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Vorarlberg: Rechnungshof fordert mehr Kontrolle der Landwirtschaft

Rechnungshof-Präsidentin Brigitte Eggler-Bargehr kritisiert im aktuellen Rechnungshofbericht zur Landwirtschaft in Vorarlberg die mangelnde Transparenz in der Landwirtschaftskammer Vorarlberg.
Rechnungshof-Präsidentin Brigitte Eggler-Bargehr kritisiert im aktuellen Rechnungshofbericht zur Landwirtschaft in Vorarlberg die mangelnde Transparenz in der Landwirtschaftskammer Vorarlberg. ©APA; VLK/Alexandra Serra
Bei der Prüfung der Aufgaben und Akteure in der Landwirtschaft hat der Vorarlberger Landesrechnungshof (RH) zahlreiche Mängel ausgemacht. So fordert er etwa eine stärkere Bündelung der Aufgaben, um die immer enger werdenden Spielräume für Landesförderungen optimal nützen zu können, eine stärkere Steuerungs- und Kontrollfunktion des Landes und mehr Transparenz in der Landwirtschaftskammer.

“Der Agrarbereich ist ein vielschichtiges und komplexes System, in das viel Geld fließt und das sehr komplexe Förderstrukturen aufweist”, schickte die Direktorin des Vorarlberger Landesrechnungshofes, Brigitte Eggler-Bargehr, bereits zu Beginn der Präsentation des Prüfberichts am Donnerstag in Bregenz voraus. Allein das Land schütte jährlich über 34 Mio. Euro an Fördermitteln für die Landwirtschaft und die ländlichen Regionen aus, von Bund und EU kämen pro Jahr noch weitere 40 Mio. Euro dazu. Im Bundesländervergleich ist der Landesmitteleinsatz im Verhältnis zur Anzahl der Betriebe mit 9.000 Euro pro Betrieb (Vergleich auf Platz 2 Salzburg mit 4.000 Euro) im westlichsten Bundesland mit Abstand am höchsten.

Vorausschauende Planung und Steuerung

Gleichzeitig würden die Spielräume der Länder immer geringer. Die Komplexität und der hohe Mitteleinsatz erforderten umso mehr eine wirksame und vorausschauende Planung und Steuerung. Nur so könnten die Möglichkeiten des Landes vollständig ausgeschöpft werden, brachte es Eggler-Bargehr auf den Punkt. Die in der Ökoland-Strategie 2020 von der Landesregierung festgesetzten Ziele zur Verringerung der Abhängigkeit der Vorarlberger Landwirtschaft von der Vieh- und Milchwirtschaft bezeichnete die RH-Direktorin als “richtig und wichtig”.

Teils heftige Kritik übte sie allerdings an der Ausgestaltung. Als Beispiel nannte Eggler-Bargehr das Vorhaben, bis in drei Jahren die Anzahl der Biobetriebe von derzeit rund 520 zu verdoppeln. “Bei gleichzeitiger Reduktion” der Bio-Beratungsleistungen sei das ein “ambitioniertes Ziel”, so die oberste Prüferin des Landes. Sie empfahl deshalb, die Maßnahmen zur Zielerreichung zu forcieren oder “gegebenenfalls den Zeithorizont anzupassen”. Gleichzeitig müsse ein kennzahlen- und ergebnisorientiertes Vorgehen eingefordert werden. “Viel machen heißt nicht unbedingt viel erreichen”, führte die RH-Direktorin ins Treffen.

60 Prozent aus Landesmittel

Rund 60 Prozent der gesamten Finanzierung der Landwirtschaftskammer (LWK) Vorarlberg stammen aus Landesmitteln, geht aus dem RH-Prüfbericht hervor. Darin enthalten sind die Abgeltung von Leistungen, die die LWK für das Land erfüllt, sowie Förderungen. Ob und wie eine Steuerung seitens des Landes erfolge, habe der Rechnungshof nicht nachvollziehen können, sagte Eggler-Bargehr. Man habe allerdings den Eindruck gewonnen, dass die Finanzierung der LWK noch immer ein wichtiger Aspekt des Mittelflusses sei. Umso mehr empfehle der Rechnungshof, den Umfang, die Sinnhaftigkeit und den Nutzen der Leistungen einer systematische Aufgabenkritik zu unterziehen.

