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W&W zu Gast bei der Revolte-Oma

Gertraud Burtscher spricht über den geplanten Hungerstreik und ihre Vergangenheit.
Gertraud Burtscher spricht über den geplanten Hungerstreik und ihre Vergangenheit. ©Wann&Wo
Nach den Enthüllungen um ihre Vergangenheit war es lange still um „Revolte-Oma“ Gertraud Burtscher. Da sie nun einen Hungerstreik plant, hat W&W mit ihr und mit Historikern gesprochen.

Von Martin Begle/Wann&Wo

Mit der Omarevolte setzt sich Gertraud Burtscher aus Bludesch für gerechte Pensionen für die vor 1955 geborenen Mütter ein. „Die nach 1955 geborenen Mütter werden aus dem Familienlastenausgleichsfonds untestützt. Jene, die vor ‘55 geboren sind, bekommen nichts“, erklärt Burtscher ihr Anliegen. Daher fordert sie: „14 Mal im Jahr 50 Euro pro Kind für alle Mütter – unabhängig vom Beruf, Vermögen oder sonstigen Dingen. Und das ohne, dass es sich auf Sozialleistungen auswirkt. Als Dank dafür, dass sie dem Land Nachkommen geschenkt und sie aufgezogen haben. Dafür werden am Freitag sechs Frauen und Dr. Rudolf Gehring von der CPÖ von 0 bis 24 Uhr nichts essen und halten sich zwischen 10 und 16 Uhr vor dem Landhaus in Bregenz auf.“

NDP-Mitgliedschaft

Die Initiative von Burtscher bekam nach Bekanntwerden ihrer Mitgliedschaft in der Nationaldemokratischen Partei (NDP), die 1988 wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung behördlich aufgelöst wurde, einen argen Dämpfer. Es lässt sich nachweisen, dass sie unter ihrem damaligen Namen Gertraud Orlich den Wahlkampf des Parteigründers Norbert Burger sehr aktiv unterstützte und auch in einschlägigen Publikationen Texte veröffentlichte, so etwa im NDP-Organ „Klartext – Zeitung für Nationale Politik“. Historiker Meinrad Pichler erinnert sich: „Ich habe Frau Burtscher nur in den 80er-Jahren einmal im Wahlkampf für Norbert Burger erlebt – das war unerfreulich, weil sie damals durchwegs rechtsradikale Positionen vertreten hat.“ Ihr wichtigstes Anliegen dabei sei immer gewesen, dass die Partei sich gegen Abtreibung stark macht: „Lange Zeit war man der Meinung, daß dies keine Rolle spielt, da das Defizit an eigenen Geburten durch Ausländer ausgeglichen werden kann. Zahlenmäßig ist dies schon möglich, nur muß man sich die Konsequenzen vor Augen halten. Die Vorarlberger waren immer sehr stolz auf ihr Alemannentum. Die Nachkommen der Türken und Jugoslawen sind aber keine Alemannen“, schrieb sie 1982, zitiert aus Franz Valandro: „Rechtsextremismus in Vorarlberg nach 1945“. Der Autor kommentiert diese Passage wie folgt: „In dieser Aussage werden eine diffuse Ausländerfeindlichkeit und eine biologisch motivierte Anti-Abtreibungsfeindlichkeit in einen kausalen Zusammenhang gebracht.“ Im Gespräch mit W&W sagt Burtscher: „Ist das falsch? Ich denke auch heute noch so, aber das ist mir nicht mehr wichtig. Mittlerweile sehen das aber viele aktuelle Politiker genau so. Ich war nicht böse auf die Ausländer, sondern wollte nur verhindern, dass sie als Billigarbeitskräfte ins Land geholt werden. Das wurde mir fälschlicherweise als Fremdenhass ausgelegt“, und fügt hinzu: „Nach so vielen Jahren streite ich nichts ab, ich kann mich nicht mehr an Einzelheiten erinnern. Es ist so lange her, aber es kann schon sein, dass ich mal irgendetwas geschrieben habe. In der Zeit, in der ich dabei war, ist nach meinem Wissen aber nichts Verbotenes geschehen. Hätte ich etwas von Antisemitismus oder Wiederbetätigung mitbekommen, wäre ich sofort ausgetreten.“

Rechtsextreme Szene

1982 verließ Burtscher die NDP, blieb jedoch weiter politisch aktiv. Der Journalist und Rechtsextremismus-Experte Wolfgang Purtscheller sagte dazu im Dezember 1994 in einem Interview mit den Vorarlberger Nachrichten über die NDP: „Die Beziehungen zu Restösterreich von Vorarlberg aus sind lange Zeit über Walter Ochsenberger gelaufen. Diese laufen jetzt über eine sehr kinderreiche Frau in Nüziders, die immer schon NDP-Mitglied war.“ Hier hakt Burtscher ein: „Da haben wir schon so eine Lüge – ich war nicht immer schon Mitglied, sondern bin Ende 1982 ausgetreten! Ich war ganz sicher kein Bindeglied für die rechtsextreme Szene!“ Franz Valandro veranlasst die Aussage von Purtscheller in seinem Buch zu folgendem Schluss: „Gertraud Orlich war über lange Zeit eine der Hauptexponentinnen der rechtsextremen Szene in Vorarl­berg.“ Auf W&W-Anfrage betont auch der Historiker Werner Bundschuh: „Gertraud Burtscher hatte eine viel bedeutendere Rolle, als sie heute weismachen will! Frau Burtschers ,Vergesslichkeit‘ ist einfach atemberaubend. Sie war eine Schlüsselfigur im Burger-Wahlkampf 1980, der in Vorarlberg Gegenproteste hervorrief.“

Lobenswerte Initiative

Dass diese Dinge nun thematisiert werden, hat für Gertraud Burtscher nur einen Grund: „Hätte man mir als Person schaden wollen, wären diese Dinge schon lange rausgekommen. Erst jetzt, um der Omarevolte, die denen da oben nicht passt, zu schaden, werden sie ausgegraben. Das Eine hat mit dem Anderen aber überhaupt nichts zu tun!“ Das Anliegen, für Gerechtigkeit für die Vorarlberger Omas zu kämpfen, die aufgrund fehlender Versicherungsjahre mit 900 Euro im Monat auskommen müssen, bleibt obgleich der Vergangenheit Gertraud Burtschers eine lobenswerte Initiative. Infos zum Hungerstreik gibt es oben in der Kopfzeile.

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