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Vorarlberger Rechtsanwalt Vogl: "Ich habe keinen Müll vergraben!"

Das Bild von Harald Gfader im Hintergrund zeigt für Hans-Jörg Vogl, was im Kopf passiert, wenn man sich aufregt.
Das Bild von Harald Gfader im Hintergrund zeigt für Hans-Jörg Vogl, was im Kopf passiert, wenn man sich aufregt. ©MiK
Rechtsanwalt Dr. Hans-Jörg Vogl im WANN & WO-Sonntags-Talk über seinen Werdegang, unser Rechtssystem und seine "wilden Jahre".
Sonntags-Talk mit Dr. Hans-Jörg Vogl

WANN & WO: Warum sind Sie Anwalt geworden?

Hans-Jörg Vogl: Nach der Matura ging ich zum Bundesheer. Ein Freund hat dann für mich Jus inskribiert. Damit habe ich dann angefangen und es auch weiter studiert, denn bei den technischen Studien konnte man im Sommersemester nicht anfangen. Das Arbeiten war damals nicht so meine Sache und ich dachte, ich mache die erste Staatsprüfung und kann dann immer noch umsatteln. Bei der Prüfung ist es aber so gut gelaufen, dass ich dabei geblieben bin. Ich habe eigentlich immer etwas Technisches, Mathematisches oder Chemisches studieren wollen.

WANN & WO: Wie sind Sie in der Versicherungsbranche gelandet?

Hans-Jörg Vogl: Nach dem Ge­­richtsjahr bin ich 1979 als Jurist bei der Interunfall in Vorarlberg eingestiegen. 1981 bin ich ein Jahr in die USA gegangen. Wieder zurück, bin ich nach Wien und war drei Jahre bei der Interunfall in der Zentrale. Das habe ich trotz guter Karriere an den Nagel gehängt, weil ich mich in großen Organisationen nicht wohl fühle. Überdies haben einige Geschäftspraktiken nicht meiner Grundeinstellung entsprochen.

WANN & WO: Hat sich die auch bei der Auswahl ihrer Fälle geäußert?

Hans-Jörg Vogl: Wenn man jemanden bei einer Versicherung fragt, ob er unmoralisch, unethisch und unehrlich arbeitet, sagt er sicher nein. Es ist aber klar, dass man etwas versprechen muss, wenn man etwas verkaufen will. Man darf nicht erzählen, was alles schiefgehen könnte, sondern muss erzählen, was gut gehen könnte.

WANN & WO: Kommen wir kurz auf die USA zurück. Was haben Sie in den Staaten gemacht?

Hans-Jörg Vogl: Nach dem Post Graduate bin ich in den USA herumgereist. Das war ziemlich geil! Ich habe mir einen Ford LTD Station Wagon gekauft. Ein Klassiker mit 6,8 Liter Hubraum, der 400 Dollar gekostet hat. Ich bin von Los Angeles gestartet, an der Westküste nach oben, Richtung Osten und weiter runter bis nach Key West. Von dort bin ich über Mexiko zurück und am Ende nach Acapulco. Wieder zurück in Schwarzach angekommen dachte ich, ich sei in einer ausgestorbenen Stadt.

WANN & WO: Wie ging es beruflich weiter?

Hans-Jörg Vogl: Ich hatte das von den USA aus schon organisiert. Ich bin am Donnerstag nach Österreich zurückgekommen und habe am Montag in Wien zu arbeiten begonnen. Das habe ich immer so gehalten: Bundesheer wenige Tage nach der Matura, habe während des Bundesheers schon inskribiert und nur ein paar Tage nach dem Abrüsten bin ich im Sommerstemester bei Jus eingestiegen. Drei, vier Tage nach dem Studium habe ich das Gerichtsjahr begonnen und auch nach diesem wenige Tage später bei der Versicherung angefangen.

WANN & WO: Halten Sie Leerlauf überhaupt aus?

