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Zum Solitär gewordene Firmenphilosophie

©Petra Rainer
Architektur.terminal hat für das Götzner Familienunternehmen Wilhelm+Mayer eine neue Firmenzentrale entworfen. Was möglich war, wurde selbst gemacht, selbst die Betonfertigteile für die Fassade.
Zum Solitär gewordene Firmenphilosophie

Seit der Gründung der Firma Wilhelm+Mayer vor 80 Jahren ist das Bauunternehmen, das inzwischen viel mehr als „nur“ ein solches ist, dem ursprünglichen Standort treu geblieben. Als kontinuierlich wachsendes Familienunternehmen war der angestammte Standort allerdings längst zu klein. Vieles musste ausgelagert werden, was die Eigentümer schon seit Längerem mit einem Neubau liebäugeln ließ. Ein idealer Bauplatz ganz in der Nähe wurde gefunden, das darauf stehende alte Haus abgerissen und drei Architekten zu einem kleinen Wettbewerb eingeladen, den das Röthiser Büro architektur.terminal gewonnen hat.

Mit einem Projekt, das durch seine zentrale Lage Präsenz im Ort zeigt, was gut für die Firma ist. „Wir haben genau das bekommen, was wir wollten“, sagt Geschäftsführer Johannes Wilhelm. Indem hier nun an einem prominenten Ort unter einem Dach die rund 50 Mitarbeiter der Firmenzentrale arbeiten können, in einem Bau, der letztlich das repräsentiere, „was wir selbst herstellen bzw. verkaufen“, sagt Wilhelm. Was möglich war, wurde selbst gemacht, selbst die Betonfertigteile der markanten Fassade.

Im Prinzip ist die neue Firmenzentrale von Wilhelm+Mayer ein in Skelettbauweise errichteter traditioneller Massivbau. Die weiß verputzten Ziegelmauern sind so dick, dass auf eine zusätzliche Dämmung verzichtet werden konnte, was raumklimatisch von großem Vorteil ist. Die Struktur des von Martin Hackl, Mitinhaber von architektur.terminal, entwickelten Hauses ist letztlich absolut pragmatisch. Der auf einer Tiefgarage mit 25 Autoabstellplätzen und diversen Nebenräumen stehende Bau mit dem Grundriss eines leicht verschobenen Trapezes wird in allen vier Geschoßen mittig durch breite Gänge erschlossen. Links und rechts bzw. an der Stirnseite befinden sich größere und kleinere Büros, deren Wände – außer dem des Chefs – zu den Gängen hin gläsern sind, während die raumhohen Türen aus massiver Eiche getischlert wurden. Ist doch Transparenz Teil der Firmenphilosophie genauso wie weite mentale Horizonte, was sich nicht zuletzt in den literarischen Texten niederschlägt, mit denen die gläsernen Wände in hellen und dunklen Lettern beschrieben sind. Die klugen Zitate, die u. a. von Aristoteles, Goethe, Hesse oder Frankl stammen und alle auf irgendeine Weise mit dem Bauen oder Wohnen zu tun haben, taugen so ganz nebenbei auch fabelhaft als effektiver Einlaufschutz.

In den mit Akustikdecken ausgestatteten Büros liegen dunkelgraue Teppichböden, die runden Lichtquellen sind in drei unterschiedlichen Größen in die Decken eingelassen. Die breiten mittleren Zonen sind in den drei Obergeschoßen viel mehr als reine Gänge. Hier stehen in markante schwarze Möbel eingehauste Inseln, die nicht nur zum Kopieren gut sind, sondern zu wichtigen Orten der Kommunikation werden. Aus Sichtbeton gebaut sind die zwei Kerne für das ganz in Orange – der Firmenfarbe von Wilhelm+Mayer – gehaltene Treppenhaus samt Lift und die WCs mit ihren ebenfalls organgen Böden.

Durch die Setzung des Hauses ist straßenseitig ein kleiner, fast urban anmutender öffentlicher Platz entstanden, auf dem eine Sitzbank steht. Der Sockel der Firmenzentrale Wilhelm+Mayer ist rund einen Meter zurückversetzt und zu einem großen Teil gläsern. Nach der zentralen Eingangstüre findet sich auf der rechten Seite der mit einem langen hölzernen Möbel markierte Empfang, links eine kleine Lounge. Und dem entgegengesetzten Ende ist dem Haus eine große, teilweise überdachte Terrasse vorgelagert, angelegt als geschützter Ort für die Mitarbeiter, um sich auszutauschen oder einfach nur abzuhängen.

Schlichte Funktionalität suggerieren die durchgehenden Fensterbänder, die drei Seiten der Firmenzentrale strukturieren, während ihr „Gesicht“ so komplett anders daherkommt, um dadurch unternehmerisches Selbstbewusstsein zu demonstrieren. Diese straßenseitige Fassade besteht aus zwei Schichten, wobei die innere komplett verglast ist, der eine großzügig dimensionierte Gitterstruktur vorgesetzt ist, die raffiniert unregelmäßig ist. Eine Geste, die diesen gebauten Solitär – noch – zur Ausnahme im lokalen Kontext macht.

Daten & Fakten

Objekt Bürogebäude Wilhelm+Mayer, Götzis
Eigentümer/Bauherr Wilhelm Real GmbH
Architektur achtiketur.terminal hackl und klammer, Röthis www.architekturterminal.at
Statik Mader & Flatz Ziviltechniker, Götzis www.mader-flatz.at
Fachplaner: Bauphysik: Bernhard Weithas, Lauterach; Geo-
technik: Peter Waibel, Hohenems; Heizung, Klima, Lüftung,
Sanitär: Walter Pflügl, Bregenz; Elektro: Ingenieurbüro Brugger, Thüringen; Brandschutz: Ingenieurbüro Huber, Weiler; Bauaufsicht: exakt, Lustenau; Vermessung: Markowski, Feldkirch
Wettbewerb 2013
Planung 2013-2015
Bauzeit 9/2014–11/2015
Nutzfläche 1345 m² (zzgl. Tiefgarage)
Bauweise: Massiv-Skelettbau und ausfachende Wandteile außen mit Einsteinmauerwerk; Innenwände flexibler Trockenbau bzw. verglaste Konstruktionen
Besonderheiten: Ergonomische, höhenverstellbare Arbeitsplätze; LED-Leuchten im ganzen Haus
Ausführung: Baumeister: Wilhelm + Mayer, Götzis; Heizung, Sanitär: Hörburger, Altach; Klima: Ender, Altach; Elektro: Hartmann, Götzis; Spengler: Heinzle, Koblach; Holz-Alu-Fenster: Zech, Götzis; Schlosser: Summer Metallbau, Weiler; Trockenbau: Gerd Arnold, Wolfurt; Innenverglasung: Längle, Götzis; Böden: Vetter, Bregenz; beschichtete Böden: Vondrak, Weiler
Energiekennwert 16 kWh/m² im Jahr (Heizwärmebedarf)

Leben & Wohnen – Immobilienbeilage der VN

Für den Inhalt verantwortlich:
vai Vorarlberger Architektur Institut
Mehr unter architektur vorORT auf v-a-i.at

Mit freundlicher Unterstützung durch Arch+Ing

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