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Wenn man insolvent ist ohne Schulden zu haben

Über Peter Hübel wurde das Insolvenzverfahren eröffnet - obwohl er schuldenfrei ist.
Über Peter Hübel wurde das Insolvenzverfahren eröffnet - obwohl er schuldenfrei ist. ©VOL.AT/Rauch
Tschagguns - Plötzlich ohne Geld, Telefon oder Postzugang: So ist es, wenn über einem ein Insolvenzverfahren eröffnet wird. So auch bei Peter Hübel. Das Finanzamt Feldkirch beantragte das Verfahren - dabei hatte Hübel nicht nur keine Schulden, sondern sogar Guthaben beim Finanzamt.

Im Jänner begann alles mit einem Anruf des Finanzamtes. Damals hört Peter Hübel zum ersten Mal von seinen angeblichen Steuerschulden. Der Finanzbeamte gibt ihm eine Mailadresse an, an die Hübel wie gewünscht eine Mail sendet. Daraufhin wird es still. Der Informatiker denkt sich nichts dabei,vermutet dass es um die ihm seit 2012 nicht mehr ausbezahlte Familienbeihilfe geht.

Insolvenzverfahren beginnt an Ostern

Tatsächlich stimmt die Emailadresse nicht, seine Mail geht ins Leere. Inzwischen beantragt das Finanzamt Feldkirch das Insolvenzverfahren gegen den Tschaggunser. Die Behörde geht davon aus, dass der Informatiker ihnen über 14.600 Euro an Einkommenssteuern schulde. Diese habe er seit 2010 nicht bezahlt. Für Hübel unverständlich. Er war bis 2012 als Informatiker selbstständig – das Finanzamt führt jedoch ihn jedoch unter Messe- und Werbewesen. Das Verfahren wird mit dem 17.4. eingeleitet – Gründonnerstag. Die Ladung zum Verfahren will Hübel nicht erhalten haben. Er selbst war während den Osterferien mit seiner Lebensgefährtin in Dänemark, wo er Familie hat und selbst eine zweite Heimat.

Rekursantrag versandet

Die Kommunikationsschwierigkeiten halten an. Auch die zweite Ladung am 30.5. will Hübel nicht erhalten haben. Als das Verfahren mit 17. Juni eröffnet wird, erkennt er erst den Ernst der Lage. Sofort wendet er sich an das Landesgericht Feldkirch, nur um zu erfahren, dass der Richter auf Urlaub ist. Hübel reicht daraufhin sofort einen Rekurs ein – der jedoch unterwegs liegen bleibt.

Post- und Kontosperre

Die nächsten Wochen greift das Insolvenzverfahren voll durch. Gegen Hübel wird eine Postsperre verhängt, auch die Post seiner Lebensgefährtin landet teilweise beim Masseverwalter. Internet- und Telefonanschluss wird ebenfalls gekündigt. Die Bankkonten werden gesperrt, Hübel kann nicht einmal die Unterhaltszahlungen für seinen 11-jährigen Sohn mehr leisten. Der 48-Jährige ist quasi entmündigt.

Beamtendeutsch als Herausforderung

Hübel lebte einen Großteil seines Lebens in Dänemark, dem Beamtendeutsch kann er nur schwer folgen. Er wendet sich an einen Steuerberater, der eine Aufstellung der finanziellen Situation Hübels anfertigt. Diese belegt, dass Hübel schuldenfrei ist – entgegen den Schätzungen des Finanzamtes und der Sozialversicherung.

Umschwung des Finanzamtes

Der Steuerberater erreicht ebenfalls, dass die seit Jahren fällige Familienbeihilfe ausbezahlt wurde – immerhin über 5.000 Euro. Obwohl diese laut einem Bescheid des OGH nicht pfändbar ist, überweist die Bank die Familienbeihilfe an das vom Masseverwalter kontrollierte Insolvenzkonto. Plötzlich der Umschwung vom Finanzamt: Peter Hübel hat nicht nur keine Schulden beim Finanzamt, stattdessen schuldet ihm das Finanzamt über 2.000 Euro.

Gericht stellt Verfahren mangels Schulden ein

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Mit 22. Juli entscheidet das Landesgericht daher, was Hübel von Anfang an wusste: Da es gegenüber Peter Hübel weder Forderungen noch Gläubiger gibt, wird das Verfahren aufgehoben. Nach zwei Monaten wird der Masseverwalter seiner Aufgaben enthoben, das Finanzamt zahlt Hübels Guthaben aus. Erst nach der Entscheidung wird der Rekursantrag Hübels vorgelegt – nachdem er hinfällig geworden ist.

Finanzamt verweist auf Amtsgeheimnis

Wie das Finanzamt zu der Fehlannahme gekommen ist, bleibt im Dunkeln. Beim Finanzministerium verweist man auf das Amts- und Steuergeheimnis. Auch vom Landesgericht gibt es zu abgeschlossenen Verfahren keine Stellungnahmen. Für Hübel selbst, der zwei Monate lang als insolvent galt, ist es damit noch nicht zu Ende. Selbst einen Monat später landet immer noch Post beim Masseverwalter statt bei ihm. Darunter auch Post, auf der in Großbuchstaben “Trotz Postsperre zustellen” zu lesen ist. Auch ein Jobangebot in Dänemark musste er aufgrund des Verfahrens ablehnen.

Nachwirkungen bis heute

Der Tschaggunser selbst kann immer noch nicht glauben, wie leicht er in die Mühlen der Justiz landete. “Jährlich soll es 600 Insolvenzverfahren in Vorarlberg geben. Ich frage mich, ob ich der Einzige bin, dem es so geht”, wundert sich Hübel. Beim Finanzministerium selbst hat man keine Zahlen, wie oft das Finanzamt von sich aus Insolvenzverfahren eröffnet. Nun bleibt Hübel nur noch, die Post weiterhin auf das Ende des Insolvenzverfahrens hinzuweisen – und zu überlegen, ob er das Finanzamt nach dem Amtshaftungsgesetz auf finanzielle Entschädigung klagt.

 

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