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„Führe mein Leben so, wie ich es will!“

Corinne und Thomas haben sich geoutet.
Corinne und Thomas haben sich geoutet. ©W&W/Harald Küng
Corinne Scherrer, 36, Bregenz, und Thomas Bitschnau, 21, Lingenau, erzählen von ihrem Alltag als Homosexuelle in Vorarlberg.

WANN & WO: Wann hattet ihr euer Outing und wie hat euer Umfeld darauf reagiert?

Corinne Scherrer: Mein Outing hatte ich mit Anfang zwanzig. Zuerst hatte ich mir selbst eingestanden, dass ich lesbisch bin, später habe ich mich langsam meinen Freundinnen und Familienmitgliedern anvertraut. Mein Umfeld hat glücklicherweise durchwegs positiv reagiert und mich so angenommen, wie ich bin. Davor hatte ich eine „erfolgreiche“ Phase der Verdrängung, in der ich nicht wahr haben wollte, dass ich homosexuell bin. Ich wollte einfach „normal“ sein und nicht auffallen. Gespürt hatte ich es aber eigentlich schon mit 16 Jahren, dass ich auf Frauen stehe.

Thomas Bitschnau: Ich hatte mein Outing mit 16. Meine Eltern waren die Ersten, denen ich mich anvertraut habe. Sich bei den Eltern zu outen, fällt den Meisten vermutlich am schwersten. Natürlich ist es für sie anfangs ein „Schock“ und sie brauchen ihre Zeit dafür. Aber ich hatte daheim nie Probleme. Meine Eltern sahen, dass es mir gut geht, meine Freunde hinter mir stehen und ich auch sonst keine Probleme diesbezüglich hatte. Somit wurde auch nie lange darüber diskutiert. Wozu auch? Sie wollen dass ich, ihr Kind, glücklich bin. Würden sie mir verbieten, den Menschen zu lieben, den ich liebe, wäre ich das nicht.

WANN & WO: Wovor hattet ihr am meisten Angst beim Outing?

Corinne Scherrer: Angst vor Ablehnung, Angst davor, nicht als normal zu gelten, Angst vor Ausschluss im Familen-/Freundeskreis, Angst davor nicht mehr geliebt zu werden, Angst vor Diskriminierung, Angst vor einem unbekannten Lebensmodell, das damals noch zu wenig von außen wahrgenommen werden konnte, Angst das einzige lesbische Mädchen weit und breit zu sein.

Thomas Bitschnau: Ich hatte Angst, dass meine Eltern mich zuhause hinauswerfen. Ich liebe meine Eltern und wollte sie auf gar keinen Fall verlieren. Die Angst war aber vollkommen unbegründet. Und ich kann jedem nur sagen: Wenn man das Outing hinter sich hat und Rückhalt bekommt, fühlt man sich frei und blüht richtig auf. Man muss sich nur trauen.

WANN & WO: Gibt es in Vorarlberg weitgehend Akzeptanz für Homosexuelle?

Corinne Scherrer: Viele Menschen haben überhaupt keine Berührungs­ängste und machen auch keinen Unterschied, ob sie es nun mit einem homo-, heterosexuellen oder transidenten Menschen zu tun haben. Das wäre persönlich auch meine Wunsch-Gesellschaft, wenn alle Menschen sich unvoreingenommen begegnen könnten. Leider gibt es aber immer noch Menschen, die wenig bis große Probleme damit haben. Oftmals führt Unwissenheit zu ablehnenden homophoben und transphoben Reaktionen und diskriminierendem Verhalten.

Thomas Bitschnau: Die Vorarlberger kommen mit Homosexuellen im Großen und Ganzen klar. Wir sind ganz normale Menschen, wir sind nicht krank, nicht behindert ,wir sind gesunde Menschen, die das gleiche Geschlecht lieben. Ich habe bis heute keinerlei Probleme. Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich schwul bin. Ich mache daraus auch kein Geheimnis. Warum auch? Es ist mein Leben und ich führe es so, wie ich will.

WANN & WO: Ihr lebt beide in einer Partnerschaft. Wie fallen die Reaktionen aus, wenn ihr mit euren Partnern unterwegs seid?

Corinne Scherrer: Ich bin seit zwölf Jahren mit meiner Partnerin zusammen. Manchmal erkennt man uns als Paar in der Öffentlichkeit, manchmal nicht. Je nachdem, ob wir uns als Paar zu erkennen geben. Wir können uns in der Öffentlichkeit weniger unbeschwert als Paar verhalten, wie dies Heterosexuelle tun. Es kommt immer wieder vor, dass uns Leute länger ansehen, vielleicht auch nur, um sich zu versichern, ob dies nun wirklich zwei Frauen sind, die Händchen halten. Abwertende, aber auch wohlwollende Blicke kommen vor, Beschimpfungen haben Seltenheitswert, haben wir aber auch schon erlebt. Frauenpaare fallen in unserer Gesellschaft sowieso weniger auf als Männerpaare, da Frauen in unserer Kultur sich körperlich eher näher sein dürfen als Männer.

Thomas Bitschnau: Mein Partner und ich sind sehr glücklich miteinander. Wenn wir Händchen haltend herumlaufen oder uns küssen ist es normal, dass die Leute schauen. In Vorarlberg ist es noch immer nichts Alltägliches, zwei sich liebende Männer oder Frauen zu sehen. Obwohl – bei Frauen finden es viele Homo-Gegner eher „normal“ oder sogar noch „geil“. Aber wenn wir Punks, Gothics oder sonstige außergewöhnliche Menschen auf der Straße sehen, die nicht dem vorgegebenen Standard entsprechen, schauen wir doch auch ab und zu genauer hin.

17. Mai – Internationaler Tag gegen Homophobie

Die Initiative zum Internationalen Tag gegen Homophobie ging von Louis-George Tin aus, der heute der französischen Sektion der International Lesbian and Gay Association vorsteht. Das Datum wurde zur Erinnerung an den 17. Mai 1990 gewählt, den Tag, an dem die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Homosexualität aus ihrem Diagnoseschlüssel strich. 2009 war Homosexualität noch in 70 Ländern strafbar, in manchen werden homosexuelle Handlungen bis heute sogar mit dem Tod bestraft. Aus aktuellem Anlass veranstalten die jungen Grünen am Freitag eine Aktion in Dornbirn (Marktplatz, ab 14.30 Uhr – Info: vbg.junge-gruene.at).

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