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AKW Zwentendorf: 40 Jahre danach

Das AKW Zwentendorf wurde nie in Betrieb genommen.
Das AKW Zwentendorf wurde nie in Betrieb genommen. ©APA/Helmut Fohringer
Heute wird Atomkraft in Österreich stark abgelehnt. Doch vor 40 Jahren war das noch nicht so. Mit der ersten Volksabstimmung der Zweiten Republik konnte eine geringe Mehrheit den Betrieb des AKW Zwentendorf verhindern.

Die ablehnende Haltung gegenüber Atomkraft ist in Österreich einzementiert – das war allerdings nicht immer so. Vor 40 Jahren, am 5. November 1978, sprach sich bei der ersten Volksabstimmung der Zweiten Republik nur eine hauchdünne Mehrheit von 50,5 Prozent gegen das AKW Zwentendorf aus. Politisch war dies eine Niederlage für Kanzler Bruno Kreisky, aber auch die Geburtsstunde der Grün-Bewegung.

AKW Zwentendorf: Widerstand von Anfang an

Der Startschuss für das österreichische Nuklearprogramm fiel noch im August 1969, als unter der ÖVP-Alleinregierung das “Strahlenschutzgesetz” beschlossen wurde. Im März 1972 wurde Zwentendorf, rund 30 Kilometer vor Wien, als Standort für das erste heimische Atomkraftwerk genehmigt. Ein zweites AKW im oberösterreichischen St. Pantaleon war in Planung. Das 1978 fertiggestellte AKW Zwentendorf kostete sieben Mrd. Schilling – doch es sollte nie in Betrieb gehen.

Von Anfang an gab es Widerstand gegen die Pläne. Bei den Protestmärschen formierte sich auch erstmals die Grünbewegung: Eine der schärfsten Kritikerinnen war Freda Meissner-Blau, die schließlich acht Jahre später die erste Klubchefin der Grünen im Parlament wurde. Freilich gab es nicht nur Atom-Gegner in der Bevölkerung, im Gegenteil: In Umfragen sprach sich die eine Hälfte für, die andere gegen die Nutzung von Atomenergie aus. SPÖ-“Sonnenkanzler” Kreisky teilte gegen die Kernkraft-Gegner ordentlich aus: “Ich habe es nicht notwendig, mich von ein paar Lausbuben so behandeln zu lassen.”

Erste Volksabstimmung der Zweiten Republik

Und obwohl die mit absoluter Mehrheit regierende SPÖ die Inbetriebnahme des AKW auch im Alleingang hätte beschließen können, ließ Kreisky eine Volksabstimmung ausrufen. Einerseits wollte er mit einem positiven Ausgang die Entscheidung auf eine möglichst breite Basis stellen, andererseits wollte er die Diskussion vor den Nationalratswahlen 1979 vom Tisch haben. Am Höhepunkt seiner Popularität verknüpfte Kreisky wenige Tage vor der Abstimmung sogar seine persönliche Zukunft mit dem Ausgang des Plebiszits. Ein taktischer Fehler, denn das Junktim des SPÖ-Kanzlers dürfte den einen oder anderen ÖVP-Wähler zum “Nein”-Kreuzerl bewogen haben.

Zwar signalisierten die Umfragen vor der Volksabstimmung eine leichte Pro-Mehrheit, es kam aber ganz knapp anders: Am 5. November stimmten 1,576.709 Österreicher für die Atomkraft, 1,606.777 votierten dagegen – die Gegner lagen mit nur 30.068 Stimmen vorne.

Kreisky sprach danach von einer “persönlichen Niederlage”, die Parteigremien konnten den Kanzler aber zum Weitermachen überreden und er blieb im Amt. “Kann ich mich auch nicht aufhängen, hab ich gesagt. Dann gibt’s halt ein Kraftwerk nicht”, erklärte er seinen “Rücktritt vom Rücktritt”. Bei der Wahl im Mai 1979 erreichte die SPÖ unter Kreisky dennoch mit 51 Prozent ihr historisch bestes Ergebnis.

