SOS Kinderdorf: Staatsanwaltschaft Klagenfurt ermittelt gegen Kärntner Landesbedienstete
Die Causa um mutmaßlichen Missbrauch an mehreren Standorten von SOS-Kinderdorf weitet sich aus. Wie am Donnerstag bekannt wurde, ermittelt die Staatsanwaltschaft Klagenfurt gegen Mitarbeiter des Landes Kärnten wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs. Ermittlungen gibt es auch in Tirol und Salzburg. SOS-Kinderdorf war unterdessen um volle Aufklärung bemüht, sprach auf APA-Anfrage "jedoch auch von ersten Indikatoren für einen Spendenrückgang", wie es am Nachmittag hieß.
SOS-Kinderdorf: "Erste Indikatoren für einen Spendenrückgang"
Dieser werde etwa im Bereich der digitalen Spenden und Unternehmenspartnerschaften registriert. Aufgrund des kurzen Zeitraums sei eine genaue Abschätzung jedoch schwierig, hieß es aus der Kommunikationsabteilung von SOS-Kinderdorf. SOS-Kinderdorf finanziert sich zu rund 75 Prozent aus Beiträgen der öffentlichen Hand. Rund 25 Prozent der erforderlichen Mittel kommen aus Spenden: 2024 betrugen diese 46,5 Millionen Euro. Die Gesamteinnahmen 2024 betrugen rund 188 Millionen Euro.
Es gebe einen "Anfangsverdacht aufgrund der Berichterstattung, dass nicht alle Verdachtsmomente an die Staatsanwaltschaft herangetragen wurden", erklärte Sprecher Markus Kitz von der Staatsanwaltschaft Klagenfurt der APA. Ob das Land seiner Anzeigenverpflichtung nachgekommen ist oder etwas vertuscht wurde, soll nun ermittelt werden. Andererseits werde gegen Verantwortliche des SOS-Kinderdorfs Moosburg ermittelt, wo Missbrauchsvorwürfe nicht angezeigt worden sein sollen sowie wegen des Verdachts des Quälens und Vernachlässigens von Minderjährigen. Das Land Kärnten hat inzwischen eine Sonderkommission einberufen.
Ausgelöst hatte die Causa ein Bericht des "Falter" vor mehr als einer Woche. Demnach sollen Kinder und Jugendliche am Standort in Moosburg im Zeitraum von 2008 bis 2020 misshandelt, eingesperrt und nackt fotografiert worden sein. Die Informationen der Wochenzeitung stammen aus einer Studie, die SOS-Kinderdorf selbst in Auftrag gegeben, aber nie öffentlich gemacht hatte. Im Jahr 2020 hatte es Ermittlungen gegen einen ehemaligen Leiter des SOS-Kinderdorfes Moosburg und eine weitere Person gegeben. Vorgeworfen wurden mutmaßliche Missbrauchsdarstellungen Minderjähriger sowie mutmaßlicher Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wurden aber eingestellt.
In der Sitzung des Kärntner Landtags am Donnerstag erklärte Landesrätin Sara Schaar (SPÖ), erst seit vergangenem Montag von der nicht veröffentlichten Studie zu wissen und in weiterer Folge davon, dass es nicht nur die drei "Altfälle" in der Causa SOS-Kinderdorf gab. In "der verhältnismäßig kurzen Frist" habe sie diese Studie durchgearbeitet und einen sofortigen Zehn-Punkte-Änderungsplan erstellt. Dieser reiche von einem verpflichtenden Kinderschutztraining, über eine externe Beschwerdestelle bis hin zur verpflichtenden digitalen Aufzeichnung aller Vorfälle und Grenzüberschreitungen in Betreuungseinrichtungen. Externe Prüfungen müssen dem Land vorgelegt werden, sollte zukünftig eine Meldung an die Landesregierung nicht erfolgen, habe dies eine Verwaltungsstrafe zur Folge.
Seit 2013 sei es nach Schaar zu 79 Fachaufsichten in unterschiedlichen Einrichtungen des SOS-Kinderdorfes gekommen. Klubobmann Erwin Angerer (FPÖ) forderte in der Debatte einen aktiven Opferschutz, der wichtiger sei als die Gründung von Expertenkommissionen. So müsse es neben einer Anlaufstelle für Betroffene auch rechtliche Unterstützung bei der Durchsetzung der Ansprüche geben. Die Auszahlung finanzieller Entschädigungen an Betroffene müsse geprüft werden.
Bericht: Gewaltverdachtsfälle am Standort in Imst bekannt geworden
Wenig später wurden auch fünf Gewaltverdachtsfälle am Standort in Imst in Tirol bekannt, wie die "Tiroler Tageszeitung" jüngst berichtete. Die Vorfälle betreffen demnach den Zeitraum 2017 bis 2020 und würden sich auf das Fehlverhalten zweier Führungskräfte beziehen. Die Staatsanwaltschaft Innsbruck prüft einen möglichen Anfangsverdacht. Auch zu den Fällen in Tirol wurde eine interne Studie erstellt, die jedoch nicht veröffentlicht wurde.
