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Weitreichende Kritik nach Kurz-Forderung zur Schließung von Islam-Kindergärten

Integrationsminister Kurz erntet Kritik von allen Seiten nach einem Vorstoß
Integrationsminister Kurz erntet Kritik von allen Seiten nach einem Vorstoß ©AFP
Nach dem Vorstoß von Integrationsminister und ÖVP-Obmann Sebastian Kurz, mittels Verschärfung der Qualitätskriterien islamische Kindergärten zu schließen, macht sich nun Kritik an dem Vorhaben breit.
Kurz will Islam-Kindergärten schließen
Strache: “Ankündigungsweltmeister”

Auch Religionspädagoge Ednan Aslan, welcher bereits von einem Jahr die Fehlentwicklungen dahingehend aufzeigt, hält eine generelle Schließung nicht für eine Lösung.

Kritik von Kurz-Vorschlag zur Schließung von Islam-Kindergärten

Er als Integrationsminister sei dagegen, dass es “Parallelgesellschaften” gibt, bekräftigte Kurz am Donnerstag vor dem EVP-Gipfel in Brüssel seinen am Vorabend bei einer “Kurier”-Diskussion geäußerten Wunsch nach Schließung islamischer Kindergärten, die es de facto nur in Wien gibt. In diesen würden Kinder religiös und sprachlich “abgeschottet” aufwachsen – und deshalb will Kurz kein Steuergeld mehr dafür ausgeben. Damit stieß er nicht nur bei der SPÖ, den Grünen, NEOS und Aslan auf Kritik, sondern auch bei der Islamische Glaubensgemeinschaft (IGGÖ). Der Integrationsminister schüre “ein bisschen die Islamfeindlichkeit an”, sagte deren Sprecherin Sevgi Kircil. Eine Schließung der Kindergärten wäre “nicht sinnvoll”, würden muslimische Kinder doch in nicht-konfessionellen Einrichtungen benachteiligt, und nicht in allen Kindergärten sei Halal-Essen gewährleistet.

Aslan arbeitet mit anderen Experten im Auftrag von Kurz und der Stadt Wien an einer großen Studie über islamische Bildungseinrichtungen, die im Herbst präsentiert werden soll. Er hält “nichts” von einer pauschalen Schließung aller islamischen Kindergärten. “Das ist keine Lösung” und “solche Äußerungen helfen uns wenig”, sagte der Religionspädagoge laut “Presse” zu Kurz’ Forderung. Es gebe einen legitimen Bedarf an Kindergärten mit islamischer Ausrichtung. 15.000 Eltern wollten eine religiöse Erziehung für ihre Kinder. Richtig sei aber, dass man Qualitätsstandards für alle Kindergärten bräuchte.

Religionspädagoge Ednan Aslan zur Kurz-Forderung

Staunen im Wiener Rathaus

Im Wiener Rathaus sorgte Kurz für Staunen. Stadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) forderte den Minister auf, konkrete Anhaltspunkte zu nennen – was dieser aber schon bisher nie getan habe. “Ich bin der Meinung, Politik soll Probleme lösen und nicht erfinden”, befand der Stadtrat. Falls es auch nur einen Fall gebe, wo der Verdacht bestehe, dass es Verstöße gebe, werde man prüfen. SPÖ-Staatssekretärin Munar Duzdar verwies darauf, dass schon viel passiere, um die Qualität auch der islamischen Kindergärten zu heben. Es gebe laufend Kontrollen, die auch zu Schließungen führten. Dies werde auch in Zukunft der Fall sein, “wenn es Probleme gibt”. Kurz betreibe also “reine Schlagzeilenpolitik”.

“Nur billiges Wahlkampfgetöse” attestierte auch der Grüne Bildungssprecher Harald Walser dem Integrationsminister. Missstände gebe es, die sollte man auch dringend angehen, aber “Verallgemeinerungen und ein generelles Verbot lösen die Ursachen nicht, sondern vergiften nur das gesellschaftliche Klima”.

Strache: Langjährige FPÖ-Forderung aufgegriffen

Kein inhaltlicher Widerspruch, aber doch Kritik kam von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache: Kurz habe einmal mehr nur eine langjährige FPÖ-Forderung aufgegriffen. Mit einer Umsetzung sei aber nicht zu rechnen, denn Kurz sei nur “Ankündigungsweltmeister”. Von Kurz plagiiert fühlten sich auch die NEOS: Die Forderung nach strengeren einheitlichen Qualitätskriterien habe Kurz aus ihrem Konzept für Chancenkindergärten abgeschrieben, in dem auch die Kontrolle aller WienerKindergärten verlangt wird. Darauf müsste man setzen und nicht auf “plumpen Populismus”, merkte die Wiener NEOS-Klubchefin Beate Meinl-Reisinger an.

