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Halbes Jahr EU-Ratsvorsitz: Nicht nur gute Zeiten

Sebastian Kurz und Jean-Claude Juncker in Brüssel.
Sebastian Kurz und Jean-Claude Juncker in Brüssel. ©AP
Ein Jahr Regierungsjubiläum bedeutet auch ein halbes Jahr EU-Ratsvorsitz. Die österreichische Regierung hat sich in der Zeit allerdings nicht nur mit Ruhm bekleckert. Besonders die FPÖ fiel auf.

Am 1. Juli 2018 hat Österreich den EU-Ratsvorsitz für ein halbes Jahr übernommen. Für die Bundesregierung bedeutete das zunächst vor allem eine erhöhte Reisetätigkeit. So wurde schon Anfang Juni ein Ministerrat in Brüssel abgehalten, was die Opposition umgehend als zu kostenintensiv kritisierte. Dennoch verlief die Ratspräsidentschaft atmosphärisch recht gut. Misstöne kamen, wenn dann aus der FPÖ.

Als Bundeskanzler reiste Sebastian Kurz (ÖVP) im Dezember 2017 zuerst nach Brüssel. Sowohl EU-Ratspräsident Donald Tusk als auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sprachen ihm ihr Vertrauen aus und bezeichneten Österreich als zuverlässigen Partner. Ein Boykott der FPÖ war nach den Erfahrungen mit den EU-Sanktionen gegen die erste ÖVP-FPÖ-Regierung kein Thema mehr.

Illegale Migration als Hauptthema

Im Juli stellte Kurz sein Präsidentschaftsprogramm im EU-Parlament in Straßburg vor, seine Ministerriege tat dann Selbiges in den jeweiligen Fachbereichen. Als Motto präsentierte die türkis-blaue Regierung “Ein Europa, das schützt”, und folglich nannte Kurz bei seiner Rede in Straßburg auch den Kampf gegen illegale Migration als Hauptanliegen des österreichischen Ratsvorsitzes. Als zweiten wesentlichen Punkt bezeichnete er die Sicherung des Wohlstands und die Digitalisierung.

Wichtige Räte fanden in Österreich statt und brachten schöne Bilder aus der Alpenrepublik in die Welt. Auch wenn es die eine oder andere kritische Stimme, etwa des Magazins Politico zum Salzburg-Gipfel gab, blieben diese doch in der Minderheit. Als Ratsvorsitzende traten viele Minister im EU-Parlament auf, viele Termine wurden dabei auch von Innen-Staatssekretärin Karoline Edtstadler (ÖVP) wahrgenommen, die Europaminister Gernot Blümel (ÖVP) vertrat.

FPÖ als EU-Kritiker

Die Beamtenschaft zog an einem Strang und wickelte die Präsidentschaft professionell ab, auch die Regierung zeigte sich in Brüssel stets gut vorbereitet und spulte einen Punkt nach dem anderen eines dichten Programmes ab. Für Aufregung sorgte allenfalls die FPÖ, die sich als EU-kritische Partei zu einem pro-europäischen Regierungsprogramm bekennen hatte müssen.

Als die gesamte EU-Kommission Anfang Juli zu einem Arbeitstreffen mit der Bundesregierung nach Wien kam, meinte EU-Kommissionspräsident Juncker, dass es ihm sehr gut passe, dass Kurz auf Brückenbauer-Kurs sei. In Richtung FPÖ erklärte er, er wünsche sich einen Austritt der FPÖ aus dem “Negativverein” Europa der Nationen und Freiheit (ENF), der gemeinsamen Fraktion im Europaparlament von FPÖ, Lega und Rassemblement National (ehemals: Front National).

Harald Vilimsky als schwarzes Schaf

Vor allem der FPÖ-Generalsekretär und Europaparlamentarier Harald Vilimsky dürfte sich auf den Schlips getreten gefühlt haben und warf Juncker daraufhin vor, betrunken beim NATO-Gipfel aufgetreten zu sein. Ein Sprecher der Kommission wies dies zurück und verwies auf einen akuten Ischias-Anfall des Kommissionspräsidenten. Vilimsky ließ sich davon nicht beeindrucken und blieb bei seinem Standpunkt.

Während von Bundespräsident Van der Bellen abwärts jede Menge Politiker Vilimsky scharf kritisierten, blieb die Bundesregierung großteils still, und wenn es Wortspenden gab, waren die fast ident. Kurz selbst verwies Tage später nur auf die Replik des ÖVP-Delegationsleiters im Europaparlament Othmar Karas, der Vilimskys Aussagen als “unwürdig” bezeichnet hatte.

Kneissl-Hochzeit sorgte für Unverständnis

Nicht ganz gelang die sogenannte Message-Control allerdings bei der Hochzeit von Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ), die durch die Einladung des russischen Präsidenten Wladimir Putin für weltweites Aufsehen und viel Unverständnis in Brüssel sorgte. Die EU-Kommission musste extra betonen, dass sich die Position der Europäischen Union gegenüber Russland nicht geändert habe. Auch dass ein Mitarbeiter des italienischen Innenministers Matteo Salvini während eines Innenrates mitfilmte und den Disput mit dem Luxemburger Innenminister Jean Asselborn veröffentlichte, wurde in Brüssel durchaus dem Ratsvorsitzenden Herbert Kickl (FPÖ) angelastet, der das, so meinen viele, verhindern hätte müssen.

Abschließend wird man die Ratspräsidentschaft ohnehin erst nach deren Ende beurteilen können, vieles wurde vom Brexit-Thema überlagert. Dennoch sei die österreichische Ratspräsidentschaft “generell okay” verlaufen, meint der langjährige deutsche CDU-Europaparlamentarier Elmar Brok. Allerdings sei er “entsetzt, dass die Ratspräsidentschaft das mit dem (UNO-)Migrationspakt angeleiert hat. Das darf eine Ratspräsidentschaft nicht machen”. Hier liege die Verantwortung auch bei Kurz, so Brok.

(APA/red)

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