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Wem dient der Ex-Goldman-Sachs-Banker und EZB-Chef Mario Draghi wirklich?

Ex-Goldman-Sachs-Banker Draghi im Zentrum der Kritik.
Ex-Goldman-Sachs-Banker Draghi im Zentrum der Kritik. ©AP
Brüssel - Die Kritik am EZB-Anleihekaufprogramm will nicht verstummen. Wirtschaftsexperte Hans-Werner Sinn preschte bereits mit der Vermutung vor, hinter dem Draghi-Plan könnte vor allem das Interesse stehen, Banken zu entlasten. Im Zentrum der Vorwürfe steht dabei EZB-Präsident Mario Draghi - ein Mann mit besten Kontakten zu Investment-Banken.
Provoziert Draghi Währungskrieg?
"Musterschüler" Draghi

Am Höhepunkt der Finanz- und Wirtschaftskrise rückte Mario Draghi an die Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB). Im Gepäck hatte der Italiener das Versprechen, als oberster Währungshüter Europas – in der Tradition der Bundesbank – stabile Preise zu garantieren. Die “Bild”-Zeitung verpasste “Super-Mario” gar zum Start eine Pickelhaube: Der Helm sollte den ehemaligen Chef der italienischen Notenbank an preußische Tugenden erinnern.

“Der Euro ist unumstößlich”

In den Augen der Skeptiker spielt Draghi allerdings durch seine umfassenden Maßnahmen im Kampf für den Euro mit der Unabhängigkeit der Notenbank – und riskiert eine hohe Inflation. Commerzbank-Ökonom Christoph Balz monierte: “Die EZB wird immer mehr in die Staatsfinanzierung hineingezogen.” An oberster Stelle steht dabei zumindest vordergründig Draghis Vorstellung, den Euro zu erhalten – koste es, was es wolle. “Der Euro ist unumstößlich”, so Draghi.

Experten kritisieren Vorgehen als “illegal”

Insbesondere der Umgang mit den südeuropäischen Ländern wird Draghi zur Last gelegt. Faulen Krediten werde gutes Geld nachgeworfen, wie es im “Handelsblatt” heißt. Gegen diese Anleihekäufe regt sich Widerstand, vor allem aus Deutschland. “Illegal” sei das Vorgehen, wird man dort von Seiten Wirtschaftsverantwortlicher und Experten nicht müde zu betonen. Rücktritte aus Protest waren bereits die Folge.

Draghi gibt sich unbeeindruckt: Schon zu Beginn gehörte er, in seiner damaligen Funktion als italienischer Notenbankpräsident, zu einem der energischsten Fürsprecher der rechtlich äußerst fragwürdigen Käufe. Denn durch die strengen Maastricht-Kriterien sah er die Interessen der Londoner und New-Yorker Investmentbanken gefährdet, wie das “Handelsblatt” berichtet.

Goldman Sachs als Karrieresprungbrett

Ein Widerspruch zu Draghis Tätigkeit? Mitnichten. Denn Draghi wurde bei “Goldman Sachs” groß, einer US-Investmentbank – deren Ex-Manager nicht zu selten in Schlüsselpositionen von Wirtschaft und Politik wechseln. Robert Rubin, lange einer der Top-Entscheider der Firma, war Berater von Bill Clinton und Barack Obama. Der Einfluss in Washington hat der Bank den Spitznamen “Government Sachs” eingebracht. Auch in der Finanzwelt ist Goldman allgegenwärtig. Bei der Deutschen Bank leitet Paul Achleitner, ein ehemaliger Deutschland-Geschäftsführer des US-Rivalen, den Aufsichtsrat. Auch der Finanzchef Marcus Schenck kommt von Goldman Sachs. Dies sind aber nur ein paar Beispiele, die Liste einflussreicher Ex-Goldman-Sachs-Mitarbeiter ist lange. Welche Interessen sie in den neuen Positionen vertreten, sei zumindest nicht immer ganz klar, bemängeln Kritiker.

