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Zwei-Klassen-Medizin in Österreich: Armut und Krankheit gehen Hand in Hand

Armutskonferenz fordert u.a. einen Pensionsvorschuss
Armutskonferenz fordert u.a. einen Pensionsvorschuss
Menschen in Haushalten unter der Armutsgrenze weisen einen dreimal schlechteren Gesundheitszustand auf als Personen mit hohen Einkommen. Auch sind sie laut Statistik Austria (2014) doppelt so oft krank. Die Armutskonferenz, ein Netzwerk aus 40 sozialen Organisationen, will daher mit einer Studie das Bewusstsein in der Gesellschaft für Armut schärfen. Gefordert wird etwa ein Pensionsvorschuss.

Ziel der Studie war es auf Basis von Befragungen, Barrieren und Lücken im österreichischen Gesundheitssystem aus Sicht der Armutsbetroffenen aufzuzeigen, erklärte Martin Schenk von der Armutskonferenz bei der Präsentation am Dienstag. Die Auswertung der Interviews zeigte unter anderem, dass das Gesundheitssystem von Armutsbetroffenen als Zwei-Klassen-System erlebt wird.

Arme Menschen in der Medizin nichts wert?

Arme Menschen sehen sich im Gesundheitssystem auch mit “massiver Stigmatisierung, Geringschätzung oder mangelnden Respekt” konfrontiert. Dies sei vor allem in Krankenhäusern, teils aber auch bei niedergelassenen Ärzten der Fall.

Berufsunfähigkeit: Gutachten werden ignoriert

Einen zentralen Punkt stellen auch Probleme rund um das Pensionsverfahren dar. Die Verfahren sind oft langwierig und belastend und trotz schwerer gesundheitlicher Probleme gibt es einen “massiven Druck” zur Reintegration in den Arbeitsmarkt. Bei den Gutachten werden bereits vorhandene Befunde oft einfach ignoriert, kritisierte Schenk. Mobilität, Unterschiede in der Versorgung zwischen Stadt und Land oder die mangelnde Information zu Gesundheitsleistungen wurden weiters als problematisch genannt.

Erleichteter Zugangn gefordert

Als Schlussfolgerung aus den Befragungen präsentierte Schenk insgesamt 15 Forderungen. So sollte es etwa für Armutsbetroffene Begleitdienste bei Gutachten, Gesundheitsdiensten und Behördengängen geben. Die Armutskonferenz arbeitet derzeit an einem Pilotprojekt für derartige Dienste. Persönliche Begleitung für Betroffene wäre auch bei Freizeitaktivitäten wünschenswert.

Erleichtert werden sollte der Zugang zu kostenloser Psychotherapie sowie zu präventiven Gesundheitsmaßnahmen wie Kuren sowie zur Rehabilitation. Gesundheitseinrichtungen sollten besser erreichbar sein, denn kommen Armut und Krankheit zusammen, sei die Mobilität völlig eingeschränkt.

Gefordert wird darüber hinaus die Wiedereinführung des Pensionsvorschusses, denn dieser war bisher eine finanzielle Absicherung für Menschen, deren Anspruch auf Krankengeld nach einem Jahr endete. Gerade zunehmende psychische Erkrankungen führen aber zu einer längeren Arbeitsunfähigkeit, so Schenk: “Jetzt stehen die Leute vor dem Nichts.” Formulare und Diagnosen sollten außerdem lesbar und verständlich sein.

“Es kann jeden treffen”

Auf Letzteres pochte die Armutsbetroffene Sonja Taubinger, da sie selbst mit einer unverständlichen Krebsdiagnose konfrontiert war. Sie berichtete von der ständigen Existenzangst, in der Arme zu leben haben: “Zahl’ ich die Miete oder leiste ich mit Heilbehelfe?” Franz K., ebenfalls Betroffener, meinte bei der Pressekonferenz: “Ohne Panik verbreiten wollen, es kann jeden treffen.” Er selbst habe jahrzehntelang als Kaufmann gearbeitet und seine Beiträge geleistet, nun ist er auf öffentliche Unterstützung angewiesen. Der 60-Jährige betonte, dass es nicht um Almosen geht, sondern Bewusstsein und Unterstützung, damit Betroffene wieder ihr Leben meistern können. (red/APA)

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