„Talisman“ ohne Tiefgang

Die Posse mit Gesang „Der Talisman“ (1840) des genialen Theatermannes Johann Nepomuk Nestroy (1801–1862) ist wohl das populärste Werk des kritischen Wiener Wortkünstlers. Beim Vorarlberger Landestheater steht der „Talisman“ derzeit auf dem Programm, und die Abonnenten des Lustenauer Theater-Abos besuchten kürzlich eine Vorstellung im Bregenzer Kornmarkttheater. Nun, der Eindruck war zwiespältig.

Der Theaterfreund kennt den originalen „Talisman“ – und das ist gut so, denn in dieser aktuellen Produktion gibt es so manchen oberflächlichen Klamauk, der die Handlung unnötig verdünnt und ihr den überzeitlichen Nestroy’schen Biss nimmt.

Dirk Diekmann ist zwar mit dem Meisterwerk nicht so radikal verfahren wie Skandalregisseur und „Stückezertrümmerer“ Frank Castorf mit Nestroy in Wien, doch etliche subjektive Ausrutscher haben gewiss nichts mit Nestroy zu tun.

Ohne Couplets

Es gibt zwar eine flotte Bühnenmusik (Ensemble Plus), aber keine Titus-Couplets. Titus Feuerfuchs (Heinz) und Salome Pockerl (Julia Jelinek) werden gleich zu Beginn als geradezu hysterische Typen vorgestellt, und Titus agiert eher als „Wurschtel“, der gar nicht so richtig mitbekommt, dass seine Perückengeschichten als Chiffre für die Tragik des Vorurteils, des Ausgegrenztseins stehen. Völlig deplatziert benimmt sich etwa Tamaraals geile bundesdeutsche Stern Gärtnerin, ihre Masturbation in statu nascendi ist ein peinlicher Anblick. Gernot Piff macht den Plutzerkern zum ungepflegten, grantigen Sandler. Wolfgangbeeindruckt Pevestorf als glatter Friseur Marquis, Gundula Rapsch Cypressenburg schiebt sich in ihrer schwarzen Krinoline „halbseiden“ über die Bühne. Immer eine Freude sind die rar gewordenen Auftritte von Bruno Felix.  Sein Bierversilberer Spund mit komischer Boshaftigkeit ist gegen Ende dieses „Talisman“ endlich eine echte Nestroy-Figur.

Ein „moderner“ Talisman? – oder weniger…