Hans-Jörg Vogl: Momentan habe ich nahezu keinen. Eine Woche oder zehn Tage im Jahr, that’s it. Ich arbeite oft samstags und sonntags. Ich bin kein Urlaubsmensch, das mag ich nicht. Auch im Urlaub nehme ich etwas zum Lesen und Lernen mit. Du kommst vom Stress nicht sofort runter. Wer das gewohnt ist, hat am zweiten Tag im Liegestuhl eine Depression.

WANN & WO: Was sind die großen Unterschiede zwischen dem amerikanischem und unserem Rechtssystem?

Hans-Jörg Vogl: Österreich hat mit Liechtenstein meiner Meinung nach die am besten funktionierende Rechtspflege der Welt. Aber ich habe den Eindruck gewonnen, dass Bescheißen in den USA härter bestraft wird – wenn jemand etwas anderes sagt, ist er auch kein Depp. Dort bekommt man nicht nur den Schaden ersetzt, sondern der Schuldige zahlt an den Geschädigten eine Privatstrafe und wird zusätzlich vom Staat hart bestraft. Darum trauen sich Amerikaner kaum, jemanden zu bescheißen. Wer zahlt denn die Milliardenstrafen in den USA wegen solcher Geschichten? Das sind Großbanken. Zivilrechtlich bekommt man bei uns nur den Schaden vom dem ersetzt, der bescheißt. In den USA zahlst du den Schaden, eine Privatstrafe und gehst noch 48 Mal lebenslänglich in den Knast!

WANN & WO: Gibt es noch weitere?

Hans-Jörg Vogl: Es gibt noch einen, der insbesondere die Anwälte betrifft. Dort kann ein Jurist einen Teil des Streitwertes für sich beanspruchen. Das ist ein leistungsbezogenes Honorar. In Österreich wäre das sittenwidrig und verboten.

WANN & WO: Wie wirkt sich das auf das Rechtssystem aus?

Hans-Jörg Vogl: Ich bin vor allem beruflich ein Querulant. Ist jemand eher motiviert, Leistung zu bringen, wenn er unabhängig davon gleichviel verdient, oder wenn der Lohn davon abhängig ist? Ich meine, der Anwalt soll erfolgsorientiert entlohnt werden. Ein erfolgreicher Anwalt soll viel bekommen und wer nicht gut ist, nichts, und soll aufhören, wie in jeder Branche.

WANN & WO: Wäre das fair?

Hans-Jörg Vogl: Ja. Man muss sich eben anstrengen. Wer nur für das Geld arbeitet, wird nie gute Leistungen bringen können. Wer es gern tut, entwickelt einen Fanatismus im Job. Ich mache meinen Beruf gerne und finde, man sollte der Jugend viel Zeit lassen, sich zu orientieren.

WANN & WO: Wie meinen Sie das?

Hans-Jörg Vogl: Ein Job, der dich anscheißt, wird mit keinem Geld der Welt besser. Alle sollen das Gleiche können, aber keiner kann irgendwas richtig. Die Lehrer haben eine Gewerkschaft, Schüler nicht. Wenn du einem Lehrer sagst, in drei Jahren musst du eine Viertelstunde mehr arbeiten, hast du den Streik. Lehrer, Bauern, Beamte, da geht nichts. Das sieht man bei der Verwaltungsreform oder Reform der Gewerbeordnung. Jeder verteidigt seine Pfründe.

WANN & WO: Ist das Bildungssystem zu hinterfragen?

Hans-Jörg Vogl: Ich glaube, die Universitätsprofessoren sind zu hinterfragen. Es ist einfacher, 40 Leute mit Multiple Choice zu befragen, als mit jedem zu diskutieren. Viele Juristen haben darum für einen Lebenssachverhalt, der tausend Mal vorkommt, keine Handhabe. Wenn ich beim Jobinterview mit einem konkreten Beispiel komme, können mir oft nur zwei von zehn antworten. Bei ,Gefahrerhöhung zu rechtmäßigem Alternativverhalten“, punkten sie, das haben sie gelernt. Ein Anwalt muss aber Menschenverstand haben und darf nicht auf den Mund gefallen sein. Mandanten kommen nicht zu uns, damit die Gerechtigkeit siegt. Sie kommen zu uns, damit sie siegen. Auf Erden gibt es keine Gerechtigkeit. Da gibt es nur Urteile, Beschlüsse, Verfügungen, Erlässe und Bescheide. Aber Gerechtigkeit hast du – wenn es das überhaupt gibt – im nächsten Leben.

