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Zeichen in der Krise: Kurzvisite des Papstes auf Lesbos

Franziskus möchte den Flüchtlingen Mut machen
Franziskus möchte den Flüchtlingen Mut machen
Mit dem EU-Türkei-Flüchtlingspakt ist Lesbos erneut in den Fokus gerückt. Nun will Papst Franziskus den Menschen auf der Insel mit einem Kurzbesuch Hoffnung machen. Und ein Zeichen setzen.


Nur etwa fünf Stunden wird der Papst-Besuch auf der griechischen Ägäis-Insel Lesbos an diesem Samstag dauern – doch er wird für Aufmerksamkeit sorgen. Mit seiner Kurzvisite will Papst Franziskus den Flüchtlingen Mut machen und in der humanitären Krise ein Zeichen setzen. “Der Besuch ist aus der Sorge des Papstes über die Situation der Flüchtlinge entstanden”, sagte Vatikan-Sprecher Federico Lombardi über die Visite, bei der Franziskus vom griechisch-orthodoxen Patriarchen Bartholomaios I. und dem orthodoxen Erzbischof Hieronymus II. begleitet wird. “Mit dieser Reise will der Papst erneut in einem Moment der humanitären Krise einschreiten.”

Seit knapp vier Wochen ist das umstrittene Abkommen zwischen der EU und der Türkei in Kraft, seitdem können Flüchtlinge, die auf die griechischen Ägäis-Inseln übersetzen, direkt in die Türkei zurückgeschickt werden. Die Planungen für den Besuch des Papstes wurden anschließend im Rekordtempo vorangetrieben – selbst Lombardi bezeichnete die Reise als “Überraschung”. Der katholische Pfarrer von Lesbos, Leo Kiskinis, sagte Radio Vatikan, die Reise des Pontifex zu diesem Zeitpunkt könne “kein Zufall” sein.

Dennoch will der Vatikan die Visite nicht als politische Einmischung oder gar Kritik an dem EU-Türkei-Pakt verstanden wissen. “Der Besuch ist ganz klar ein humanitärer und ein ökumenischer”, sagte Lombardi. Doch allein durch seine Anwesenheit setzt Franziskus Zeichen.

Gemeinsam mit dem Patriarchen und dem Erzbischof besucht er den sogenannten Hotspot Moria, das staatliche Auffanglager auf Lesbos, in dem etwa 3000 Schutzsuchende leben. Dort werden die Flüchtlinge seit Inkrafttreten des EU-Türkei-Pakts hinter hohen, mit Stacheldraht bewehrten Zäunen de facto inhaftiert. Das UNO-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) bezeichnet solche “Hotspots” als Gefängnisse, Amnesty International kritisiert, die dort festgehaltenen Menschen hätten keinen Zugang zu Rechtshilfe und würden nur unzureichend versorgt.

Die Kirchenführer wollen in dem Lager Hunderte Flüchtlinge persönlich begrüßen und mit acht von ihnen zu Mittag essen. Im Hafen von Mytilini wird Franziskus danach mit einer Schweigeminute und einem Gebet an jene Menschen erinnern, die auf der gefährlichen Reise über das Meer ihr Leben ließen.

Die Vorbereitungen auf Lesbos laufen auf Hochtouren. Unzählige Polizisten sind mit der Sicherung des Flughafens, des Lagers Moria und des Hafens beschäftigt; seit Dienstag sind laut Augenzeugen zudem Sicherheitsfachleute des Vatikans auf der Insel unterwegs, um den Besuch vorzubereiten. Vom streng geregelten, mehrstündigen Programmablauf dürfe nicht abgewichen werden, heißt es. Lombardi betonte, man verlasse sich bei der Sicherheit des Papstes ganz auf die lokalen Behörden.

Als “Aktion Besen” bezeichnen griechische Medien die Aktivitäten, die seit Wochenbeginn laufen. Es wird berichtet, dass wegen des Besuchs möglichst alle Flüchtlinge und Migranten aus dem Straßenbild der Inselhauptstadt Mytilini verschwinden sollten. Bürgermeister Spyros Galinos hat sich deshalb bereits kritisch geäußert: Wegen des Papstes kehre man die Probleme der Insel unter den Teppich. “Wir wollen die Wahrheit sagen”, sagte Galinos dem griechischen Fernsehsender Skai.

Hilfsorganisationen erhoffen sich von dem Besuch Aufmerksamkeit für das Schicksal der Flüchtlinge. Der Papst werde “ein Schlaglicht auf die Bedeutung lokaler und internationaler Solidarität werfen”, sagte Gauri van Gulik von Amnesty International. Franziskus müsse auch die “Angst und Unsicherheit” der Menschen ansprechen, forderte sie.

Franziskus reist bereits zum zweiten Mal an einen Ort, der zum Symbol für das Leid der Flüchtlinge geworden ist. Nur wenige Monate nach seinem Amtsantritt besuchte er 2013 die italienische Insel Lampedusa. Er prangerte dort eine “Globalisierung der Gleichgültigkeit” an und sorgte damit für weltweite Aufmerksamkeit. Franziskus begreift sich auch als politischer Papst, der gerne Position bezieht.

Eine besondere Bedeutung bekommt die 13. Auslandsreise des Papstes auch durch die Begleitung des griechisch-orthodoxen Patriarchen. Beide Kirchenführer teilten die Sorgen über die Situation der Flüchtlinge, sagte Lombardi. “Schon die Tatsache, dass sie diese Reise gemeinsam unternehmen, ist eine wichtige Botschaft.” Franziskus ist erst der zweite Papst, der Griechenland besucht, nach Papst Johannes Paul II. im Jahr 2001.

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