Mangelnde Transparenz in der Landwirtschaftskammer

Die Landwirtschaftskammer selbst kritisierte der Rechnungshof für seine mangelnde Transparenz. Wegen unterschiedlicher Buchführungssystemen sei es unmöglich, sich einen Gesamtüberblick über das finanzielle Gebaren der Interessensvertretung zu verschaffen. Zudem müssten Mängel in der Abrechnung beseitigt werden. Die LWK habe im Prüfzeitraum etwa Reise-, Miet- und Betriebskosten nicht vertragskonform dem Land verrechnet. Wegen zahlreicher persönlicher, räumlicher und finanzieller Verflechtungen der Kammer mit 44 kammernahen Organisationen müsse dem Thema Interessenskonflikte höhere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Eggler-Bargehr empfahl eine Überarbeitung der Dienstordnung von 1992 und eine zentrale Erfassung von Nebentätigkeiten der LWK-Mitarbeiter.

Bei der Zusammenlegung der Abteilung Landwirtschaft des Landes und der Agrarbezirksbehörden sieht der Landesrechnungshof “noch Potenzial” in der Ausgestaltung. So müssten Mehrfachzuständigkeiten beseitigt, Leitungsbereiche weiter reduziert und kleinteilige Strukturen vermieden werden.

SPÖ sieht Kritik bestätigt

„Jahrelang habe ich auf fehlende Transparenz und Ineffizienz bei der Vergabe von Fördermitteln an die Kammer hingewiesen. Nun wird meine Kritik schwarz auf weiß bestätigt. Der Rechnungshofbericht zeigt schwere Mängel auf. Er ist ein Armutszeugnis für die Aufgabenwahrung des Landes im Landwirtschaftsbereich“, erklärt SPÖ-Landwirtschaftssprecher Reinhold Einwallner und fordert in einer Aussendung Konsequenzen.

Bemerkenswert sei vor allem, dass die Kammer angesichts ihres millionenschweren Budgets nicht einmal eine doppelte Buchhaltung durchführt und nicht in der Lage ist, die Vermögens- und Ertragsteile nachvollziehbar darzustellen.

Es sei dringend notwendig, die Förderungen in der Landwirtschaft an klare Spielregeln zu knüpfen, die sich vor allem an Transparenz und Effizienz orientieren. Überlegt werden müsse auch, wie die Aufgabenaufteilung zwischen Land und Landwirtschaftskammer entflechtet werden könne. „Es scheint sinnvoll zu sein, so viele Kompetenzen wie möglich direkt ins Land zurückzuholen. Das derzeitige Modell ist nicht tragbar“, so Reinhold Einwallner.

FPÖ sieht viel zu tun

„Aus der Prüfung der Landwirtschaftsabteilung des Landes, der Agrarbezirksbehörde sowie der Landwirtschaftskammer ist ein umfangreiches Pflichtenheft sowohl für die Landesregierung als auch für die Landwirtschaftskammer hervorgegangen, dem sich die geprüften Stellen umfassend widmen werden müssen“, so die erste Reaktion von FPÖ-Klubobmann Daniel Allgäuer.

Ziel müsse es sein, sich offensiv mit den Empfehlungen des Landes-Rechnungshofes auseinanderzusetzen und das aufgezeigte Optimierungspotential zu nutzen. “Das Bekenntnis sowohl der Bevölkerung als auch der Politik zu unseren Bauern ist ein klares und die Wertschätzung gegenüber den heimischen Landwirtschaftsbetrieben ist ein sehr hohe. Gerade dieser Stellenwert der Landwirtschaft verlangt aber auch nach transparenten und nachvollziehbaren Förderungsmechanismen, zweckmäßigen Strukturen und effizienten Steuerungs- und Kontrollmechanismen“, schreibt Allgäuer in einer Aussendung.

Grüne: Festgestellte Mängel inakzeptabel

„Die Finanzgebarung der Landwirtschaftskammer muss selbstverständlich einwandfrei und lupenrein sein“, so der Grüne Landwirtschaftssprecher Daniel Zadra. “Es muss sichergestellt sein, dass die öffentlichen Gelder so eingesetzt werden, dass die Ziele der Ökoland-Strategie wie ‘Bio mal zwei’ erreicht werden.“

Die Empfehlungen des RH müssten ohne Verzögerung umgesetzt werden. Auch die Leistungsvereinbarung zwischen Land und Landwirtschaftskammer müssten neu überdacht und geordnet werden.

