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Wie Extremsportler ticken

Kletterer in Aktion
Kletterer in Aktion ©TVB Mayrhofen
Klettern mit einem Minimum an Sicherungen, Fallschirmspringen aus der geringsten Höhen, Tauchen in den dunkelsten Tiefen: Was treibt einen Extremsportler zu immer neuen Höchstleistungen? Im Gespräch mit vier Vorarlberger Athleten gehen wir dieser Frage nach.
Kammerlander im Interview
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Stratosprojekt von Baumgartner

Sportkletterer Beat Kammerlander hat schon mehrfach für Schlagzeilen gesorgt. 1991 gelang ihm im Rätikon die erste alpine Felsroute in der höchsten Schwierigkeitsstufe. 2009 bezwang er die Bürser Platte nur mit Sicherungsmitteln, die er am Körper mit sich führte – also „clean“. Gerade bereitet er sich auf eine Reise nach Utah in den USA vor, wo er Sandsteintürme in den Canyonlands erklimmen will.

„Grenzen verschieben“

Was motiviert Kammerlander, sich immer neue Herausforderungen zu suchen? Die Leidenschaft für das Klettern sei ein Faktor. Außerdem wolle man „natürlich die Grenzen verschieben“, wenn man in einem Sport eine gewisse Perfektion erreicht habe. Zwar spielt auch die Gefahr eine gewisse Rolle, denn: „Es geht um Abenteuer, und ohne Gefahr gibt es kein Abenteuer.“ Was aber keineswegs so zu verstehen sei, dass man sich bewusst immer riskantere Projekte aussuche. Das ergebe sich zumeist ganz natürlich. Nachdem Kammerlander die Bürser Platte 1997 noch mit entsprechenden Sicherungen hinaufgeklettert war, habe er sich gedacht: „Wäre dich ein Wahnsinn, wenn das ohne Bohrhaken gehen würde.“ 2009 folgte die Umsetzung nach akribischer Vorbereitung.

Ob er sich auch Gedanken über den Tod macht? Kammerlander bejaht. Das Risiko, beim Klettern zu verunglücken, müsse man akzeptieren. Er versuche, „das Ganze anzunehmen und zu respektieren, dass das irgendwann einmal so ist.“

Der Kick des Illegalen

Nicht weniger „extrem“ ist das sogenannte Base-Jumping. Dabei stürzen sich Waghalsige mit einem Fallschirm von Felsen, Gebäuden oder Brücken. Je näher man dem Boden schon beim Absprung ist, desto gefährlicher ist es. In Österreich ist die Sportart überhaupt verboten. Gerade das motiviere aber viele, es dennoch zu probieren, erzählt ein ehemaliger Base-Jumper. Namentlich genannt werden möchte er nicht. 2005 und 2006 hat er mehrere Sprünge mitgemacht, zumeist im Lauterbrunnental in der benachbarten Schweiz. Dort ermöglicht eine rechtliche Grauzone das Base-Jumping von bestimmten Felsen, nicht aber von Gebäuden. 

Ihm sei es damals einfach um den Kick gegangen, erzählt der Mann. Irgendwann habe er es aber bleiben lassen, „weil’s einfach gefährlich ist.“ Irritiert hat ihn auch, wie extrem die Szene mit der Zeit geworden ist. Absprünge aus gerade einmal 50, 100 oder 300 Metern seien irgendwann Normalität gewesen. Bereut hat er nie, mit dem Springen aufgehört zu haben. Was auch daran liegen mag, dass er mittlerweile Vater von drei Kindern ist.

„Das ist das Leben“

Chris Alge hat sich nie im Base-Jumping versucht. Mit gefährlichen Situationen kennt sich der ehemalige Berufssoldat und Geschäftsführer von High 5 aber dennoch aus. Über 600, teils sehr extreme Tauchgänge hat er schon hinter sich. Bis in die dunkelsten Tiefen ist er dabei vorgedrungen. Aber auch im Canyoning, Rafting, Klettern und Fallschirmspringen übt sich der Tausendsassa regelmäßig.

Was ihn antreibt? „Das ist das Leben“, meint Alge trocken. Er kann sich schlicht nicht vorstellen, seine Tage auf der Couch vor dem Fernseher zu fristen. Lieber macht er sich deswegen auf die Suche nach dem nächsten Adrenalinkick und sammelt dabei unbezahlbare Erinnerungen. Auch hat er sich nicht von heute auf morgen entschieden, Extremsportler zu werden. Das passiere automatisch, wenn man reise und bestimmte Erfahrungen mache, so Alge. Dann wolle man eben irgendwann einen Schritt weiter gehen. Am Anfang habe er schon Angst gehabt. Die sei dann allmählich einem Respekt vor der Herausforderung gewichen. Wichtig sei vor allem die richtige Vorbereitung, um Gefahren richtig abschätzen zu können.

„Das Leben ist gefährlich genug“

Sportkletterer Jürgen Reis hat seine „extreme“ Phase längst hinter sich. Im sogenannten Free Solo-Klettern, also dem Klettern ohne jegliche Sicherungen, hat er sich nur ganz zu Beginn seiner Karriere versucht. Und hat gleich gemerkt, dass das nichts für ihn ist. Heute ist er fast nur noch an der Kletterwand zugange. Das allerdings höchst erfolgreich: Bereits mehrere Topplatzierungen im Weltcup und auch bei österreichischen Meisterschaften kann er vorweisen.

Reis geht es vor allem darum, seine physischen und psychischen Grenzen auszuloten, aber auch um einen „respektvollen Umgang mit der Herausforderung.“ Mit Extremkletterern à la Beat Kammerlander habe sein Sport allerdings nur mehr wenig gemein. Was Reis aber nicht stört. Ganz im Gegenteil: „Das Leben ist gefährlich genug, man muss die Gefahr nicht suchen.“ Und das wolle er auch der Jugend vermitteln.

Kammerlander im Interview mit VOL.AT

Beat Kammerlander in “Prinzip Hoffnung”

Kammerlander beim Eisklettern

Jürgen Reis am Pegboard

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