „arbeiten“ auf den Ski.

WANN & WO: Um fit zu sein, ist Disziplin oberstes Gebot. Wie sind Sie mit Entbehrungen umgegangen?
Anita Wachter:Entbehrungen würde ich nicht sagen. Es gab einiges, das ich nicht machen konnte, dafür durfte ich viel erleben und die Welt sehen. Die Freundschaften hier in der Umgebung gingen verloren, da ich fast nie zuhause war, das fand ich immer schade.

WANN & WO: 1998 sind Sie schwer gestürzt, nicht viele glaubten an ein Comeback. Wie haben Sie es trotzdem es geschafft?
Anita Wachter:Nach der Verletzung braucht man ein Ziel, das man unbedingt erreichen will. Man muss sich hundertprozentig reinhängen. Tiefen überwinden, Schmerzen wegstecken und konsequent weiter trainieren. Auf dem Weg ins Krankenhaus habe ich mir schon überlegt, ist es das wert. Nach der OP habe ich mich aber entschlossen: Einmal gebe ich noch Gas. Ab und zu muss man im Spitzensport über die Gesundheit, im engeren Sinne über Schmerzen, hinwegsehen. Das gehört dazu.

WANN & WO: Wie sah Ihr Abschied aus dem Skizirkus aus?
Anita Wachter: Ich hatte schon 2000 das Gefühl, jetzt bin ich am Ende meiner Kräfte. Das Training machte mir immer noch Spaß, aber das Reisen hat mir keine Freude mehr bereitet. Ich stand am Start, neben mir 16-Jährige – ich mit 34. Da habe ich mich gefragt: Was machst Du eigentlich noch hier? Trotzdem fiel mir der Abschied, vor allem vom Team, sehr schwer. Das Skifahren war mein Leben bis zu diesem Zeitpunkt.

WANN & WO: Welche Rolle spielten Männer im Ski-Zirkus? In Ihrem Leben?
Anita Wachter: Ich bin mit Rainer eigentlich schon seit 1986 zusammen. Wir konnten uns zwar nicht so oft sehen, weil er – genauso wie ich – viel unterwegs war. Dafür haben wir die Zeit, die wir gemeinsam verbringen durften umso mehr genossen. Durch seine Tätigkeit bei Head ist er noch immer viel außer Landes, die gemeinsamen Zeiten sind wunderschön.

WANN & WO: Fieberst du für das Head-Team oder die Österreicher?
Anita Wachter: Ich werfe natürlich ein Auge auf die Head-Fahrer, aber ich feuere auch die Österreicher an. Ein bisschen Nationalstolz darf sein (lacht).

WANN & WO: Was haben Sie für die Zukunft vor?
Anita Wachter:Ich bin komplett erfüllt hier am Bartholomäberg und werde bestimmt immer mit dem Skisport in Verbindung bleiben. Das werde ich immer gerne machen. Meine Mädchen fahren auch schon fleißig, dabei werde ich sie natürlich – so gut es geht – unterstützen.

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