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Vor genau 70 Jahren wurde das Land Vorarlberg wiedergegründet

©Vorarlberger Landesausschuss mit Präsident Ulrich Ilg (4.v.l.) vor dem Gesellenhaus in Feldkirch - Vorarlberger Landesarchiv
Das Land Vorarlberg gab es nicht mehr, als hier die vierte marokkanische Gebirgsdivision 1945 ihre Stellungen bezog. Dass General de Hesdin zustimmte, den 40-jährigen Dornbirner Bauern Ulrich Ilg zum Chef einer zivilen Landesregierung zu ernennen, hatte praktische Gründe: Die Menschen hungerten. Lebensmittelversorgung und Wiederaufbau waren die wichtigsten Aufgaben des Vorarlberger Landesausschusses.
So endete der 2. Weltkrieg in Vorarlberg

Am 24. Mai 1945 wurde Vorarlberg wieder zum selbständigen und demokratischen Land. Der kommandierende General ermächtigte einen Vorarlberger Landesausschuss als provisorische oberste Behörde der zivilen Verwaltung, vorerst unter Kontrolle der Militärregierung. Dieser Landesausschuss, bestehend aus Christlichsozialen und Sozialdemokraten, trat noch am selben Tag zur konstituierenden Sitzung zusammen – im katholischen Gesellenhaus in Feldkirch.

Konstituierung des Vorarlberger Landesausschusses am 24. Mai 1945: Von links: Schriftführer Dr. Elmar Grabherr, Nesler, Hans Mayer, Vizepräsident Jakob Bertsch, Präsident Ulrich Ilg, Karl Zerlauth, Adolf Vögel, Eugen Leißing, Eduard Ulmer
Konstituierung des Vorarlberger Landesausschusses am 24. Mai 1945: Von links: Schriftführer Dr. Elmar Grabherr, Nesler, Hans Mayer, Vizepräsident Jakob Bertsch, Präsident Ulrich Ilg, Karl Zerlauth, Adolf Vögel, Eugen Leißing, Eduard Ulmer ©Konstituierung des Vorarlberger Landesausschusses am 24. Mai 1945: Von links: Schriftführer Dr. Elmar Grabherr, Emil Nesler, Hans Mayer, Vizepräsident Jakob Bertsch, Präsident Ulrich Ilg, Karl Zerlauth, Adolf Vögel, Eugen Leißing, Eduard Ulmer – Vorarlberger Landesarchiv

Nicht wegen der Lorbeeren

Das Protokoll der konstituierenden Sitzung wird im Vorarlberger Landesarchiv aufbewahrt. In seiner Erklärung sagt der Präsident des Landesausschusses Ulrich Ilg über die bevorstehende Arbeit: “Wir sehen voraus, dass hier keine Lorbeeren zu ernten sind, aber die Sorge um das Wohl unserer lieben Heimat hat uns bewogen, dem Rufe der an uns erging, Folge zu leisten. Von diesem Verantwortungsbewusstsein getragen wollen wir unsere Tätigkeit beginnen.” Ilg schloss mit dem Wunsch: „Gott segne unsere Arbeit und unser Land!“ – Sofort nahm der Landesausschuss den Wiederaufbau Vorarlbergs in Angriff.

General René de Hesdin und Ulrich Ilg
General René de Hesdin und Ulrich Ilg ©General René de Hesdin und Ulrich Ilg – Vorarlberger Landesarchiv

Reichsgau Tirol und Vorarlberg

Der Historiker Ulrich Nachbaur verfasste die Publikation “Zur Wiedergründung des Landes Vorarlbergs am 24. Mai 1945”. Er beschreibt, dass Vorarlberg und Tirol nach dem Anschluss ans deutsche Reich zu einer Verwaltungseinheit zusammengefasst wurden. Die Behörde des zuständigen Reichsstatthalters war in Innsbruck. Deshalb musste in Vorarlberg 1945 aus dem Nichts ein “Amt des Vorarlberger Landesausschusses” aufgebaut werden, mit geliehenen Schreibmaschinen.

Präsident Ulrich Ilg (1905 bis 1986)

Laut Nachbaur ließen sich die Franzosen wahrscheinlich dazu überreden, Ulrich Ilg zum Präsidenten des Vorarlberger Landesausschusses zu ernennen, weil die Ernährung nach dem Krieg das drängendste Problem war. Was lag näher, als auf den Landesbauernführer der Vorkriegszeit zurückzugreifen, einen Staatssekretär außer Dienst, der als standhafter Gegner des Nationalsozialismus bekannt war? Ilgs Kabinett aus fünf Christlichsozialen und drei Sozialdemokraten arbeitete zunächst in Feldkirch, ab dem 15. Juni 1945 dann in Bregenz.

Unabhängig von Wien

Die Wiederherstellung des Landes Vorarlberg erfolgte völlig unabhängig von Wien. Jene von Österreich als Bundesstaat erfolgte erst im September 1945. Zwei Monate später fanden freie Nationalrats- und Landtagswahlen statt. Die ÖVP erreichte in Vorarlberg 70 Prozent. Am 11. Dezember 1945 trat in Bregenz der Landtag zusammen und wählte eine ordentliche Landesregierung mit Ulrich Ilg an der Spitze. Neunzehn Jahren lang arbeitete dieser als Landeshauptmann für Vorarlberg.

1. Sitzung der Vorarlberger Landesregierung am 18. Dezember 1945 in Bregenz. Von links: Landesrat Eduard Ulmer, Landesrat Andreas Sprenger, Landesrat Adolf Vögel, Landesstatthalter Dr. Martin Schreiber, Landeshauptmann Ulrich Ilg, Landesrat Jakob Bertsch, Landesrat Hans Draxler, Landesamtsdirektor Meinhard Grabmayr, Schriftführer Dr. Elmar Grabherr - Vorarlberger Landesarchiv
1. Sitzung der Vorarlberger Landesregierung am 18. Dezember 1945 in Bregenz. Von links: Landesrat Eduard Ulmer, Landesrat Andreas Sprenger, Landesrat Adolf Vögel, Landesstatthalter Dr. Martin Schreiber, Landeshauptmann Ulrich Ilg, Landesrat Jakob Bertsch, Landesrat Hans Draxler, Landesamtsdirektor Meinhard Grabmayr, Schriftführer Dr. Elmar Grabherr - Vorarlberger Landesarchiv ©1. Sitzung der Vorarlberger Landesregierung am 18. Dezember 1945 in Bregenz – Vorarlberger Landesarchiv

Historiker Nachbaur schließt seinen Bericht über das Jahr 1945 mit den Worten: “Die Herausforderungen, die der Landesausschuss in den vergangenen Monaten zu bewältigen hatte, waren enorm, und allen ist klar, dass schwierige Zeiten bevorstehen. Die Hoffnungen sind groß, am Willen fehlt es nicht, doch die Zukunft ist ungewiss. Selbst kühne Visionäre haben wohl keine Vorstellung vom Aufschwung, den Vorarlberg in den kommenden Jahren und Jahrzehnten nehmen wird.”

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