Der Text “Aus dem Gras” von Andrea Winkler ist eine hochartifiziell verrätselte Erzählung, die viele Interpretationen zulässt. Es ist ein enorm lyrischer Text über eine Frau, die anscheinend nach einem Unfall behindert ist. Es geht um Verlust, Verrat und Angst, aber auch um Körperlichkeit und Sehnsucht. Einigen Juroren war der Text viel zu selbstbezogen, wie etwa Juryvorsitzendem Burkhard Spinnen. Karin Fleischanderl wieder meinte, Winkler dampfe die Literatur auf ihr Wesentliches ein, der Text habe eine große Musikalität.
Die zweite österreichische Teilnehmerin am Samstag, Caterina Satanik, wurde mit ihrem Text “leben ist anders” über eine verlassene Frau sehr positiv beurteilt. Zuvor war Gregor Sanders “Winterfisch” eher freundlich bewertet worden, Katharina Borns Text wurde ambivalent aufgenommen.
Nach drei Tagen des Wettlesens im ORF-Theater in Klagenfurt ist der Mediziner und Autor Jens Petersen in der Favoritenrolle für den am Sonntag zur Vergabe gelangenden Ingeborg-Bachmann-Preis. Sein dramatischer Text um einen Mann, der seine kranke Frau nach jahrelanger Pflege erschießt, war noch am Freitag eher sehr kontrovers diskutiert worden. Leidenschaftliche Zustimmung war ebenso zu vernehmen wie krasse Ablehnung. Am Samstag überraschte dann Juror Paul Jandl: Er nahm seine Tags zuvor geäußerte Kritik, es handle sich beim Text möglicherweise um Kitsch, ausdrücklich zurück.
Jedenfalls preisverdächtig sind neben Petersen und Winkler auch Ralf Bönt mit seiner Studie über die Physiker Faraday und Hertz aus der Sicht eines Elementarteilchens und Christiane Neudecker, deren Protagonist sich in seinen eigenen Schatten verwandelt. Chancen haben auch Gregor Sander und vielleicht noch Karsten Krampitz. Wie die Aktien für Philipp Weiss, der nach der Lesung seinen Text verspeiste und für Caterina Satanik, die als letzte Autorin am Samstag von den Kritikern sehr viel Lob erntete, stehen, ist schwer einzuschätzen.
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