Kritik von Soziallandesrätin - Oppositionsparteien mit Ruf nach Aufklärung
Soziallandesrätin Eva Pawlata (SPÖ) übte am Donnerstag gegenüber dem ORF Tirol und der "Tiroler Tageszeitung" harsche Kritik an der Vorgangsweise der damals verantwortlichen Personen im SOS-Kinderdorf und sprach von einem "System der Vertuschung". Von Mitarbeitern an Leitungspersonen gemeldete Fälle seien nicht ans Tageslicht gekommen. "Es gab also viele Ebenen, wo diese an und für sich meldepflichtigen Vorfälle dann verebbt sind", sagte sie zum ORF. "Das Machtkonstrukt war von außen nicht sichtbar", auch wenn eine Fachaufsicht bzw. unabhängige Kommissionen - etwa der Kinder- und Jugendanwaltschaft - die Kinder regelmäßig besuchen. Die künftige Zusammenarbeit mit dem SOS-Kinderdorf müsse nun diskutiert werden, eine Auflösung des Vertrages stand jedoch nicht im Raum. Eine "lückenlose Aufklärung" durch die nun eingesetzte Kommission unter Irmgard Griss sei nun "dringend notwendig", meinte sie zur "Tiroler Tageszeitung".
Vonseiten der Oppositionsparteien war indes der Ruf nach Aufklärung laut geworden. Liste Fritz-Parteiobfrau Andrea Haselwanter-Schneider forderte etwa strengere Kontrollmechanismen und eine angemessene Entschädigung für Betroffene. "Als Gesellschaft haben wir die Verantwortung, ihnen zumindest im Nachhinein Gerechtigkeit und Unterstützung zukommen zu lassen", meinte sie. FPÖ-Obmann Markus Abwerzger, der im Zivilberuf Rechtsanwalt ist, sah indes die Möglichkeit von Amtshaftungsklagen der Betroffenen. Die Staatsanwaltschaft müsse die Verantwortung der Behörden und damals politisch Verantwortlichen untersuchen.
Wie die "Salzburger Nachrichten" am Mittwoch berichteten, werde auch gegen einen ehemaligen Mitarbeiter des SOS-Kinderdorfes Seekirchen ermittelt. Er soll 2020 zwei unmündige Mädchen missbraucht haben. Der Beschuldigte ist bereits einschlägig vorbestraft. Er wurde im Oktober 2021 am Salzburger Landesgericht wegen sexuellen Missbrauchs von Unmündigen rechtskräftig verurteilt.
Er erhielt damals acht Monate bedingte Haft sowie eine unbedingte Geldstrafe, weil er sich zwischen 2011 und 2013 an einem unmündigen Mädchen vergriffen hatte. Nach der damaligen Verurteilung war das Arbeitsverhältnis mit dem Mann beendet worden. "SOS-Kinderdorf ist es sehr wichtig zu betonen, dass der ehemalige Mitarbeiter des SOS-Kinderdorfes Seekirchen zum Zeitpunkt seiner Verurteilung nicht mehr für uns tätig war", hieß es aus der Pressestelle. Seitens des SOS-Kinderdorfes Seekirchen seien unmittelbar nach der ersten erfolgten Anzeige Konsequenzen gezogen. Der ehemalige Mitarbeiter sei dienstfrei gestellt worden und das Dienstverhältnis noch im selben Jahr beendet, hieß es. Studie wurde in Salzburg keine beauftragt.
"Müssen offenbar aber noch viel mehr tun"
Geschäftsführerin Annemarie Schlack betonte am Donnerstag in einer Aussendung, es sei ihr "höchstes professionelles und auch persönliches Anliegen, dass so etwas in unserer Organisation nie wieder passiert". Es sei seit 2021 viel getan worden, "wir müssen offenbar aber noch viel mehr tun", sagte Schlack.
Verwiesen wurde in diesem Zusammenhang auf die Ombudsstellen für Opferschutz für ehemalige Betreute, die interne Meldestelle für Kinderschutz sowie eine anonyme und nach internationalen Standards aufgesetzte Whistleblowing-Plattform. "Alle Betroffenen, Mitarbeitenden und externe Personen können diese Kanäle nutzen, um Missstände oder Verdachtsfälle sicher und - auf Wunsch - anonym zu melden", hieß es. Die Ombudsstellen habe man zudem um drei Fachkräfte aufgestockt.
Die vom Aufsichtsrat eingesetzte Reformkommission von SOS-Kinderdorf unter der Leitung von Ex-OGH-Präsidentin Irmgard Griss tritt am 8. Oktober vollständig zusammen. Die Organisation betonte am Donnerstag, dass die Unabhängigkeit durch die Struktur der Kommission gesichert sei. Während die externen Expertinnen der Kommission die Untersuchungen durchführten bzw. weitere Fachleute beauftragten, hätten die drei Mitglieder des Aufsichtsrats in der Kommission kein Eingriffsrecht in der Untersuchung und seien für die Umsetzung der Empfehlungen zuständig.
(APA/Red)
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