WANN & WO: Ist der Unterschied zwischen staatlichem und moralischem Recht so groß?

Hans-Jörg Vogl: Der ist oft riesig. Die Tätigkeit muss bei Ethik und Moral anfangen. Ich kann für ein Beratungsgespräch, das etwas über eine Stunde dauert, von einer Rentnerin, die ihr Erbe regeln möchte, gut 2000 Euro nach Tarif verlangen. Wenn ich das mache, habe ich nichts Ungesetzliches getan. Aber die Mandantin hat ja nicht damit gerechnet, dass das so viel kostet. Das ist unethisch!

WANN & WO: Bleibt bei Ihrem Arbeitspensum Zeit für anderes?

Hans-Jörg Vogl: Jetzt fast nicht mehr. Ich dachte, je größer die Kanzlei ist, desto weniger muss man arbeiten. Aber wann hat eine Mutter mehr Arbeit, mit einem oder mit mehreren Kindern? Ich fühle mich zwar körperlich noch in Ordnung, aber Sport macht nur dann Spaß, wenn man ihn exzessiv betreiben kann.

WANN & WO: Sind Sie allgemein so ein Typ?

Hans-Jörg Vogl: Wenn ich etwas mache, möchte ich gewinnen, aber das geht halt nicht immer (lacht). Im Mittelfeld herumkrautern, ist nicht meins. Früher habe ich mit Freunden riesige Fahrradtouren gemacht. In der besten Saison bin ich am Arlberg 71 Mal Skifahren gewesen, von 138 Tagen, an denen die Lifte offen hatten. Komisch, dass mir das nie auf den Sack gegangen ist. Da hatte ich aber auch eine bessere Figur (lacht).

WANN & WO: Sind Sie auch schon ins Visier der Justiz geraten?

Hans-Jörg Vogl: Es ist normal, dass wenn man gegen eine Versicherung mit der gebotenen Härte vorgeht, diese schaut, wie bekommt man den weg? Es gab da eine Geschichte mit einer Versicherung. Ich sagte, ihr zahlt, was ich mir vorstelle, oder ihr kommt heute Abend in den Nachrichten. Natürlich ist der zweite Fall eingetreten. Dann war von Erpressung und Nötigung die Rede – ich hätte Prozessbetrug begangen. Das war so lächerlich, dass das Verfahren rasch eingestellt wurde. Hierauf habe ich eine Strafanzeige gegen die Versicherung eingebracht, wegen schwerem gewerbsmäßigem Betrug (grinst). Das ist natürlich auch eingestellt worden. Ich habe aber die eine oder andere Disziplinaranzeige gegen mich laufen, weil ich hin und wieder in der Wortwahl vielleicht etwas zu pointiert bin.

WANN & WO: Werden Sie dann auch mal emotional?

Hans-Jörg Vogl: Das hängt mit meiner Persönlichkeit zusammen. Ich habe mich in der Gruppe der Ja-Sager nie wohl gefühlt, andere tun sich damit leicht. Wenn man gegen das Establishment zu Kriege zieht, ist das anders. Ich möchte nicht, dass es mir so geht, wie Michael Kohlhaas in der Novelle von Heinrich von Kleist. Die Leute prophezeien mir seit Jahren, dass es mir mal so gehen wird. Ich werde schon Recht bekommen, aber irgendwann wird man mich halt umbringen. Das hat bis jetzt noch keiner geschafft. Recht habe ich manchmal – vielleicht auch oft – bekommen, aber umgebracht hat mich noch keiner.

WANN & WO: Was meinen Sie das?

