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Brennende Adria-Fähre: Zehn Tote - Vorarlberger in Sicherheit

©YouTube/Screenshot
Durch das Feuer auf der Fähre "Norman Atlantic" im Mittelmeer sind zehn Menschen ums Leben gekommen. Die Evakuierung des Sonntagfrüh in Brand geratenen Schiffs wurde am Montag abgeschlossen. Auch die beiden Vorarlberger an Bord, Mutter und Sohn, wurden geborgen und sind in Sicherheit. Die Mutter erlitt starke Unterkühlungen und befindet sich im Krankenhaus.
Vorwürfe: Panik und Schlägereien
Bilder vom Rettungseinsatz
Vorarlbergerin in Krankenhaus
Hunderte Passagiere saßen fest

Alle fünf Österreicher, die an Bord der Fähre “Norman Atlantic” im Mittelmeer waren, sind in Sicherheit. Dies bestätigte der Sprecher des Außenministeriums, Martin Weiss, am Montagabend der APA. Der letzte Österreicher an Bord, der Salzburger Erwin Schrümpf, sei nach Angaben der italienischen Küstenwache mittlerweile an Bord des italienischen Marineschiffs San Giorgio, so Weiss. Bis zuletzt hatte zu Schrümpf kein Kontakt bestanden.

Alle Passagiere evakuiert

Auch die letzten verbliebenen Passagiere wurden mittlerweile aus der Todesgefahr gerettet. Zehn Menschen konnten jedoch nur tot aus dem aufgepeitschten Mittelmeer geborgen werden. Der Verbleib von Dutzenden weiteren Personen war noch unklar.

Zur Identität der Toten gab es zunächst keine weiteren Angaben. Insgesamt hatten sich offiziell 478 Personen auf dem Schiff befunden, als der Brand vor der griechischen Insel Korfu ausgebrochen war, davon wurden 432 vom Schiff gerettet.

Am Dienstag wurden zwei Albaner getötet. Die Seemänner versuchten einen Schlepper mit der in Brand geratenen Fähre zu vertauen. Ein Seil ist gerissen und riss einen der Männer in den Tod. Der Zweite starb kurze Zeit später, während er noch von den Ärzten versorgt wurde.

Blinde Passagiere an Bord?

Allerdings: Es gibt Ungereimtheiten mit der Passagierliste. An Bord waren vermutlich auch blinde Passagiere, die Suche nach Vermissten geht deshalb weiter. Wie die italienische Regierung nach Abschluss der Rettungsaktion mitteilte, wurden 427 Menschen gerettet, darunter die 56 Besatzungsmitglieder. Laut Passagierliste waren allerdings 478 Menschen an Bord, das Schicksal von 41 Passagieren war somit zunächst weiter unklar.

Der italienische Verkehrsminister Maurizio Lupi sagte, die Liste sei möglicherweise nicht korrekt. Solange die genaue Zahl der Fährinsassen aber nicht geklärt sei, werde die Suche nach möglichen Vermissten fortgesetzt. Allerdings lässt sich auch von den Berichten der Überlebenden nicht auf den Tod von Dutzenden Menschen schließen.

Der Kapitän ging als Letzter

Kapitän Argilio Giacomazzi verließ am Montag um 14.50 Uhr als Letzter das Schiff. Damit wurde die Evakuierung offiziell für beendet erklärt. Zuvor waren alle Passagiere und die weiteren Besatzungsmitglieder von Bord gebracht worden.

Giacomazzi übergab die Kontrolle über das Schiff an italienische Marine-Offiziere. Nach seiner Rettung beruhigte er erst einmal seine Familie: “Ihr könnt entspannen, mir geht’s gut”, sagte er am Telefon. “Es ist vorbei, ich komme nach Hause.”

Bis zuletzt kein Kontakt zu Salzburger

Von den fünf Österreichern, die auf der “Norman Atlantic” waren, wurden vier bis Montagnachmittag in Sicherheit gebracht. Zu dem Salzburger Erwin Schrümpf hatte das Außenministerium bis zuletzt keinen direkten Kontakt, inzwischen wurde offiziell bestätigt, dass alle fünf Österreicher in Sicherheit sind. Schrümpf hatte für die Griechenlandhilfe einen Hilfstransport für griechische Spitäler durchgeführt. Am Sonntag waren zwei Tiroler unverletzt in Sicherheit gebracht worden. Insgesamt standen sechs Österreicher auf der Passagierliste, der Salzburger war aber entgegen der Angaben alleine unterwegs.

Vorarlbergerin unterkühlt in Krankenhaus

“Eine Vorarlbergerin wurde evakuiert und in ein Krankenhaus in Süditalien gebracht”, teilte der Sprecher des Außenministeriums in Wien, Martin Weiss, am Montagvormittag mit. Die 64-jährige Frau war demnach stark unterkühlt, der behandelnde Arzt beschrieb ihren Zustand aber als stabil.