Auch NEOS fordern Konsequenzen

Der vorliegende Prüfbericht des Landes-Rechnungshofes zeige auf, was im “System Vorarlberger Landwirtschaft” offensichtlich falsch laufe. „Die Liste der Kritikpunkte und daraus resultierender Empfehlungen ist derart lange, wie ich es selten bei einem Rechnungshofbericht erlebt habe. Sie bestätigen aber den Eindruck, den wir in den letzten Jahren vom ‚Vollzugsbereich Landwirtschaft’ gewinnen konnten“, kommentiert NEOS-Landwirtschaftssprecherin Martina Pointner den Bericht. Eine umfassende Aufarbeitung aller festgestellten Mängel sei Gebot der Stunde.

Besonders gravierend sei die Tatsache, dass das Land seine Aufgabe als Steuerungs- und Kontrollorgan offenbar nur mangelhaft wahrgenommen habe. Die Landwirtschaftskammer habe sich in den letzten Jahre gut eingerichtet und die Verantwortlichen im Land hätten mitgespielt.

ÖVP: Ökolandstrategie bestätigt

Josef Türtscher, Landwirtschaftssprecher der ÖVP in Vorarlberg, findet lobende Worte für den Rechnungshofbericht: „Die Ökolandstrategie wird vom Rechnungshof nicht in Frage gestellt. Das zeigt, wir sind mit unserer grundsätzlichen Ausrichtung mit den Schwerpunkten Regionalität und Nachhaltigkeit auf dem richtigen Weg.” Die Empfehlungen des Berichts, Zielsetzungen zu evaluieren, sowie interne Abläufe und komplexe Förderstrukturen auf ihre Effizienz zu überprüfen, finde er nachvollziehbar.

Die österreichweit höchste Landwirtschaftsförderung mache sich aus seiner Sicht bezahlt: „Welche Region in Österreich kann von sich behaupten, dass sie im ländlichen Raum keine Abwanderung hat. Vorarlberg kann das!” Vor allem der Tourismus profitiere von einer intakten Kulturlandschaft welcher wiederum tausende Arbeitsplätze und eine Wertschöpfung in Milliardenhöhe generiere.

Bio Austria Vorarlberg: “Schlussforderungen sind nicht ganz richtig”

Bei den Vorgebrachten Kritikpunkten handle es sich teilweise auf Momentaufnahmen. Es sei richtig, dass die Bio-Beratung in Vorarlberg gemeinsam von der LK Vorarlberg und der Bio Austria Vorarlberg organisiert und durchgeführt werde. Durch diese Zusammenarbeit könne Doppelgleisigkeiten vermieden und Kosten gespart werden, schreibt Bio Austria in einer Aussendung.

Den Vorwurf, dass sich Bio-Beratungsleistungen reduziert hätten, weist Bio Austria zurück. “Auf Grund personeller Veränderungen im vergangen Jahr war die Bio-Beratung kurzzeitig „unterbesetzt“ (Sommer 2016). Im Zuge der Neuanstellung eines zweiten Beraters wurde die Bio-Beratung von einer 80%-Stelle (bis Juni 2016), auf eine 100%-Stelle aufgestockt (ab September 2016).”

Auch das Land Vorarlberg nimmt Stellung

Landesrat Erich Schwärzler verkündet in einer Aussendung des Landes Vorarlberg, dass die Empfehlungen, die der Landes-Rechnungshof am heutigen 22. Dezember in seinem Prüfbericht zur “Aufgabenwahrnehmung im Vollzugsbereich Landwirtschaft” präsentiert hat, umgesetzt werden. Der Rechnungshof habe aufgezeigt, dass durch die Komplexität des Zusammenwirkens von EU, Bund und Land die Spielräume für eine eigenständige Agrarpolitik begrenzt sind. “Das Land Vorarlberg hat schon im Vorfeld einen Reformweg eingeschlagen, um organisatorische Potenziale zu nutzen, etwa durch die Zusammenführung der Agrarbezirksbehörde und der Abteilung Landwirtschaft”, so Landesrat Schwärzler.

Zur Abrechnung des Kostenersatzes mit der Landwirtschaftskammer für vom Land beauftragte Leistungen habe der Landes-Rechnungshof festgestellt, dass diese zwar gesetzes- und verordnungskonform erfolgte, dass aber im Sinne von Transparenz und Nachvollziebarkeit Anpassungen vorzunehmen seien. Fehler, die bei der Abrechnung von Raum- und Reisekosten passiert sind, wurden bereits, unmittelbar nachdem sie bekannt geworden sind, behoben und berichtigt. Landesrat Schwärzler habe bereits mit der Landwirtschaftskammer besprochen, dass ab 1. Jänner 2017 die Leistungsbeauftragung stundengenau abgerechnet wird, wie dies beim Land die Praxis sei.

(APA/red)

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