Islamische Kindergärten nur in Wien

Islamische Kindergärten gibt es nur in Wien, in den anderen Bundesländern wird keine eigene Betreuung für muslimische Kinder angeboten, ergab ein APA-Rundruf. Die zuständige steirische SPÖ-Landesrätin will eine solche auch nicht im Lande haben und Oberösterreich hat vorbeugend die Genehmigungsvorschriften verschärft, um islamische Kindergärten zu verhindern. Kritisch zur Forderung von ÖVP-Chef Sebastian Kurz, alle Islam-Kindergärten zu schließen, äußerte sich die für Integration zuständige Tiroler Landesrätin Christine Baur (Grüne). Kurz’ Vorstoß sei der “falsche Weg” – und eine “Vorverurteilung”, dass solche Kindergärten nicht existieren dürften, sei “nicht in Ordnung”. Baur ist die Gleichstellung der Religionsgemeinschaften wichtig. Tirol gehe etwa mit der Ausbildung islamischer Religionspädagogik einen anderen Weg. Die Grüne Landesrätin sprach sich allerdings für eine “öffentliche Nachschau” in solchen Kindergärten aus – um einer “Abwendung” von unserer Gesellschaft entgegenzuwirken.

Steiermark: Ablehnung seitens Landesrätin Lackner

In der Steiermark gibt es keinen islamischen Kindergarten und “mit solchen Fehlentwicklungen, über die gerade diskutiert wird, lehne ich islamische Kindergärten ab”, sagte Landesrätin Ursula Lackner (SPÖ) am Donnerstag zur APA. Denn diese “verfolgen nicht die pädagogischen Leitlinien, die wir in der Steiermark haben, deren Einhaltung von allen Trägern gefordert und von der Behörde kontrolliert wird”. Dazu gehörten unter anderem Gleichbehandlung der Geschlechter sowie Chancengerechtigkeit und Chancengleichheit für alle Kinder.

Oberösterreich hat vor einem Jahr – damals wurde über Probleme in Wien diskutiert – die Genehmigungsvorschriften verschärft, “um abgeschottete Kinderbetreuungseinrichtungen in OÖ zu verhindern”, sagte Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) auf APA-Anfrage. Der Betrieb eines Kindergartens sei nur noch dann zulässig, wenn etwa die allgemein anerkannten Grundsätze der Bildung oder die sprachlichen Fähigkeiten der Kinder gefördert werden. “In Zeiten wie diesen ist für mich klar, dass islamische Kindergärten nicht die richtige Antwort auf die Frage der Integration sein können”, argumentierte Stelzer.

Meinungs- und Religionsfreiheit in Salzburg

Grundsätzlich sehe der bildungspolitische Rahmenplan in Österreich einen hohen Qualitätsstandard vor, an dem man sich in Salzburg halte, sagte Landesrätin Martina Berthold (Grüne). Darin seien auch die Meinungs- und Religionsfreiheit sowie ein demokratisches Verständnis beinhaltet. Sollte sich eine Einrichtung nicht an diese Standards halten, werde sie nicht genehmigt bzw. im Zuge von Kontrollen auch entsprechend beanstandet. Der Rahmenplan habe zurzeit keinen gesetzlichen Charakter, Salzburg wird die Inhalte laut Berthold aber in seinem neuen Kinderbetreuungsgesetz verankern und damit die Standards gesetzlich absichern.

Auch in Vorarlberg ist die Frage der islamischen Kindergärten kein Thema. “Es gibt hier keine islamischen Kindergärten, und es ist auch keiner vorgesehen”, sagte Landesrätin Bernadette Mennel (ÖVP) auf APA-Nachfrage. Vorarlberg setze auf eine integrative Betreuung der Mädchen und Buben im Kindergartenalter. Ein wichtiger Schwerpunkt sei die Sprachförderung mit dem Ziel, “dass die Kinder beim Schuleintritt so gut Deutsch können, dass sie dem Unterricht problemlos folgen können”.

NÖ: Gemeinden als Kindergartenerhalter

In Niederösterreich treten, im Gegensatz zu Wien, als Kindergartenerhalter nahezu ausschließlich die Gemeinden auf, teilte Landesrätin Barbara Schwarz (ÖVP) mit. Mehr als 1.050 Landeskindergärten werden in einer Kooperation zwischen Gemeinden und Land betrieben, wobei das Land in all diesen Einrichtungen die Kindergarten- und Sonderkindergartenpädagogen sowie interkulturelle Mitarbeiter zur Verfügung stellt. “Damit garantieren wir eine einheitliche Pädagogik, welche nach den Prinzipien der Offenheit und der Toleranz ausgerichtet ist”, erklärte Schwarz. Auch die rund 30 Privatkindergärten im Bundesland “unterliegen dem engmaschigen Netz der Fachaufsicht durch die NÖ Landesregierung, wobei die pädagogische Arbeit in allen Kindergärten durch laufende, unangekündigte Besuche der Kindergarteninspektorinnen beurteilt wird”.

(APA/Red.)

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