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Abschiebungen: Kogler setzt Kindeswohlkommission ein

Ehemalige OGH-Präsidentin Griss übernimmt Vorsitz.
Ehemalige OGH-Präsidentin Griss übernimmt Vorsitz. ©APA/HERBERT NEUBAUER
Vizekanzler Werner Kogler setzt im Konflikt um Abschiebungen von Minderjährigen eine Kommission ein, die sich mit dem Stellenwert von Kinderrechten und Kindeswohl bei Entscheidungen zum Asyl- und Bleiberecht befassen soll.
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Die Leitung der Kindeswohlkommission wird die ehemalige Präsidentin des Obersten Gerichtshofes und Ex-NEOS-Abgeordnete Irmgard Griss übernehmen.

Kindeswohlkommission soll eingesetzt werden

Gemeinsam mit Experten wird sie Empfehlungen erarbeiten, wie Kindeswohl und Kinderrechte stärker berücksichtigt werden können. Ein erster Bericht soll Mitte des Jahres vorliegen und veröffentlicht werden. Die Kommission ist im Justizministerium angesiedelt. Das Ressort wird derzeit von Kogler in Vertretung von Ministerin Alma Zadic, die in Babykarenz ist, geleitet.

Die Kindeswohlkommission wird die aktuelle Praxis in Asyl- und Bleiberechtsverfahren über den gesamten Instanzenzug sowie die rechtlichen Rahmenbedingungen evaluieren und europäisch vergleichen. Dazu wird Vorsitzende Griss mit Experten aus dem Familien-, Europa-, Asyl- und Bleiberecht in der Kommission zusammenarbeiten. Darüber hinaus soll ergänzend auch die Expertise von Psychologen, Behördenvertretern, Jugendarbeitern, NGOs und Jugendvertretern eingeholt werden.

"Bei Entscheidungen müssen wir immer zuerst an die Rechte und an das Wohl von Kindern denken. Sie müssen im Mittelpunkt stehen, es geht um ihren besonderen Schutz und um ihre Zukunft. Vergangene Woche sind gut integrierte Kinder in ein Land abgeschoben worden, das sie nicht kennen. Das hat uns schmerzhaft vor Augen geführt, dass es dringenden Handlungsbedarf gibt. Das Kindeswohl muss stärker in der Praxis verankert werden. Genau da wird Irmgard Griss ansetzen. Sie wird unabhängig gemeinsam mit Expertinnen und Experten aus den unterschiedlichsten Disziplinen analysieren, wie Kindeswohl in diese weitreichenden Entscheidungen einfließt und die politisch Verantwortlichen und die zuständigen Behörden mit Empfehlungen unterstützen", erklärte Kogler.

Weiter Debatten um Abschiebungen

Griss sprach von einer "wichtigen und absolut notwendigen Aufgabe". "Es geht darum, Lösungen zu finden - denn die Menschen verstehen zu Recht nicht, warum Kinder, die in Österreich aufgewachsen sind, abgeschoben werden. Es ist nicht der Rechtsstaat, der zu unmenschlichem Handeln zwingt. Immer ist es das Parlament, das die Gesetze beschließt, und immer sind es Menschen, Amtsträger, die Gesetze auslegen und auf einen bestimmten Sachverhalt anwenden. Klar ist: Das Kindeswohl steht im Mittelpunkt. Wir müssen alles tun, damit Kinder nicht die Leidtragenden sind", so Griss.

Ähnlich der Bioethikkommission wird die Kindeswohlkommission gemäß Paragraph acht des Bundesministeriengesetzes eingerichtet und berät die Justizministerin bzw. den Justizminister in Vertretung direkt. Um die Arbeit der Kommission zu unterstützen, wird im Justizministerium eine eigene Geschäftsstelle eingerichtet.

Kogler: Konflikt, aber kein Ende der Regierung

Die von Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) im Justizministerium eingesetzte "Kindeswohlkommission" soll ausloten, welche Spielräume das Innenministerium schon jetzt bei Abschiebungen hat. "Die sind viel größer, als hier behauptet wird", sagte Kogler am Donnerstag im Gespräch mit der APA und betonte, "dass es keine zwingende rechtliche Verpflichtung für diese Unmenschlichkeit gibt". Dass die türkis-grüne Koalition am Konflikt um die Abschiebungen scheitert, schließt Kogler aus.

"Es gibt einen Konflikt, das ist offenkundig", sagte Kogler angesichts der türkis-grünen Auseinandersetzungen der vergangenen Tage. Österreich befinde sich aber mitten in einer Pandemie, verbunden mit einer Wirtschaftskrise und der Sorge um Arbeitsplätze. Daher müsse man "Verantwortung für Österreich übernehmen", betonte Kogler. Die Drohung des Grünen Abgeordneten Michel Reimon in Richtung ÖVP, dass die Koalition nicht wie bisher weiter gehen könne, betrifft aus Koglers Sicht eher "kommunikationstechnische Fragen".

Die im Justizministerium eingesetzte Kommission unter Vorsitz der früheren OGH-Präsidentin Irmgard Griss soll aus seiner Sicht weniger Gesetzesänderungen vorbereiten als aufzeigen, was im aktuellen Asylrecht bereits möglich ist. Damit soll aus Koglers Sicht die Behauptung von Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) widerlegt werden, er habe bei den jüngsten Abschiebungen nicht anders handeln können.

Es gebe keine rechtliche Verpflichtung für Unmenschlichkeit, aber eine politische Verpflichtung zu Menschlichkeit und zum Schutz der Kinder, betonte Kogler: "Ich gehe natürlich davon aus, dass die ÖVP und der Herr Innenminister zur Kenntnis nimmt, was im bestehenden Rechtsrahmen möglich ist." Hier gebe es zwar einen Konflikt mit der ÖVP, aber keine anderen Mehrheiten im Nationalrat, bedauerte Kogler. Daher müsse er "den Fokus darauf legen, was im bestehenden Rechtsrahmen möglich ist".

Nicht festlegen will sich Kogler, ob die Grünen für die Zeit nach der nächsten Nationalratswahl alternative Mehrheiten gegen die ÖVP mit SPÖ und NEOS anstreben. "Das Ziel ist, in den nächsten Monaten und Jahren Österreich gut durch diese ganz große Krise zu führen. Dass wir bei den nächsten Wahlen als Grüne erfolgreich sein wollen, wie jede andere Partei auch, ist logisch." Das sei aber noch weit weg. Außerdem enthalte der geltende Koalitionsvertrag viele wichtige Projekte wie die Ökologisierung der Wirtschaft mit entsprechend großen Chancen für den Arbeitsmarkt.

Dass das Justizministerium für das Thema gar nicht zuständig ist, weist Kogler zurück. Die Kinderrechte seien sehr wohl Angelegenheit der Justiz und auch in Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert. Kogler leitet das Ressort während der Babypause von Justizministerin Alma Zadic (Grüne) interimistisch.

(APA/Red)

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