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Walgauer Salamander

Im grauen Monat Dezember wars, die Tage wurden trüber, der Wind riss von den Bäumen das Laub, da reist ich in die andere Welt hinüber (HH). Die tagtägliche Nachrichtenwelt verursachte so schwere Störungen, dass ich mich entschloss, eine kleine zylindrische Kunststoffpille (1 cm lang, 5 mm dick) zu schlucken. Die Pille enthielt einen kompletten Sender und zahlreiche Botenstoffe, die auf mein Wohlbefinden wirkten und Phantasie in Gang setzten. Am Handy konnte ich feststellen, wie sich alles veränderte. Ping. Zuerst lösten sich unter angenehmen Kribbeln die Gliedmaßen auf, dann folgte der ganze Körper. Es blieb nur der Kopf, dem ich jede gewünschte Form geben konnte. Ich war im Transparentium, dem postfaktischen digitalen Zeitalter angekommen. Rund um mich verdampften die Kollegen. Wenig später wurde ich vom gelben Strom erfasst. Der Sender der Pille lieferte gestochene Bilder. Ich traf auf die perlende Wand und strömte über in leuchtende Bewusstheit. Rundum schwammen Schleimis aus den Körpern der Weggestorbenen. Kurz zuvor (war es gestern oder in 200 Jahren?) hatten die Verwesenden noch Glyphosat genuckelt. Jetzt waren Millionen Bakterien und Pilze an der Arbeit. Biologische Riesenenzyme beschleunigten die gewaltige chemische Reaktion, die diese verwesenden Organismen abgaben, zersetzten komplexe organische Verbindungen in kleinere Einheiten, die dann unter Energiegewinn vollständig oxidiert wurden. Die organischen Verbindungen wurden hauptsächlich zu Wasser, Kohlenstoffdioxid, Harnstoff und Phosphat abgebaut. An einem Teil der Verwesungsmasse formte sich eine Meduse nach der andern und tauchte ab in die Tiefen des versalzenen Plastikmeeres. Ping. In diesem Moment wurde ich zum Walgauer Salamander, der sich am hängenden Stein sonnte, und von dem Plinius vermerkte: „Dieses Tier ist so kalt, dass es Feuer auslöscht, wenn es dies berührt, wie es auch Eis tut. Es speit auch eine milchige Substanz aus seinem Maul aus, und welcher menschliche Körperteil auch in Kontakt damit gerät, dem fallen sofort alle Haare aus, und er nimmt ein lepröses Aussehen an.“ Es wuchsen mir Stielaugen, die mich auf der Himmelsleiter nach oben führten, bis ich die Sprosse der Phosphorizität erreicht hatte. Dann setzte die asexuelle Fortpflanzung ein. In bangen Nächten öffnete sich das Tor, aus schlug die Erd, Wolken regneten herab. Keingott erschien in prächtigem Geschlurf. Keinwort führte mich. Ping. Bestialisch fraßen sich in der Idiotengasse in einem zerfallenden Ein-KZ die letzten Geldgeier gegenseitig auf: Millionäre, CEO‘s & Plotikeri. Ein Traktor sprang an und detonierte mit 442 Hertz (a1). Ich wurde zum Tonträger. Erst wenn alle Hoffnung entfernt ist, keimt Neues. Ping.

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