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Ägypten: Traurige Fastenzeit

Sohn des Todesopfers
Sohn des Todesopfers
Junge fanatische Moslems griffen in Ägypten mit Messern bewaffnet koptische Christen beim Gebet an. Ein 78-jähriger Mann starb kurz darauf an seinen Verletzungen.

Aus dem besinnlichen Gottesdienst in der Al-Kadissin Kirche wird ein Blutbad. Während die Gläubigen sich im Gebet auf das Ende der Fastenzeit vorbereiten, stürmt ein junger Muslim mit einem Messer in das Gotteshaus und sticht zehn Gläubige nieder. Einer von ihnen, ein 78 Jahre alter Mann, stirbt kurz darauf. Die Betenden in zwei anderen koptischen Kirchen Alexandrias werden zur gleichen Zeit von Messerstechern heimgesucht. Fast sieht es so aus, als wäre nach Jahren des mehr oder weniger friedlichen Zusammenlebens von Christen und Moslems am Nil das Gespenst der islamistischen Gewalt zurückgekehrt.

Erst vor einer Woche hatten muslimische Jugendliche in dem Dorf Fao Bahari in der Provinz Kena Brandsätze auf die Häuser von Christen geworfen, nachdem das Gerücht aufgekommen war, diese wollten ein Gemeindehaus in eine Kirche umwandeln. Bei einem ähnlichen Zwischenfall in Al-Odeisat bei Luxor waren im vergangenen Jänner  17 Menschen verletzt worden. Und in Alexandria hatte es bereits Oktober 2005 mehrere Angriffe auf Kirchen gegeben.

Mit den Gewaltorgien der 90er Jahren, als die Terroristen der Gamaat Islamiya und Dschihad die Gotteshäuser und Geschäfte der Christen in Oberägypten heimgesucht hatten, ist die heutige Situation zwar nach Einschätzung ägyptischer Beobachter nicht zu vergleichen. Denn diesmal sind es keine straff organisierten Terrorgruppen, die hinter der Gewalt stecken, sondern eher Fanatiker, die mehr oder weniger spontan handeln.

Doch der Fanatismus hat auch eine politische Seite. Bei der Parlamentswahl im vergangenen Herbst wurde die Moslem-Bruderschaft mit dem Slogan „Der Islam ist die Lösung“ zweitstärkste Fraktion. Den Christen, die ungefähr sieben Prozent der ägyptischen Bevölkerung ausmachen, bereitet dieser Trend Sorge.

Es ist eine traurige Fastenzeit für die koptischen Christen Ägyptens, die ihr Osterfest am 23. April feiern. Denn die neue Welle der Konfrontationen beunruhigt viele von ihnen sehr. Und sie zeigt, dass es auch nicht viel hilft, dass seit dem Terror in den 90er Jahren vor jeder Kirche Ägyptens ein Polizist Wache schiebt. Auch die Beteuerungen der Staatsführung und der staatsnahen Religionsführer, die stets den starken Zusammenhalt zwischen Christen und Moslems beschwören, sind da nur ein schwacher Trost.

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