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Wiener Burgtheater angeblich "mindestens seit 2008" überschuldet

Schwere Vorwürfe sind in einem Zeitungsinterview erhoben worden.
Schwere Vorwürfe sind in einem Zeitungsinterview erhoben worden. ©APA
Heftige Vorwürfe erheben der entlassene Burgtheater-Direktor Matthias Hartmann und der Theater-Finanzexperte Peter F. Raddatz in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung". Schon lange sei im Haus ein System zur Verschleierung von Schulden praktiziert worden, alle Jahresabschlüsse seit 1999 müssten neu gemacht werden.
"Zukunft gesichert"
"Hartmann voll verantwortlich"

Raddatz, heute Geschäftsführer des Hamburger Schauspielhaus, war 2011 von Hartmann beigezogen worden, um ihm bei der Durchleuchtung eines Systems zu helfen, das er alleine nicht durchblickte. “Ich habe alles daran gesetzt, Transparenz in dieses Unternehmen zu bringen”, versichert Hartmann. Er habe “relativ schnell gemerkt, dass zu dem Zeitpunkt, als Hartmann angefangen hat, das Burgtheater schon komplett überschuldet war”, so Raddatz. Dies sei “mindestens seit 2008” der Fall gewesen.

Turbulenz seit 2008

“In der Spielzeit 2008/09 gab’s schon die erste beginnende Turbulenz unter den Aufsichtsratsmitgliedern, weil das Burgtheater nämlich die kommende Saison mit einem Defizit von 4,4 Millionen Euro im Budget geplant hatte. Und der Aufsichtsrat musste das ja genehmigen. Klar, dass die mit dem Geld nicht hingekommen sind, weil sie zu diesem Zeitpunkt schon Schulden in Höhe von 13 Millionen Euro herumschleppten”, sagt Raddatz. “Das Burgtheater hat etwas Ungeheuerliches getan. Es hat die Bühnenbilder der Theaterstücke, die nicht mehr gespielt wurden, als Werte in der Bilanz stehen lassen und sich damit reicher gerechnet, als es war. So wurde der Schuldenberg in die Zukunft verschoben. Irgendwann musste diese Blase platzen.”

“Unfassbare” Abschreibungspraxis am Burgtheater

Die damals eingeführte Praxis der Abschreibung der Bühnenbilder über fünf Jahre sei “unfassbar. Im Sprechtheater werden Bühnenbilder nicht über Jahre abgeschrieben, sondern direkt zur Premiere als Aufwand gebucht. Aber der Chef wollte eine schwarze Null, also haben Stantejsky und PWC (die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers, Anm.) wohl geschaut, dass sie diese schwarze Null machen. In vorauseilendem Gehorsam gegenüber Herrn Springer, wie ich meine.” In der Frage der Verantwortung des vorzeitig in Pension gegangenen Holding-Chefs Georg Springer sei “das letzte Wort noch nicht gesprochen. Die wollten schnell ein Opfer finden, um die Aufmerksamkeit ganz von sich weg und auf mich zu lenken”, sagt Hartmann.

Kritik an Silvia Stantejsky

Heftige Kritik wird in dem am Montag erschienenen Interview an der entlassenen Ex-Geschäftsführerin des Burgtheaters, Silvia Stantejsky, geäußert: Diese habe “irrsinnige Dinge gemacht”, so Hartmann, “die forensischen Berichte der Wirtschaftsprüfer der KPMG zeigen derartig waghalsige Verschleierungsmanöver, dass man alles und nichts glauben kann”. Auch er habe Teile seiner Honorare von ihr verwalten lassen. “Als sie entlassen wurde, fragte ich sie, ob ich mich wegen der offenen Zahlungen an den neuen Geschäftsführer wenden solle. Da hat sie gesagt: Das Geld habe ich veruntreut.”

Hartmann gesteht Versäumnisse ein

Er gebe zu, dass er “versäumt habe, 2011 meine Steuern korrekt anzugeben”, so Hartmann. Dies sei ” zwar ein Fehler, aber es ist eine Privatangelegenheit, kein Kündigungsgrund”: “Mein Steuerthema ist meine persönliche Schwachstelle, aber das hat doch mit der Krise des Theaters nichts zu tun.” Im Gegenteil, hätte er nicht selbst versucht, die Dinge aufzuklären, wäre er “wahrscheinlich” noch heute Burgtheaterdirektor. Seinen Vorgänger Klaus Bachler treffe seiner Meinung keine Mitschuld. “Warum sollte er denn sehen, was ich nicht sehen konnte? In der Zeit, als er bereits parallel Opernintendant in München war, wurde er ohnehin durch Karin Bergmann vertreten.” Diese habe “öffentlich gesagt, dass sie von den finanziellen Problemen im Vorfeld nichts gewusst habe. Sie vertrat allerdings Bachler bei den Aufsichtsratssitzungen, in denen es um die Schulden vor meinem Dienstantritt ging. Jetzt ist Karin Bergmann wiederum meine Nachfolgerin geworden.”

Bitter äußert sich Hartmann in der “Süddeutschen” über Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ): “Er war bis zuletzt sehr freundschaftlich zu mir und hat mich dann, ohne mich zu den Vorwürfen zu befragen, gefeuert. Nach dem Motto: Links blinken, rechts abbiegen. Viele große österreichische Künstler finden diese Vorgehensweise brutal. Das Ganze ist eine Frage von Fairness und Stil.”

Stellungnahme von Karin Bergmann

Karin Bergmann, interimistische Direktorin des Burgtheaters, hält zu jüngsten Aussagen des entlassenen Burgtheater-Direktors Matthias Hartmann in der “Süddeutschen Zeitung” fest, dass sie Hartmanns Vorgänger Klaus Bachler “zu keinem Zeitpunkt als Geschäftsführer vertreten” habe. Dies sei eine “inhaltlich und juristisch wichtige Richtigstellung”, heißt es in einer Aussendung des Burgtheaters.

“Ich hatte zu keinem Zeitpunkt Prokura, sondern war als Stellvertreterin der künstlerischen Direktion konkret damit betraut, die operative Abwicklung der geplanten Spielzeit 2008/09 durchzuführen”, so Bergmann am Montag. Sie habe in einer Aufsichtsratssitzung im Juni 2008, als es um ein prognostiziertes Minus von 4,41 Mio. Euro im Jahresbudget 2008/09 gegangen ist, “den ausnahmsweise entschuldigten künstlerischen Geschäftsführer Klaus Bachler vertreten”. In dieser Sitzung habe jedoch Hartmann, “der seit 13. Juni 2006 designiert war, die Prokura für die Geschäfte des Burgtheaters erhalten. Daher hat auch Matthias Hartmann die Bilanz am Ende der Spielzeit 2008/09 anstelle von Klaus Bachler unterzeichnet.” (APA)

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