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100 Jahre Frauenwahlrecht: Diskussion um Frauenanteil in der Politik

Um Frauen zu fördern, müsse die Elternarbeit besser aufgeteilt werden.
Um Frauen zu fördern, müsse die Elternarbeit besser aufgeteilt werden. ©APA/GEORG HOCHMUTH
Wolfgang Sobotka und Juliane Bogner-Strauß wünschen sich mehr weibliche Beteiligung in der Politik. Eine verpflichtende Quote steht jedoch nicht zur Debatte.

Frauen sind in der Politik unterrepräsentiert – man sei zwar auf gutem Wege, “aber es gibt Luft nach oben”, befanden Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und Frauenministerin Juliane Bogner-Strauß (beide ÖVP) im APA-Interview zum 100-jährigen Frauenwahlrechts-Jubiläum. Allgemein solle die Väterbeteiligung erhöht werden, für die Ministerin ist ein höherer Fixanteil beim Kindergeld vorstellbar.

Höherer Fixanteil für Väter beim Kindergeld vorstellbar

Um Frauen zu fördern, müsse etwa die Elternarbeit besser aufgeteilt werden. “Wir müssen über Kinderbetreuungsgeld- und Karenzmodelle nachdenken, wo die Väter einfach mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen dürfen”, meinte Bogner-Strauß. Derzeit seien 20 Prozent des Kinderbetreuungsgeldes für den Partner reserviert, aber “80 Prozent der Eltern in Österreich entscheiden sich dafür, dieses Geld verfallen zu lassen”, erklärte die Ministerin mit Verweis auf die Männerquote beim Kindergeld. Sie kann sich hier durchaus eine Änderung bei den Kindergeldregeln vorstellen: “Vielleicht sind die 20 Prozent zu wenig an unübertragbarer Zeit”, meinte Bogner-Strauß. Man werde dies jedenfalls evaluieren.

Gefragt, ob der viel diskutierte Rechtsanspruch auf den Papamonat nach der Geburt des Kindes nicht ein gutes Signal für mehr gewünschte Väterbeteiligung sei, relativierte die Ministerin: Einen Rechtsanspruch auf Väterkarenz gebe es seit 1984, “und es nehmen nicht einmal 20 Prozent der Väter wahr, das heißt: welcher Hebel ist ein Rechtsanspruch?” Nichtsdestotrotz werde sie sich wie angekündigt mit den anderen zuständigen Ministerinnen zusammensetzen und “wir werden eine Lösung finden, um es den Vätern zu erleichtern, diesen Papamonat wahrzunehmen”.

Sobotka: Kinder im Plenarsaal “überhaupt kein Problem”

Für Regierungsmitglieder, Abgeordnete oder auch Bürgermeisterinnen gelten indes die Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes nicht, anlässlich der Geburt des Sohnes von Ministerin Elisabeth Köstinger wurde aber auch innerhalb der ÖVP eine Diskussion über Karenzregelungen angestoßen. Sobotka und Bogner-Strauß sind da skeptisch: “Das ist für Frauen in der Politik nur schwierig umzusetzen”, glaubt Sobotka. Für Regierungsämter sei es noch eher vorstellbar, bei Abgeordneten stelle sich aber die Frage, wie man das Mandat besetze. “Stimmrechtsübertragung wäre eine Idee für eine gewisse Zeit”, schlug Bogner-Strauß vor. Es gebe viele Pro- und Contra-Argumente – aber auch aus ihrer Sicht könnten derartige Karenzregelungen schwierig sein, etwa für Bürgermeisterinnen, wenn man ein Jahr vor der nächsten Wahl stehe und man Angst haben müsse, “dass man für die Ewigkeit ersetzt wird”.

Man müsse einfach auf ein gutes Miteinander achten, findet Sobotka, “wir sollten da ein bisschen pragmatischer sein”. So hätte er etwa überhaupt kein Problem damit, wenn eine Mutter ihr kleines Kind mit in den Plenarsaal nimmt, betont der Nationalratspräsident auf Nachfrage. Die Notwendigkeit, Plenarsitzungen zeitlich zu beschränken und damit familienfreundlicher zu machen, sieht er nicht, da diese ohnehin nur tageweise stattfinden.

Mehr Frauen in der Politik gefordert – aber keine Quoten

Der Frauenanteil im Nationalrat beträgt gut 37 Prozent, unter den Bürgermeistern nur knapp acht Prozent. Die ÖVP versuche, mittels Mentoring- und Coachingprogramm mehr junge Frauen für die Politik zu motivieren, erklärte Bogner-Strauß. Und zwar “über Frauen, die sich zugetraut haben, in die Politik zu gehen”, denn “Mut haben” sei ein wichtiger Punkt, glaubt die Ministerin. Man dürfe freilich auch nicht verbergen, dass der Job auch unangenehme Seiten habe: “Das Eis ist manchmal dünn, es bedarf viel Energie in der Politik und Frauen trauen sich oft einfach zu wenig zu” – nicht nur in der Politik. “Es machen schon sehr viele Frauen Politik im Hintergrund, aber in den Vordergrund gehen noch viel zu wenige.”

Sobotka stimmt dem zu – es brauche eine Vertiefung des Mentorings und Coachings, betonte er. Denn die Gesellschaft gehe mit Frauen kritischer um, und immer noch spielten bei ihnen etwa Äußerlichkeiten eine größere Rolle in der Bewertung. “Die Politik kann unterstützend wirken, aber es braucht einen gesamtgesellschaftlichen Zugang, dass man dort, wo man Positionen besetzen kann, einmal grundsätzlich Frauen ermuntert, sich diese Aufgabe zuzutrauen.” Eine Quote in der Politik lehnt Sobotka ebenso ab wie einen Gleichstellungsbonus in der Klubförderung. “In der Politik hat man die Wahl”, verweist er auf den Wählerwillen, und “einen Bonus halte ich nicht für wirklich effektiv”. Außerdem werde dann immer von “Quotenfrau oder Bonusfrau” gesprochen. “Wir müssen die Gleichberechtigung anders schaffen, das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.”

EU-Wahl: Frauen sollen Frauen wählen

Die ÖVP arbeite auf ihren Listen mit einem Reißverschlusssystem, erinnerte Sobotka. Für die anstehende EU-Wahl im Mai wünscht sich Bogner-Strauß – “und ich werde auch dafür trommeln” – dass Frauen auch Frauen wählen, “wir Frauen müssen da auch mehr Solidarität zeigen”. “Das glaube ich nicht”, warf Sobotka ein, “ich denke, Männer wie Frauen sind von Männern und Frauen begeistert”.

Dass das nunmehr in der ÖVP geltende Vorzugsstimmensystem das Reißverschlussprinzip erst wieder obsolet machen könnte, befürchtet Sobotka nicht. Wenn er an die ÖVP-Kandidatinnen denke, “hab ich überhaupt keine Sorge”. Die Unterstützer liefen für die Kandidaten, ob Mann oder Frau, denn “man will schließlich gewinnen”.

(APA/Red)

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