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Verschiebung von Erwachsenenschutzgesetz trifft Vertretervereine

Kanzleramtsminister Gernot Blümel.
Kanzleramtsminister Gernot Blümel. ©APA
Durch die drohende Verschiebung des Erwachsenenschutzgesetzes musste der Verein "Vertretungsnetz" dutzende Jobzusagen zurücknehmen. Das neue Gesetz sollte mit 1. Juli in Kraft treten. Die Verschiebung trifft die Vertretervereine hart.
Regierung plant Verschiebung
Regierung will Verbesserung abblasen

Es wurde im Vorjahr von allen Parteien im Parlament einstimmig beschlossen und soll das 30 Jahre alte Sachwalterrecht ablösen. Mit den neuen Bestimmungen soll die Handlungsfähigkeit von Menschen mit psychischen Erkrankungen oder intellektuellen Beeinträchtigung nicht mehr pauschal eingeschränkt werden. Stattdessen soll die Vertretung in abgestuften Formen passieren, je nachdem, in welchem Ausmaß ein Mensch Unterstützung benötigt.In Österreich sind 58.000 Menschen betroffen. Es gibt insgesamt vier Vereine, die sich um Sachwalterschaft kümmern. Die sogenannten “Vereinssachwalter”arbeiten als Sachwalter in einem Verein und vertreten Menschen mit psychischer Erkrankung oder intellektueller Beeinträchtigung, die nicht selbst für ihre Rechte eintreten können. Österreichweit gibt es derzeit 190 hauptberufliche und 800 ehrenamtliche Vereinssachwalter.

Vertretervereine von Gesetz-Verschiebung betroffen

Der großteils vom Justizministerium finanzierte Verein “Vertretungsnetz” bietet kostenlose Schulung und Beratung für Betroffene, Angehörige und Mitarbeiter von psychosozialen Einrichtungen zum Thema Sachwalterschaft und zu möglichen Alternativen wie Angehörigenvertretung (gesetzliche Vertretungsbefugnis nächster Angehöriger) und Vorsorgevollmacht.

Ein wichtiger Aufgabenbereich ist auch Clearing. Dies bedeutet, im Auftrag des Gerichtes schon im Vorfeld, bevor ein Verfahren eingeleitet wird, genau abzuklären, ob und welche Alternativen es zu einer Sachwalterschaft geben könnte und welche Unterstützung Betroffene tatsächlich brauchen.

Vertreterverein fordert Erwachsenenschutzgesetz

Bis Montag dieser Woche war der Verein davon ausgegangen, dass das neue Gesetz mit 1. Juli in Kraft tritt. “Wir haben uns in der intensiven Phase der Vorbereitung befunden und wollten mit 1. März 40 Leute neu aufnehmen”, schilderte Schlaffer. Diesen Menschen habe man nun absagen müssen, nachdem “wir am Montag vom Justizministerium die Information bekommen haben, dass das Gesetz doch nicht wie geplant in Kraft tritt”.

Kosten für Gesetz doch höher als offiziell angegeben

Das Gezerre um die Finanzierung des Erwachsenenschutzgesetzes wird verständlicher, wenn man sich die Entstehung des Gesetzes genauer ansieht. Die umfangreichen Maßnahmen, die zu mehr Autonomie und Selbstbestimmung von Menschen mit psychischen Erkrankungen oder intellektuellen Beeinträchtigungen führen sollen, kosten nämlich deutlich mehr als offiziell angegeben. Im Zuge der Gesetzwerdung wurden die Kosten offenbar schöngerechnet. Im Begutachtungsentwurf aus dem Jahr 2016, der vom damaligen Justizminister und künftigen Verfassungsrichter Wolfgang Brandstetter (ÖVP) erstellt wurde, ist man nämlich noch von einem Finanzierungsaufwand zwischen 16,7 Mio. Euro im Jahr 2018 und von 17,5 Mio. Euro im Jahr 2022 ausgegangen. Der Großteil (14,4 Mio. bis 15,6 Mio. Euro) wäre an die Vereine, die sich um Sachwalterschaft, Patientenanwaltschaft und Bewohnervertretung kümmern, gegangen, 2,2 bis 2,4 Mio. Euro macht der zusätzliche Personalauswand für die Justiz aus.

Andere Kosten im Gesetzesentwurf von 2017

Im späteren Gesetzesentwurf aus dem Jahr 2017 wurden die Kosten nur mehr mit 9,5 Mio. im Jahr 2018 angegeben und sollten in den nächsten Jahren kontinuierlich sinken und bis 2022 auf Null zurückgehen. Diese “Berechnungen” wurden im Zuge der parlamentarischen Beratungen zur Regierungsvorlage im März 2017 von den Experten scharf kritisiert.

Konkret wurden bei den zweiten Berechnungen in der Regierungsvorlage die zusätzlichen Mittel für die Gerichte komplett gestrichen sowie die Kosten für die neue Bewohnervertretung für Kinder- und Jugendheime, die ursprünglich vorgesehen und aus Geldmangel abgesagt wurde, herausgerechnet.

Diese Zahlen erklären auch warum Justizminister Josef Moser (ÖVP) entgegen den Angaben im Vorblatt zum Gesetz heute von Kosten in Höhe 17 Mio. Euro pro Jahr sprach.

APA/Red.

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