“Sie wird erst glauben, dass er gerettet ist, wenn sie ihn sieht”

Man habe mit der Vorarlbergerin gesprochen, sie sei wohlauf, hieß es auch aus der österreichischen Botschaft in Rom.”Es ghet ihr gut, doch sie ist um ihren Sohn besorgt. Sie wird erst glauben, dass er gerettet ist, wenn sie ihn sieht”, berichteten Personen, die die Frau im Spital besuchten. Sie habe einen schweren Schock erlitten. Bei dem Unglück sei die Frau vom Rauch in ihrer Kabine geweckt worden.

Mutter und Sohn waren auf der Rückfahrt nach Ancona, um dann nach Österreich zurückzukehren.

Sohn von Marineschiff in Sicherheit gebracht

Der 35-jährige Sohn der geretteten Vorarlbergerin blieb zunächst an Bord der Fähre, wurde aber am Montag ebenfalls gerettet. Über seinen gesundheitlichen Zustand liegen noch keine Informationen vor. Der Mann befindet sich derzeit an Bord des italienischen Marineschiffs “San Giorgio”, das noch am Unfallort bei der Suche nach weiteren Vermissten im Einsatz ist.

Laut Auskunft der Familie ist ein weiterer Sohn nach Lecce gereist, um seine Mutter zu besuchen. Die österreichische Botschaft in Rom sei dabei, die Heimfahrt der Vorarlberger zu organisieren.

Panik und Schlägereien an Bord

An Bord der “Norman Atlantic” spielten sich panische Szenen ab. Überlebende berichteten von Schlägereien unter Passagieren, die sich Zugang zu den Rettungsbooten und zu den Hubschraubern sichern wollten. Ein türkischer Passagier erzählte, dass kein Brandalarm ertönt sei. “Die Passagiere haben sich gegenseitig geweckt. Wir haben eine Situation wie an Bord der Titanic erlebt. Zum Glück sind wir nicht zugrunde gegangen”, sagte er.

Ehepaar war vier Stunden im Wasser

Die griechische Passagierin, Teodora Douili, deren Ehemann nach dem Brand auf der Autofähre ums Leben gekommen ist, hat über die dramatische Stunden vor dem Tod des 62-Jährigen berichtet. “Wir waren über vier Stunden lang im Wasser. Mein Mann sagte mir: ‘Wir sterben, wir sterben!’ Ich habe nichts für ihn tun können”, erzählte die gerettete Frau. “Nachdem uns ein Mitglied der Rettungskräfte in Sicherheit gebracht hat, ist mein Mann in seinen Armen gestorben.”

Schwere Vorwürfe gegen Besatzung

Ein anderer Passagiere erzählte vom Chaos an Bord: “Man hat uns keine Anweisung gegeben. Es gab nur einen einzigen Notausgang auf Deck 6 in Richtung Bug. Es herrschte dort absolute Panik wegen des Gedränges. Es gab keinerlei Koordination, niemand hat die Leute beruhigt”, sagte Rania Fyreou laut dpa im griechischen Fernsehen. “Das größte Rettungsboot für 150 Menschen war mit nur 60 Leuten besetzt. Das Personal war praktisch nicht vorhanden.”

Fünf Militärs der italienischen Marine wurden bei der Rettungsaktion verletzt. Vier von ihnen mussten wegen Rauchgasvergiftungen behandelt werden. Ein weiterer Armeeangehöriger brach sich bei der Rettungsaktion ein Bein. Der Hilfseinsatz sei wegen der Wetterlage besonders schwierig gewesen. “Die Rettungseinheiten haben sich mit größten Problemen auseinandersetzen müssen”, berichtete der Sprecher der italienischen Marine, Mario Maccaroni.

Ermittlungen gegen Reederei

Die Staatsanwaltschaften in Bari und Brindisi leiteten Ermittlungen wegen fahrlässigen Schiffbruchs und fahrlässiger Tötung ein. Der Schiffseigner, die italienische Reederei Visentini, bestritt indes Mängel an Bord der “Norman Atlantic”. Das Schiff sei am 19. Dezember im griechischen Hafen Patras Kontrollen unterzogen worden. Laut griechischen Medien waren Sicherheitsmängel aufgetaucht. Die Behörden sollen der Reederei zwei Monate Zeit gegeben haben, diese zu beheben.

Die griechische Gesellschaft ANEK, die die Unglücksfähre gechartert hatte, hat inzwischen wieder die Verbindungen auf der Linie Igoumenitsa-Ancona aufgenommen. Die Fähre “Hellenic Spirit” ersetzt die “Norman Atlantic” und wird am Dienstag im Hafen von Ancona in Italien eintreffen.

In Italien wecken die Schilderungen schmerzhafte Erinnerungen an die Havarie der “Costa Concordia” im Jänner vor drei Jahren. Damals fuhr der Kreuzer mit mehr als 4.200 Menschen auf einen Felsen vor der Insel Giglio, 32 Menschen starben. Gegen den Kapitän Francesco Schettino läuft ein Prozess.

Olivenöl als Brandauslöser?

Griechische Lkw-Fahrer an Bord der Fähre machten eine Überladung für den Brand verantwortlich. An Bord des Schiffes befanden sich unzählige Lkw, die Olivenöl transportierten. Der Schiffseigner, die italienische Reederei Visentini, bestritt indes Mängel an Bord der “Norman Atlantic”. (red/APA/dpa)

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