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Zehn Jahre nach Flucht: Natascha Kampusch fühlt sich selten "richtig frei"

Kampuschs Flucht jährt sich heuer zum zehnten Mal
Kampuschs Flucht jährt sich heuer zum zehnten Mal
Zehn Jahre nach der Flucht aus der Gefangenschaft ihres Entführers Wolfgang Priklopil versucht Natascha Kampusch, ein normales Leben aufzubauen. Sie nimmt Gesangsunterricht, Reitstunden, macht die Matura nach und engagiert sich für Flüchtlinge. Dennoch "so richtig frei" habe sie sich bisher "vielleicht nur in ganz wenigen Momenten" gefühlt, sagte sie in einem Interview mit der ORF-Sendung "Thema".
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Natürlich wird das Leben von Kampusch immer wieder von ihrer Vergangenheit überschattet – auch durch die vielen medial verbreiteten Gerüchte rund um ihren Fall. “Die Menschen dachten, dass ich ein Kind bekommen hätte und es umgebracht hätte. Dann kamen so alte Damen auf mich zu und haben mich einfach versucht zu schlagen oder mich als Lügnerin oder Luder oder Schlampe bezichtigt. Oft waren das so Situationen, wo ich mir dachte: ‘Um Gottes Willen, wo bin ich da hineingeraten?'”

Verschwörungstheorien gegen Vater von Natascha Kampusch

Die verschiedenen Verschwörungstheorien führten schließlich sogar dazu, dass sie zu ihrem Vater - der medial immer wieder die "Ein-Täter-Theorie" bezweifelte - auf Distanz ging. "Teilweise gab es so Aktionen seitens meines Vaters, die ich einfach nicht einordnen konnte. Und da war es mir einfach wichtig, mich ein wenig zu distanzieren. Einiges war sogar unverzeihlich", meinte die 28-Jährige in dem ORF-Interview. Heute hat sie sich aber mit ihm ausgesöhnt. Zweifel, dass Priklopil doch nicht der alleinige Täter war, lässt Kampusch weiterhin nicht aufkommen. "Ich weiß es", unterstrich sie.

Natascha Kampusch mit Schwester, Nichte und Mutter./APA/ORF/ORF
Natascha Kampusch mit Schwester, Nichte und Mutter./APA/ORF/ORF ©Natascha Kampusch mit Schwester, Nichte und Mutter./APA/ORF/ORF

Einblicke in Psyche des Täters Priklopil

In dem Interview gab Kampusch auch erneut Einblicke in die bizarre Psyche von Wolfgang Priklopil. So hatte der Entführer offenbar tatsächlich im Sinn gehabt, sein Opfer zu heiraten. "Ja, das war sein Plan. Er hat wohl gedacht, dass er das irgendwie vertuschen kann, sein Verbrechen, und dass ich dann oben ganz normal lebe und ihn dann vielleicht mit falschen Dokumenten heirate oder sowas. Ich hab dann zum Schein das Ganze gut gefunden, damit ich irgendwann einmal eine Chance bekomme wegzulaufen."

Zweites Buch zum zehnten Jahrestag

Anlässlich des zehnten Jahrestages wird Kampusch mit "10 Jahre Freiheit" (List Verlag) ein zweites Buch über ihren Fall herausbringen. Dem Vorwurf, erneut Geld verdienen zu wollen, ließ die 28-Jährige nicht gelten, sie wolle ihre Geschichte einfach "selbst erzählen". "Außerdem hätten dann diese ganzen Leute, die Schindluder mit dieser Geschichte trieben, freie Hand gehabt, weil ich ja nicht da gewesen wäre, um zu widersprechen, um ein Zeichen zu setzen, um da zu sein und einfach dem, was wirklich wahr, Ausdruck zu verleihen. Dann hätten die einfach irgendeine Geschichte daraus gemacht und das wollte ich nicht", sagte die 28-Jährige.

Trotz aller Bemühungen ist der Weg zu einem normalen Leben für Kampusch wohl noch nicht zu Ende: "Ich denke, dieses Noch-Mehr-Zu-Sich-Selbst-Stehen - unabhängig davon, was andere Leute für Bedürfnisse haben - ist vielleicht noch ein Punkt, den ich noch erweitern könnte. Dass ich sage: 'OK, ich darf da sein, ich darf leben, ich darf mich entfalten.' Das ist es."

(APA)

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