Draghi-Sohn ist Zinshändler

Zurück zu Draghi: Er selbst kam in den 90-er Jahren zu Goldman-Sachs. Zuvor verscherbelte er italienische Unternehmen vielfach zu Ramschpreisen an Investoren und Banken. Doch Mario ist nicht der einzige Draghi, der in der Branche Karriere machte. Sein Sohn Giacomo arbeitet als Zinshändler für Morgan Stanley. Pikant: Seit Mario Draghi EZB-Ratsmitglied und anschließend Präsident wurde, liefert Morgan Stanley laut “Handelsblatt” treffsichere Analysen über die Zinspolitik der EZB. Damit verdiente die Bank bereits Milliarden mit Euro-Derivaten.

Mitglied bei der “Group of Thirty”

Doch nicht nur das hat einen schalen Beigeschmack: Mario Draghi ist weiterhin Mitglied etlicher internationaler Interessensvereinigungen, so etwa der “Group of Thirty”. Dabei handelt es sich um ein Gremium von Privatbankern, das laut “focus.de” fast die Züge einer Loge trägt. In der illustren Runde befindet sich etwa auch der Boss der Bank of England.

Mit der Sache wurde sogar ein Ombudsmann der EU beschäftigt. Denn natürlich ist es von vordringlichem Interesse, was dieser elitäre Kreis hinter verschlossenen Türen bespricht – oder gar beschließt. Die Vorgaben der EU – “Unparteilichkeit, Unabhängigkeit und Objektivität” – könnten mit der Mitgliedschaft Draghis bei der “Group of Thirty” in Konflikt stehen, so die damalige Sorge.

Gründung auf Initiative der Rockefeller-Stiftung

Gegründet wurde die “Group of Thirty“, kurz “G30”, von Geoffrey Bell, einem US-Banker und Ökonomen, und zwar auf Initiative der Rockefeller-Stiftung. Bell gilt als äußerst wichtiger und mächtiger Berater von Privat- und Zentralbanken. Der erste Vorsitzende war Johan Witteveen, der ehemalige Präsident des Internationalen Währungsfonds. Die derzeitige Mitgliederliste liest sich wie das “Who is who” des Bankensektors: Unter ihnen sind US-Ökonom Paul Krugman, Jacob A. Frenkel von JP Morgan, der ehemalige Präsident der europäischen Zentralbank Jean Claude Trichet oder der Ex-US-Finanzminister Timothy F. Geithner.

Weitreichende Beschlüsse hinter verschlossenen Türen?

Offiziell trifft sich die Gruppe zweimal im Jahr – um “ein tieferes Verständnis internationaler Wirtschaft und Finanzen” zu bekommen und “die Auswirkungen von Entscheidungen im öffentlichen und privaten Sektor” nachvollziehen zu können. Kritiker bemängeln, dass sie die Arbeit der “G30” mit den Bilderberg-Konferenzen vergleichen ließe, welche fernab jedweder Öffentlichkeit stattfinden – und möglicherweise Beschlüsse mit weitreichenden Konsequenzen fasse. Es sei daher nur natürlich, dass diese Treffen Verschwörungstheoretikern reichlich Nahrung liefern würden.

Draghi begibt sich auf dünnes Eis

Zumindest aber scheinen die Vorwürfe gegen Draghi, aus mehreren Gründen in einem tiefen Interessenskonflikt zu stehen, nachvollziehbar. Der vorläufige Höhepunkt war erreicht, als bereits im Vorfeld des unlängst beschlossenen Anleihekaufprogrammes Stimmen laut wurden, dieses diene vor allem dazu, Banken eine Bereinigung ihrer Bilanzen zu ermöglichen. Rein rechtlich jedenfalls begibt sich Draghi auf äußerst dünnes Eis.
(APA, VOL.AT/d.pichler)

Factbox: Goldman Sachs – Die diskrete Supermacht von der Wall Street

Ein Wolkenkratzer in Lower Manhattan. Über zweihundert Meter Glas und Stahl ragen in Premiumlage zwischen Hudson-Marina und Ground-Zero-Gedenkstätte in den Himmel. Doch Firmenschilder sucht man vergeblich. Bei Goldman Sachs beginnt die Diskretion beim Hauptquartier.

