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19 Tote und Plünderungen auf Madagaskar

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Die vor Afrikas Ostküste gelegene bitterarme Tropeninsel Madagaskar wurde am Montag unvermittelt zum Schauplatz ungezügelten Volkszorns. Die Polizei reagierte auf die Plünderungen der letzten Nacht mit gewalttätig: bisher kostete es 19 Menschen ihr Leben. 

Proteste gegen die Regierung – zu denen der Bürgermeister der Hauptstadt Antananarivo, Andry Rajoelina (34), zum Auftakt eines Generalstreiks aufgerufen hatte – gerieten außer Kontrolle und entwickelten eine kriminelle Eigendynamik. Nachdem die Polizei durch ihren Rückzug zunächst ein Machtvakuum hatte entstehen lassen, reagierte sie am Dienstag mit scharfen Schüssen auf weitere Plünderungen. Bisher kamen 19 Menschen bei den Krawallen ums Leben.

Der Volkszorn richtete sich in erster Linie gegen den Reichtum von Präsident Marc Ravalomanana (59), den er überwiegend während seiner Amtszeit angehäuft hatte. Der Unmut hatte sich zunächst an der Verfolgung politischer Gegner und an Hetzkampagnen in Ravalomananas Tageszeitungen und seiner TV-Station MBS entzündet. Seine Gegner hatten ihm vor allem die Anschaffung eines neuen Dienst-Flugzeugs für 60 Millionen US-Dollar (45 Millionen Euro) als Verschwendung vorgehalten, aber auch schwere Eingriffe gegen die Pressefreiheit kritisiert. Selbst der Bau riesiger Silos im wichtigsten Reis-Anbaugebiet geriet in die Kritik, zumal der Präsident nach Ansicht seiner Gegner die Einkaufspreise diktiert.

Begonnen hatte das Chaos nach friedlichen Demonstrationen auf dem historischen “Platz des 13. Mai”, auf dem Staatschef Ravalomanana selbst vor sieben Jahren als Präsidentschaftskandidat gegen seinen Amtsvorgänger Didier Ratsiraka angetreten war. Die Wut der Bevölkerung richtete sich gegen Ravalomananas Einkaufsmärkte, sein Medienzentrum im Stadtteil Anosipatrana und das von seiner Tochter geleitete Druckereiunternehmen. Das präsidiale Firmen-Imperium löste sich dann im Wutrausch der Demonstranten nach und nach in schwarzen Rauch auf: Inventar und Waren wurden hemmungslos geplündert. Es folgten schnell Übergriffe auf andere Geschäfte.

Kinder schleppten Computer weg, Hausfrauen rissen sich TV-Geräte unter den Nagel, Jugendliche rollten große Speiseöl-Fässer von der Firma des Präsidenten nach Hause. Ein schlechtes Gewissen legte keiner der von Journalisten befragten Plünderer an den Tag: “Der Präsident hat sich von unserem Geld ein Flugzeug gekauft, jetzt holen wir uns das Geld wieder zurück”, meinte einer von ihnen. In der Nacht zu Dienstag wurde auch das Zentralgefängnis gestürmt, um drei Studenten zu befreien. Sie sollen vergangene Woche angeblich mehrere Molotowcocktails gegen Regierungsgebäude geschleudert haben. Die Demonstranten wurden am Dienstag mit Warnschüssen vertrieben.

Zahlreiche Einwohner der Hauptstadt saßen am Radio, um die Nachrichten aus dem einzigen noch intakten Sender Antsiva zu verfolgen. Andere reagierten mit Hamsterkäufen, die die Preise in die Höhe trieben. Ein Versuch von Anhängern der Präsidentenpartei, die oppositionsnahe Fernsehstation TV Plus zu stürmen, wurde von Getreuen des Bürgermeisters verhindert. Vertreter der Armee regten auf Anfrage des Senders die Einsetzung einer Militärregierung an. Polizei und Militär waren stundenlang nicht präsent, nachdem zuvor drei Demonstranten im Bereich der Fernsehsender TVM (staatlich) und MBS (Präsident) erschossen worden waren. Bürgermeister Rajoelina vermutet hinter den Plünderungen Provokateure von Ravalomanana, um ihn und die Protestbewegung in Misskredit zu bringen. Er sagte ein geplantes Treffen mit dem Staatschef ohne Angabe von Gründe ab.

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