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Abhörwanzen im Kirchenschiff

Jürgen Schäfer wehrt sich bis heute vor Gericht.
Jürgen Schäfer wehrt sich bis heute vor Gericht. ©VOL.AT
Feldkirch - Oberster Gerichtshof zieht Schlussstrich unter Feldkircher Kirchenstreit.
Schäfer fühlt sich gemobbt
Pfarrer Schäfer im VOL.AT-Interview

Da wurden Gespräche abgehört und Abhörprotokolle versandt. Passwörter verschwanden. Türschlösser wurden ausgewechselt. Die Wortwahl sank auf einen absoluten Tiefpunkt. Anwälte und Gerichte sind seit zwei Jahren mit der Causa bestens ausgelastet: Jetzt hat der Oberste Gerichtshof in Wien einen neuerlichen Schlussstrich unter den verheerenden Streit in der kleinen evangelischen Gemeinde Feldkirch gezogen. Demnach wird es dem ehemaligen Gemeindepfarrer Jürgen Schäfer (57) endgültig untersagt, Abschriften heimlich angefertigter Tonaufnahmen zu veröffentlichen. Aber die sind eh längst an zahllose Menschen versandt worden.

Nervenzerrüttender Kleinkrieg

Schäfer wurde 1992 Pfarrer der Feldkircher Gemeinde. Am 1. September 2009 trat er ein Sabbatjahr an. Der Grund: Müdigkeit, starke Belastung. An seine Stelle trat vorübergehend die spätberufene Vikarin Barbara Wedam (58). Was sich in Folge in der Gemeindeleitung zuträgt, füllt ganze Aktenordner und böte Stoff für eine Vorabendserie. Weil der Pfarrer laut Kurator Karl Grabuschnigg (64) nicht von der administrativen Arbeit lassen kann, wird im Oktober das Presbyterium (Kirchengemeindeleitung) aktiv und untersagt ihm jede Arbeit im Büro. Man denkt daran, die Schlösser auszuwechseln. Die Übergabe der EDV gerinnt zu einem nervenaufreibenden Kleinkrieg. Die Vikarin solle erst mal Manieren lernen, zitiert Grabuschnigg den offenbar verärgerten Pfarrer. Gesprächsprotokolle werden geführt und vom Gegenpart anschließend in allen Punkten haarklein bestritten. Im Juni 2010 eskaliert die Lage dann vollends. Pfarrer Schäfer gibt einen Monat später in der Polizeiinspektion Feldkirch zu Protokoll, eine Person habe ihm einen USB-Stick voller Tonaufnahmen von Sitzungen kirchlicher Gremien gebracht. Wer das war, sagt er nicht. Die Übergabe habe in einem Beichtgespräch stattgefunden. Aber er hört sich die Aufnahmen an und fühlt sich „beruflich bedroht“. Also fertigt er schriftliche Protokolle der Mitschnitte an und verschickt sie an seine Vorgesetzten. Schäfer glaubt, eine groß angelegte Mobbingaktion gegen seine Person aufgedeckt zu haben. Auch ein Vier-Augen-Gespräch zwischen Grabuschnigg und Wedam wurde heimlich aufgezeichnet. Darin nennt der Kurator die Vikarin „Schatzibutz“. „Das tu ich ganz ohne Hintergedanken bei vielen Frauen.“ Seinen Widerpart Schäfer nennt er eine „Schweinebacke“. Zu diesem Zeitpunkt ist das Verhältnis derart zerrüttet, dass bald auch die jugendlichen Pfarrmitglieder hineingezogen werden. So erhält Barbara Wedam Mitte Mai 2011 ein SMS des Wortlauts: „Du stingsch nach Fisch Kirchenschande und bisch a hässliches Ding.“ Anonyme Anrufe gehen bei ihr ein. Schon lange fühlt sie sich in der Kirche beim Orgelspiel beobachtet. Und doch beruhigt sich die Lage allmählich. Nicht freilich vor Gericht. Dort hagelt es Anzeigen und Klagen, Rekurse und Ablehnungen. Pfarrer Schäfer wehrt sich vergeblich mit allen Mitteln gegen die Versetzung in einen zweijährigen Wartestand. Der Ausgang eines Arbeitsgerichtsprozesses in Wien ist bis heute offen.

„Höherrangige Interessen“

Die Pfarre hat im Dezember 2011 eine neue Gemeindevertretung gewählt und vor Kurzem ein Presbyterium bestellt. Vikarin Wedam betreut bis 31. August als Adminis­tratorin die 1700 Gemeindemitglieder. Ob sie sich für die Pfarre bewerben wird, weiß sie noch nicht. Jürgen Schäfer kann sich um eine andere Pfarre umsehen. Leicht wird das nicht. Aus den geheimen Abhörprotokollen darf er nicht mehr zitieren. Er hätte zuvor, so urteilen die Obersten Richter in Wien, „höherrangige Interessen“ beweisen müssen, um die Abschriften verwenden zu dürfen.

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