Der Unternehmenssitz ist zugleich ein Symbol für die Umstrittenheit der Investmentbank: Milliardengewinne sind die Regel, aber der Bau wurde mit reichlich Steuergeld subventioniert. In die Schlagzeilen kommt Goldman Sachs immer wieder, wenn einstige Manager führende Positionen in Politik oder Wirtschaft übernehmen.

Die Bank hat gute Gründe, ihr Logo nicht öffentlich zur Schau zu stellen. Goldman hat ein Dauer-Imageproblem und versucht, Angriffsfläche zu vermeiden. Spätestens seitdem das US-Magazin “Rolling Stone” die Firma 2009 wegen angeblicher Verwicklungen in diverse Finanzskandale als “Vampirkrake” porträtierte, die sich “um das Gesicht der Menschheit schlingt und gnadenlos alles aufsaugt, was nach Geld riecht”, ist der Ruf angekratzt. Um kaum ein Unternehmen ranken sich so viele Verschwörungstheorien. Erst kürzlich wurde die Investmentbank wegen dubioser Hypothekengeschäfte in der Finanzkrise von der zuständigen US-Aufsichtsbehörde mit einer Milliardenbuße bestraft. In einer Affäre um verdeckte Wahlkampfhilfe zahlte die Bank Millionen, um den Fall aus der Welt zu schaffen.

Sogar Analysten und Händler halten Goldman für die wahre Machtzentrale der internationalen Finanzwelt – und nicht etwa die US-Notenbank Fed. Tonbandmitschnitte der Whistleblowerin Carmen Segarra stützen diesen Verdacht. Kürzlich auf der investigativen Rechercheplattform ProPublica veröffentlichte Gespräche zwischen Fed- und Goldman-Vertretern zeigen Kontrolleure, die die Bank mit Samthandschuhen anfassen.

Die Schilderungen Segarras, die Goldman 2011 im Auftrag der US-Notenbank überprüfte, lassen auf eine große Nähe zwischen einzelnen Aufsehern und der Bank schließen. Personelle Verflechtungen legen das ebenfalls nahe. So war der Präsident der New Yorker Fed, William Dudley, zuvor Chefökonom bei Goldman. Die Bank stellt Segarras Enthüllungen als Rachefeldzug dar – sie habe sich zuvor vergeblich um Jobs beworben.

Bereits bei der Finanzkrise 2008 hatte sich der Verdacht aufgedrängt, dass Goldman von engen Verbindungen zu Notenbank und Politik profitierte. Der damalige US-Finanzminister und frühere Goldman-Chef Henry “Hank” Paulson schnürte ein damals 700 Mrd. Dollar (558,9 Mrd. Euro) schweres Rettungspaket für die Wall Street, mit dem mehrere Banken und Versicherungen gestützt wurden.

Ehemalige Goldman-Manager finden sich häufig in Schlüsselpositionen von Wirtschaft und Politik. Robert Rubin, lange einer der Top-Entscheider der Firma, war Berater von Bill Clinton und Barack Obama. Der Einfluss in Washington hat der Bank den Spitznamen “Government Sachs” eingebracht. Auch in der Finanzwelt ist Goldman allgegenwärtig. Bei der Deutschen Bank leitet Paul Achleitner, ein ehemaliger Deutschland-Geschäftsführer des US-Rivalen, den Aufsichtsrat. Auch der als neuer Finanzchef designierte Marcus Schenck kommt von Goldman. Und mit dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, wird die neben der Fed wichtigste Notenbank der Welt von einem früheren Goldman-Sachs-Mann gelenkt.

Mit der Wall-Street-Firma hat sich wohl niemand so intensiv befasst wie William Cohan, ehemals Investmentbanker, heute Journalist und Buchautor. Im Bestseller “Geld und Macht: Wie Goldman kam, um die Weltherrschaft zu erlangen” beschreibt Cohan auf fast 700 Seiten akribisch, wie der Einfluss so groß wurde. Dabei zeichnet er das Bild einer verschworenen Elite, die die Firmen-Philosophie dermaßen eingeimpft habe, dass sie der Bank ein Leben lang loyal diene.

(APA/Red.)

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