Dieser Foliant ist imposant: "Englische Renaissance"
Mit seinem Untertitel "Shakespeare & Company" deutet der Shakespeare-Spezialist an, welcher Name diese Epoche heute überstrahlt. Natürlich findet sich auch manches Sachdienliche zu dem Dramatiker, der bis in die Gegenwart von den Theaterspielplänen nicht wegzudenken ist. Pfister will jedoch mehr. "Unsere Anthologie will an ausgewählten und im weiten Wortsinn literarischen Texten die Vielfalt und Spannbreite der Modernisierungsschübe im England zwischen dem Humanisten Thomas Morus und dem radikalen Dichter John Milton in ihren Hauptfeldern kartographieren, ja feiern", schreibt er in seiner Einführung.
Von Hexen und Hebammen
Mehre hundert meist vom Herausgeber selbst übersetzte Originaltexte des 16. und 17. Jahrhunderts von über 100 Autoren sind in dem zweieinhalb Kilo schweren und vor allem mit Abbildungen aus den zitierten Schriften illustrierten Band versammelt. Sie zeigen eine rasante Entwicklung. "Innerhalb kürzester Zeit mutiert die Insel aus halber Barbarei zum europäischen Motor von Kapitalismus, Kunst und Wissenschaft." Als Quelle dienen Pfister Texte der Weltliteratur ebenso wie Essays und Predigten, Reiseberichte und Traktate "bis hinunter zu Hexenprozessen, einem Lehrbuch für Hebammen oder dem Gedicht eines Hofmanns, der sich seiner Erfindung des Wasserklosetts für die Königin als Modernisierung der Hygiene rühmt".
In 27 thematische Kapitel gegliedert erfährt man über die Pest und die "Putzsucht", von "Benimm-Regeln für die Taverne" und den Vorteilen der Urnenbestattung, von Reformation und Revolution, von Festen und Freudenhäusern, geistigen Aufbrüchen und wissenschaftlichen Entdeckungen. Das alles kann man in den Worten der Philosophen Francis Bacon und Thomas Hobbes, der Dramatiker Ben Jonson und Christopher Marlowe, von Komponist John Dowland und unzähligen Autoren (und Autorinnen wie Aphra Behn oder der dichtenden Königin Elisabeth) nachlesen, die man neu entdecken kann.
"Kein Lesebuch, ein Leseereignis"
"Englische Renaissance" liefert die Fortsetzung dessen, was Tobias Roth begonnen hat, "eine neue Form der Literatur- und Kulturgeschichtsschreibung, in der die Texte selbst sinnfällig zur Sprache kommen und nicht nur besprochen werden". Oder, wie es eine begeisterte Rezensentin in der deutschen Wochenzeitung "Die Zeit" ausdrückte: "Dieses Buch ist kein Lesebuch, es ist ein Leseereignis."
(Von Wolfgang Huber-Lang/APA)
(S E R V I C E - Manfred Pfister: "Englische Renaissance", Galiani Berlin, 480 Seiten, 100,80 Euro)
(APA)
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