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Vertrauenskrise und Abstiegsängste prägten BP-Wahl

Ihre Wähler sind höchst unterschiedlich
Ihre Wähler sind höchst unterschiedlich
Mangelndes Vertrauen in die Politik sowie soziale und finanzielle Abstiegsängste haben die Wahlentscheidung bei der Bundespräsidenten-Stichwahl geprägt. Das geht aus einer Studie hervor, die von Fritz Plasser und Franz Sommer am Dienstag präsentiert wurde. Sie sehen "eine tiefe Kluft" zwischen den beiden Wählerschaften und vor allem ein starkes Stadt-Land-Gefälle.


Am schärfsten zeigte sich die politische Vertrauenskrise in der Wählerschaft des freiheitlichen Präsidentschaftskandidaten. Nur zwölf Prozent der Hofer-Wähler vertrauen politischen Parteien und Politikern uneingeschränkt. Unter den Wählern Van der Bellens vertrauen immerhin 32 Prozent in deren Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit.

Auch das soziale Sicherheitsgefühl spielte bei der Wahlentscheidung eine Rolle: Von jenen Personen, die von sozialen und finanziellen Abstiegsängsten geplagt werden – das sind 40 Prozent der österreichischen Wähler – haben 69 Prozent den freiheitlichen Kandidaten gewählt.

Die “Kluft” zwischen den Wählerschaften habe sich am deutlichsten im “außergewöhnlich starken Stadt-Land-Gefälle, das sich im zweiten Wahlgang noch verstärkt hat”, gezeigt, so Sommer. In den ländlichen Regionen lag Hofer rund 20 Prozentpunkte vor Van der Bellen, in den städtischen Zentralräumen waren die Stärkerelationen der beiden Kandidaten genau umgekehrt.

Die Verhinderung eines Erfolgs des Gegenkandidaten war ein zentrales Motiv der Van der Bellen-Wähler. 52 Prozent gaben ihm die Stimme vorrangig mit der Absicht, zu verhindern, dass Hofer Bundespräsident wird. Ausschlaggebende Gründe, warum Van der Bellen-Wähler Hofer als Bundespräsidenten verhindern wollten, waren das Faktum, dass er ein Kandidat der FPÖ ist, seine Politik als zu rechtsgerichtet bewertet wurde und die Befürchtung, dass er dem Ansehen Österreichs im Ausland schaden könnte. Nur 47 Prozent wählten Van der Bellen vorrangig, weil sie von ihm persönlich überzeugt waren.

Die beiden Wählerschaften trennen auch konträre Amtsverständnisse. Hofer-Wähler würden sich einen “kontrollierenden, pro-aktiven Bundespräsidenten wünschen”, sagte Plasser. Entscheidende Motive der Hofer-Wähler waren, einen Bundespräsidenten zu wählen, der kontrolliert, ob die Regierung etwas weiterbringt, der den direkten Kontakt mit der Bevölkerung sucht und in Flüchtlings- und Asylfragen die ihrer Meinung nach richtige Position vertritt.

Für Van der Bellen-Wähler zählen hingegen die Eignung des Bundespräsidenten, Österreich im Ausland repräsentieren zu können, ein Amtsstil, der versucht, Konflikte auf informellem Weg im Hintergrund zu entschärfen, sowie eine Persönlichkeit, die in unruhigen Zeiten für politische Stabilität sorgt.

Die Einstellungen zur Flüchtlingsfrage und zur EU spielten ebenfalls eine Rolle: Von jenen Wählern, die meinen, Österreich könne weitere Flüchtlinge aufnehmen (35 Prozent), haben 84 Prozent Van der Bellen gewählt. Von den 60 Prozent, die der Meinung sind, Österreich habe seine Aufnahmekapazitäten erreicht, gaben 70 Prozent ihre Stimmer Hofer.

Eine weitere “zentrale Trennlinie”, so die Meinungsforscher, zwischen den beiden Wählerschaften ist die Einstellung zur EU: Der freiheitliche Kandidat erhielt 80 Prozent der Stimmen der EU-Skeptiker. 80 Prozent derer, die von der EU überzeugt sind, wählten hingegen Van der Bellen.

Laut der Wählerstromanalyse des Instituts für Wahl-, Sozial- und Methodenforschung entfallen 50 Prozent der Norbert Hofer-Stimmen im zweiten Wahlgang auf Wähler, die bei der Nationalratswahl 2013 FPÖ bzw. BZÖ gewählt haben, 24 Prozent auf ÖVP-Wähler und 21 Prozent auf SPÖ-Wähler. Die Stimmen für Van der Bellen setzen sich zu 27 Prozent aus SPÖ-, 26 Prozent Grün-, 18 Prozent ÖVP- und zehn Prozent NEOS-Wählern zusammen (jeweils bezogen auf die Nationalratswahl 2013).

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