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Vorarlberg schult junge Flüchtlinge in Rechten und Pflichten

©APA/AFP
"Viele junge Flüchtlinge wissen nicht, in welchem Land sie sich befinden. Wie sollen sie da wissen, wie sie sich zu verhalten haben?", sagt der Vorarlberger Polizist Oliver Gross.

Gemeinsam mit der Landespolizeidirektion hat er deshalb das Projekt “Präventive Rechtsaufklärung” ins Leben gerufen. 166 junge Asylwerber haben so bereits erfahren, an welche Regeln sie sich hierzulande halten müssen.

“Wird ein Flüchtling nach Europa geschleppt, weiß er an keinem Punkt seiner Reise, wo er ist”, berichtet der Vorarlberger Kontaktbeamte von der Polizeiinspektion Thüringen (Bezirk Bludenz) im Gespräch mit der APA. “Hat er dann nicht bereits ein Vorwissen, wo Österreich liegt, kann er häufig nicht sagen, in welchem Land er schließlich gelandet ist”, erzählt Gross aus seinem Arbeitsalltag mit Flüchtlingen.

“Codes nicht geläufig”

Ziemlich schnell habe er gemerkt, dass gerade die minderjährigen unbegleiteten Jugendlichen auch keine Ahnung hatten, was sie in Österreich dürfen und was nicht. “Auch die Codes unseres Zusammenlebens – wie etwa der Abstand zwischen zwei Menschen in einem Gespräch – sind ihnen nicht geläufig”, ergänzt der Beamte, der viele Jahre für die EU und die UNO auch in den Krisengebieten Syrien und Afghanistan im Einsatz war und deshalb die Gepflogenheiten in diesen Ländern kennt.

Unsere Gesetze, die Konsequenzen bei Gesetzesübertretungen und auch Gepflogenheiten des Zusammenlebens lernen die jungen Asylwerber in Vorarlberg nun im Rahmen des Projektes “Präventive Rechtsaufklärung”, das in Kooperation mit dem Land Vorarlberg entwickelt wurde. “Die Schulungen des Innenministeriums greifen erst relativ spät. Um der Straffälligkeit vorzubeugen, wollte Vorarlberg gerade die jungen Asylwerber rasch erreichen”, so Polizeisprecherin Elisabeth Engelhardt.

Teilnahme verpflichtend

Organisiert wird die “Präventive Rechtsaufklärung” von der Caritas und dem Institut für Sozialdienste (IfS), die sich um den Großteil der derzeit 204 unbegleiteten jugendlichen Flüchtlinge in Vorarlberg kümmern. Durchgeführt werden die rund eineinhalbstündigen Veranstaltungen von je einem von drei Polizeibeamten aus dem Ressort “Jugendgewaltprävention” und einem Kontaktbeamten, der mit den betroffenen Asylunterkünften der Jugendlichen vertraut ist. Die Teilnahme an der Rechtsaufklärung ist für die jungen Asylwerber verpflichtend und wird auch “sehr begeistert” aufgenommen, berichtete Engelhardt.

“Gute und unkomplizierte Zusammenarbeit”

“Die Jugendlichen waren sehr neugierig und interessiert”, erzählt Karin Moratti, die beim IfS für die Gesamtkoordination der Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge zuständig ist. Moratti lobte die passende und breite Auswahl der vorgestellten Themen und die “sehr gute und unkomplizierte Zusammenarbeit” mit der Polizei. “Viele unserer Jugendlichen haben zum ersten Mal gute Erfahrungen mit der Exekutive gemacht”, freut sich die Sozialarbeiterin. Als sehr gelungen bezeichnete sie die Aufteilung der Veranstaltung in fachlichen Input und der Möglichkeit für die Jugendlichen, “in Austausch zu gehen und das Gehörte zu reflektieren”.

Heimweh

Auf der Liste der Themen stehen etwa die rechtlichen Regelungen zu Ausgangszeiten, der Umgang mit der Polizei bei Amtshandlungen oder die Themen Gleichberechtigung der Geschlechter oder sexuelle Belästigung. Besonders genau lauschten die jungen Flüchtlinge den Ausführungen über die Auswirkungen von Alkohol auf Körper und Psyche und fragten häufig nach, wenn es um zwischenmenschliche Gepflogenheiten in unserer Gesellschaft ging, so Gross. “Durchwegs hatten wir Polizisten das Gefühl, die Jugendlichen zu erreichen”, resümiert Gross. Trotz großen Heimwehs würden nahezu alle jungen Flüchtlinge in Vorarlberg bleiben wollen. “Sie wissen ganz genau, dass sie sich deshalb an die Regeln halten und auch rasch Deutsch lernen müssen”, erklärt der Kontaktbeamte.

Ende Herbst wird das Projekt vorerst abgeschlossen, dann werden nahezu 100 Prozent aller unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden erreicht sein. In einer Abschlussbesprechung aller Beteiligter werde man dann erörtern, ob es Bedarf für ein Folgeprojekt gibt. “Das hängt aber auch davon ab, wie die Werteschulungen laufen”, so Engelhardt.

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