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Vorarlberg: Willkommen statt abgehängt

Eine Tagung im Vorarlberger Kinderdorf unterstreicht die Notwendigkeit verstärkter Unterstützung für Jugendliche auf dem Weg ins Erwachsenenleben.
"Careleaver"-Tagung

18 – ein magisches Alter für viele Jugendliche. Vor allem dann, wenn den jungen Erwachsenen auch nach der Volljährigkeit ein tragfähiges familiäres Netz zur Verfügung steht. Kinder, die nicht in ihrer Familie aufwachsen können, werden von der Kinder- und Jugendhilfe unterstützt und begleitet. Die Finanzierung der Betreuung unter anderem in Kinderdorffamilien, in Wohngruppen oder Pflegefamilien endet jedoch mit der Volljährigkeit, verlängert wird in Ausnahmefällen bis zum 21. Lebensjahr.

Tankstelle Familie

Dabei hat sich der Übergang in die Selbstständigkeit gesamtgesellschaftlich verändert. Im Durchschnitt verlassen junge Erwachsene heute erst mit 25 Jahren das Elternhaus. Man solle aber nicht vom „Hotel Mama“ sprechen, meint Hubert Löffler, Leiter des Projekts „Welcome to life“, das sich österreichweit für mehr Chancengerechtigkeit für Jugendliche nach dem Ende der Kinder- und Jugendhilfe-Maßnahme – sogenannte Careleaver – stark macht.

Vielmehr sei die Familie eine „wichtige Tankstelle, um den Übergang gut zu meistern“. Immer wieder könnten sich die jungen Erwachsenen daheim mit emotionalem Rückhalt, mit materiellen Ressourcen und tatkräftiger Alltagsunterstützung auffüllen. Careleaver hingegen müssen weit früher und oft abrupt Abschied nehmen, was auf dem Hintergrund ihrer belastenden, traumatischen Biografien zu besonders geringen Chancen führt, diese so wichtige Zeit gut zu bewältigen. Deshalb wird von den ExpertInnen vor allem eine Verlängerung der gesetzlichen Hilfe bis 24 Jahre gefordert.

Schlechte Karten

„Ob Sorge mit 18 enden darf?“, war denn auch die zentrale Frage, die auf einer kürzlich im Vorarlberger Kinderdorf stattgefundenen Fachtagung aus verschiedenen Perspektiven diskutiert wurde. Laut Raphaela Kohout vom Institut für Jugendforschung Wien, seien junge Leute heute mehr denn je unter Druck, den hohen Erwartungen der Erfolgsgesellschaft gerecht zu werden.

Daraus würden Gefühle der Erschöpfung, der Resignation und Verunsicherung resultieren, auch hervorgerufen durch eine massive Konkurrenzsituation. Denn wenn es um die Verteilung von finanziellen Ressourcen geht, haben „die Jungen“ schlechte Karten. Nur noch 18% der ÖsterreicherInnen gehören der Gruppe der 18- bis 30-Jährigen an.

Careleaver brauchen Rückhalt

All dies trifft Jugendliche aus sozial benachteiligten Milieus ganz besonders. „Ihr Hauptproblem ist es, im Arbeits-, Ausbildungs- und Wohnungsmarkt wirklich Fuß zu fassen“, so Kohout. Careleaver, die keine Eltern haben, die sie in der Erwachsenenwelt willkommen heißen, sind ganz besonders auf Rückhalt angewiesen, um gut auf eigenen Beinen stehen zu können.

Erwin Kovacevic, Leiter der über Spenden finanzierten Ehemaligenbetreuung des Vorarlberger Kinderdorfs, weiß um die Bedeutung dieser fachlichen und emotionalen Unterstützung nach einer Fremdunterbringung: „Da geht es um konkrete Hilfe bei Anträgen oder Umzug, um ein offenes Ohr, wenn die Beziehung in die Brüche geht, oder einfach darum, nicht ganz allein zu sein“.

„Von a bis z benachteiligt“

Mit dem Projekt „Welcome to life“ ziehen Institut für Sozialdienste (ifs) und Vorarlberger Kinderdorf in einer wertvollen Kooperation an einem Strang. Über das vom Fonds Gesundes Österreich finanzierte Pilotprojekt können junge Menschen auch dann noch begleitet werden, wenn die Jugendhilfe beendet werden muss. Denn gerade Careleaver würden „viel Unterstützung statt Vorurteile“ brauchen.

Fehlende Stressresistenz, Selbstzweifel, massive Existenz- und Versagensängste machen es diesen jungen Menschen schwer, mit den Anforderungen des Erwachsenenlebens klar zu kommen. „Careleaver haben keinen Rückhalt und kein Sicherheitsnetz, aber ein starkes Sicherheitsdenken“, berichtet Sabine Burtscher, Leiterin des „Welcome to life“-Projekts Vorarlberg.

„Sie sind von a bis z benachteiligt und es darf nicht sein, dass sie als Bittsteller vor die Behörden treten müssen.“ Eigentlich wolle sie nur „wie ein ganz normaler Mensch ins Erwachsenenleben starten können“, so die Aussage einer betroffenen jungen Frau – eben willkommen sein und nicht abhängt.

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