Nur ein paar Wochen nach der Volksabstimmung, am 15. Dezember, beschloss der Nationalrat mit dem “Atomsperrgesetz” ein Verbot der Stromerzeugung aus Kernenergie in Österreich. Eine Zeit lang gab es immer wieder Vorstöße, das Nein zur Atomkraft zu überdenken, doch spätestens mit der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986 war das Thema in Österreich erledigt. Das bedeutet freilich nicht, dass Österreich frei von Atomstrom ist: Greenpeace geht davon aus, dass aufgrund von Importen noch immer mindestens zehn Prozent des Stroms aus Atomkraftwerken stammen.

Das AKW in Zwentendorf

Es hat 1.050 Räume, kein einziges Fenster, hinter eineinhalb Meter Stahlbeton fehlt fast durchgehend auch der Handyempfang. Dennoch ist das Atomkraftwerk Zwentendorf Anziehungspunkt für bis zu 15.000 Besucher jährlich. Anstelle von Kernspaltungen finden 40 Jahre nach der Volksabstimmung im Gebäude, das seit 2005 im EVN-Eigentum steht, neben Führungen vor allem Rückbautrainings für Experten statt.

Vor nunmehr 13 Jahren erwarb die EVN das damals noch zu 50 Prozent im Besitz des Verbund stehende Gebäude komplett. “Über Jahre war das ein Ort, an dem alles gescheitert ist, was überlegt wurde”, sagte Unternehmenssprecher Stefan Zach im Hinblick auf die Zeit nach dem Nein zum AKW bei der Volksabstimmung am 5. November 1978. In den Überlegungen der EVN spielte vor allem die Umgebung des niemals ans Netz gegangenen Reaktors eine große Rolle. Rund 24 Hektar seien dort inmitten des Augebiets als Kraftwerksgelände gewidmet und gelten in den Planungen des Energieversorgers laut Zach als Reservestandort. Gedacht werde dabei hauptsächlich in Richtung erneuerbarer Energien.

AKW Zwentendorf: neue Möglichkeiten

Die Anlage selbst dient seit 2015 als internationales Rückbautrainingszentrum für Kerntechniker. Diese könnten im Bezirk Tulln den stufenweisen Abbau eines AKW in einem gefahrlosen, strahlungsfeien Umfeld, sozusagen im Trockenen, trainieren, so Zach. Zwentendorf sei ein “1:1-Übungsmodell”, das in dieser Form auch eine Zukunft habe – potenzielle Trainingskandidaten seien genug vorhanden: “Es gibt 36 ähnliche Siedewasserreaktoren in Europa”, hielt Zach fest.

Auch auf erneuerbare Energien setzt die EVN in Zwentendorf bereits seit 2009. Auf dem Dach sowie auf der Außenfassade wurden Photovoltaik-Anlagen angebracht, diese wurden vor sechs Jahren erweitert. Sehr positive Rückmeldungen erhalte das Unternehmen nach Publikums-Führungen durch den Reaktor, die seit 2010 angeboten werden. Mehrmals pro Woche wird den Besuchern “ein Stück österreichischer Zeitgeschichte” nähergebracht, erläuterte Zach.

Das AKW Zwentendorf habe sich mittlerweile auch als Filmlocation einen Namen gemacht, sagte der EVN-Sprecher und verwies auf mehrere Spielfilmstreifen und Dokumentationen. Zudem würden Modeshootings und Firmenveranstaltungen im historischen Gebäude abgehalten. Zach: “Wir hatten auch schon Autopräsentationen in der Turbinenhalle”.

Immer größerer Beliebtheit erfreut sich das von der Independent Event GmbH veranstaltete “Shutdown”-Musikfestival am AKW-Gelände, das bei seiner zweiten Auflage im Jahr 2018 laut dem Unternehmenssprecher 10.000 Besucher verzeichnete. “Diese Veranstaltung, die uns eine große Freude macht, wird es auch in den nächsten Jahren geben.”

Die jährlichen Betriebskosten für den zweckentfremdeten Meiler liegen nach Angaben von Zach bei 350.000 bis 500.000 Euro. Dank Erträgen aus den diversen Aktivitäten stehe bereits seit etlichen Jahren am Ende “eine schwarze Null”.

(APA/Red)

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