Hans-Jörg Vogl: Gauner und Betrüger holt das irgendwann ein. Die alten Leute sagen, es komme alles zurück. Jetzt bin ich auch alt, gerade 60 geworden, und Sie werden lachen: Es ist wirklich so! Unternehmen oder Anwälte – ich nenne keine Namen, die kennt man eh alle – die immer etwas abseits der Fairness und Korrektheit waren, merken, dass einen das irgendwann einholt. Spätestens bei einem Generationswechsel, wenn die Jungen überprüfen, was da in den letzten Jahren so passiert ist.

WANN & WO: Wie geht es Ihnen mit Häusle?

Hans-Jörg Vogl: Die CETEC-Stiftung hält 26 Prozent der Häusle GmbH. Die von mir vor zehn Jahren gestiftete SALOM-Privatstiftung ist 20-prozentige Gesellschafterin der CETEC. Das kann man alles dem Firmenbuch entnehmen. Mit der Verwaltung der Beteiligung hatte ich nie etwas zu tun. Ich habe aber die begründete Hoffnung, dass Häusle bald wieder Gewinne ausschüttet. Ich habe jedenfalls keinen Müll vergraben.

WANN & WO: Sie haben ja auch erfolgreich gegen VW geklagt. Stinkt Ihnen der Abgasskandal?

Hans-Jörg Vogl: Wenn es bei dem Urteil bleibt, das wir beim Landesgericht Feldkirch erreicht haben, ist der Käufer zwei Jahre, 66.200 km, um 4000 Euro mit einem neuen Audi Q3 gefahren. Zahlreiche weitere Geschädigte warten darauf, dass das Urteil bestätigt wird.

WANN & WO: Sind Sie auch privat gegen das Establishment?

Hans-Jörg Vogl: Ich bin etwas ein zahmer Trottel geworden. Seit ich die liebe Verena vor 16 Jahren kennengelernt habe, vor einem Jahr haben wir geheiratet. Ich bin sehr viel ruhiger und auch sehr viel dicker geworden (lacht).

WANN & WO: Davor haben Sie nichts anbrennen lassen?

Hans-Jörg Vogl: Ich glaube nicht, etwas ausgelassen zu haben. Von Festen ist man volley wieder arbeiten gegangen, das war normal. Samstag, Sonntag durch, gib ihm!

WANN & WO: Sind Sie ein „moderner Robin Hood“?

Hans-Jörg Vogl: Ich nehme Geld von den Reichen und gebe es den Armen. Wir nehmen seit 15 Jahren von Versicherungen, Banken und Finanzdienstleistern keine Fälle an. Ich weigere mich auch, – früher wurde ich noch gefragt – in den Aufsichtsrat von so einer Firma zu gehen. Manche Bücher sind kurz: „Italienische Heldensagen“, „Schottische Kochkunst“ und „Der intelligente, prüfende Aufsichtsrat“. Ich schaue ihnen halt auf die Finger, aber wer will das schon?

WANN & WO: Ecken Sie so oft an?

Hans-Jörg Vogl: Früher wollte ich nur keinen Stress vermeiden. Ich bin überall angeeckt, auf der Universität schon. Aber man darf seine Einstellung nicht verlassen. Ich hatte bei der Versicherung einen guten Stand, weil ich gute Zahlen abgeliefert habe. Stimmen die, kann dir keiner etwas, aber wehe deine Zahlen sind schlecht und du bist lästig. Dann musst du irgendwie abgebaut werden.

Wordrap

Gerechtigkeit: Im Himmel

Vorarlberg: Schön.

USA: Geil.

Freizeit: Wenig.

Sport: Früher mehr.

Autos: Gut zum Angeben.

Anwälte: Oft korrekt.

Freiheit: Das Wichtigste im Leben.

Mein Traum: So weiter leben können wie bis jetzt.

Familie: Früher nicht, jetzt sehr wichtig.

Zur Person

Name: Dr. Hans-Jörg Vogl

Geboren: 19. Oktober 1956

Herkunft/Wohnort: Schwarzach/Feldkirch

Familie: Verheiratet mit Verena

Beruf: Rechtsanwalt

Hier die ganze WANN & WO-Ausgabe online lesen.

(Quelle: Wann & Wo)

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