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Aliyev-Prozess: Leichen nicht professionell entsorgt

Die beiden Banker auf der Anklagebank
Die beiden Banker auf der Anklagebank
Mit der Erörterung von zwei Sachverständigen-Gutachten ist am Donnerstag im Wiener Landesgericht der Prozess um die Ermordung und Entführung der kasachischen Banker Zholdas Timraliyev und Aybar Khasenov fortgesetzt worden. Wie der Gerichtsmediziner Daniele Risser erklärte, wurden die Leichen, die über vier Jahre nach dem Verschwinden der Banker entdeckt wurden, keineswegs professionell entsorgt.


Auf die sterblichen Überreste der zum Zeitpunkt ihres Ablebens 39 bzw. 42 Jahre alten Männer war man Mitte Mai 2011 in der Remisovka-Schlucht bei Almaty gestoßen. Die Leichen hatte man in mit Löschkalk gefüllte, einen Meter hohe Fässer aus Metall gegeben und in mehreren Metern Tiefe vergraben. Risser widersprach der Darstellung des an der Berliner Charite tätigen Rechtsmediziners Michael Tsokos, der an Ort und Stelle die Leichen untersucht hatte und auf den sich die Anklage gegen den mittlerweile verstorbenen kasachischen Ex-Botschafter in Wien, Rakhat Aliyev, den ehemaligen Chef des kasachischen Geheimdiensts KNB, Alnur Mussayev, sowie Aliyevs Sicherheitsberater Vadim Koshlyak bezieht. Während der deutsche Experte davon ausgeht, dass die Leichen professionell zum Verschwinden gebracht wurden und er dem bzw. den dafür Verantwortlichen ein “qualifiziertes Fachwissen im Umgang mit Leichen” bescheinigt, stellte Risser fest: “Ich würd’s nicht so machen.”

“Wenn ich eine Leiche in ein Metallbehältnis gebe, wirkt sich das nicht begünstigend auf den Verwesungsprozess aus”, präzisierte der Wiener Gerichtsmediziner. Im Gegenteil, anstatt den Fäulnisfortgang zu beschleunigen, bleibe eine Leiche bei einer derartigen Vorgangsweise länger erhalten. Die Anklage geht davon aus, dass die Täter sich beim Umgang mit den umgebrachten Bankern an den Fachkenntnissen Aliyevs orientiert haben dürften, der ein Medizin-Studium abgeschlossen hatte.

Die Obduktion der Leichen hatte Risser nicht selbst vorgenommen. Die unmittelbaren Untersuchungen führten die kasachischen Behörden und das von diesen beigezogene Berliner Universitätsmedizinische Institut durch. Die Staatsanwaltschaft Wien wurde damals nicht direkt tätig, weil die Auslieferungsfrage – Kasachstan hatte die österreichische Justiz um die Überstellung Aliyevs und mehrerer im Mordfall Timraliyev/Khasenov Mitverdächtiger zum Zweck der Strafverfolgung ersucht – zu diesem Zeitpunkt nicht geklärt war. “Wir hatten rein rechtlich keine Möglichkeit, Ermittlungen zu führen”, erläuterte dazu Staatsanwältin Bettina Wallner. Letzten Endes wurde Aliyevs Auslieferung abgelehnt und gegen diesen ein Inlandsverfahren geführt, weil Österreich erhebliche Zweifel daran hatte, dass Aliyev in Kasachstan ein faires Verfahren im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) erwarten würde.

Timraliyev und Khasenov dürften vor ihrem Tod misshandelt und unter Medikamente gesetzt worden sein. Wie Risser, seit mittlerweile fünf Jahren Vorstand der Wiener Dependance für Gerichtsmedizin, dem Schwurgericht erläuterte, konnten die unmittelbare Todesursache sowie der genaue Todeszeitpunkt nicht mehr festgestellt werden. Bei Khasenov – seine Leiche war wesentlich besser erhalten – ging Risser von einem Erstickungstod aus. Um den Hals des Bankers war sieben Mal ein drei Millimeter dickes Kabel geschlungen und eng zugezogen worden. Außerdem hatte man ihm einen rot-orangen Plastiksack über den Kopf gestülpt, der im Bereich des Gesichts zerrissen war. Die Leiche wies laut Gutachter außerdem “rillenförmige Vertiefungen” im Nackenbereich, Kopfverletzungen, einen Bruch des Zungenbeins, des Kehlkopfs und des Schulterblatts sowie Serienrippenbrüche auf. Der Sachverständige vermutete, dass dem Banker diese Verletzungen vor seinem Tod beigebracht wurden.

Timraliyev hatte man ein PC-Kabel drei Mal um den Hals gewickelt, zugezogen und im Halsbereich fixiert. Auch ihm war ein Plastiksack über den Kopf gestülpt worden. Bei ihm waren noch eine Läsion am Jochbein, mehrfache Rippenbrüche, eine Fraktur der Schulter und Weichteilverletzungen an den Händen feststellbar. Außerdem fand sich in seinem Darm ein scharfer Stein.

Beiden Bankern waren vier verschiedene Psychopharmaka injiziert worden, das Neuroleptika Sulpirid in einer deutlich überhöhten, aber nicht unmittelbar tödlichen Dosis. Dass Khasenov kurz vor seinem Ableben die Psychopharmaka “mehrfach appliziert” wurden – so die Behauptung der Berliner Charite -, wies Risser als “nicht nachvollziehbar” zurück.

Dass es sich bei den Leichen tatsächlich um die am 31. Jänner 2007 verschwundenen Banker handelt, ging aus den Ausführungen des DNA-Experten Richard Scheithauer hervor. Er könne deren Identität “mit praktischer Sicherheit bestätigen”, sagte der Sachverständige. Die kasachischen Tatort-Ermittler und die beigezogene Berliner Charite hätten “fachlich gesehen den Standards entsprechend gearbeitet”.

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