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Vermächtnis eines Meisters: Letztes Leonard Cohen-Album "You want it darker"

Berührendes Abschiedsalbum: "You want it darker" von Leonard Cohen
Berührendes Abschiedsalbum: "You want it darker" von Leonard Cohen ©Sony / AP
Eingängige, düstere Texte und Klänge waren von jeher das Metier des Pop-Poeten Leonard Cohen, der am 7. November 2016 aus dem Leben schied. Sein Vermächtnis ist sein erst ein knappes Monat zuvor erschienenes Album "You want it darker". VIENNA.at hat sich das letzte Werk der Musiklegende für Sie angehört.
14. Album erschienen
Leonard Cohen ist tot


Der kanadische Ausnahmemusiker Leonard Cohen schuf zahlreiche Klassiker der Pop-Geschichte – ob “Suzanne”, “First we take Manhattan” oder “Hallelujah”. Nicht umsonst galt Cohen als einer der größten Singer-Songwriter aller Zeiten und wird von vielen in einem Atemzug mit Großmeister Bob Dylan genannt.

Eine Hommage an die eigene Vergänglichkeit

Sein letztes Album steht für einen würdigen Abschied, der einen Schlusspunkt hinter ein kreatives Schaffen setzt, das Zeit seines Lebens von eher leisen Tönen geprägt war. Viele sahen in “You want it darker” schon eine gewisse Todesahnung des 82-Jährigen, die ihre Schatten vorauswarf – raunt er doch bereits im Titelsong “I’m ready, my Lord” und an anderer Stelle “I’m leaving the table / I’m out of the game”. Das Werk funktioniert definitiv als Hommage an die eigene Vergänglichkeit – bzw. als Nachruf des Ausnahmemusikers an sich selbst.

Der Glaube spielte im Werk Leonard Cohens Jahrzehnte hindurch definitiv eine Rolle – nur die Religionen, denen er anhing, wechselten. Gab sich der Kanadier in frühen Songs als gläubiger Jude zu erkennen und ließ wie nebenbei zahlreiche biblische Anspielungen fallen, wandte er sich im Herbst seines Lebens vielmehr dem Zen-Buddhismus zu und lebte im Mount Baldy Zen Center, einem Kloster auf einem Berg in 2.000 Meter Seehöhe nahe Los Angeles.

Leonard Cohen: Meister der Melancholie

Cohen galt in den fast 50 Jahren seines musikalischen Schaffens als Meister der Melancholie. Die Endlichkeit allen Lebens war niemals ein Thema, das der stets besonnen und nachdenklich wirkende Künstler gemieden hat. Bereits beim Erscheinen seiner frühen Alben in den späten Sechziger- bzw. frühen Siebzigerjahren (“Songs From A Room”, “Songs Of Love and Hate”) musste er es sich gefallen lassen, dass Kritiker anmerkten, bei dieser Art Musik müsse man die Rasierklingen, um sich damit die Pulsadern aufzuschneiden, eigentlich gleich mitliefern. Und das Album “You want it darker” schlägt in dieselbe Kerbe, mutet oftmals traurig und sehnsüchtig an. Es sind zehn Lieder voller Flüstern und Seufzen geworden.

“You want it darker”: Letztes Album eines Ausnahmemusikers

Sehr reduzierte Arrangements prägen das ganze Album. Ein getragenes Klavier, verhaltene Streicher, ein unaufgeregtes Schlagzeug – nichts konkurriert mit der Stimme Cohens und seinen eindringlichen Botschaften. Besungen wird die Liebe, und zwar mehr die vergangene als die zukünftige.

Cohen scheint Bilanz zu ziehen über seine bekanntermaßen nicht wenigen Liebschaften – galt der Kanadier doch als regelrechter “Ladies’ Man”. So heißt es in “Treaty”: “We sold ourselves for love / but now we’re free” oder in “On the Level”: “They ought to give my heart a medal / For letting go of you”. Und wie karg und leer das Leben gänzlich ohne die Liebe einer Frau wäre, dieser Empfindung setzt Cohen im Song “If I Didn’t Have Your Love” ein Denkmal. Abschied genommen wird auf “You want it darker” auch von der Liebe – wenn es da heißt “Traveling light / It’s au revoir / My once so bright / My fallen star” (“Traveling Light”).

Vom Abschiednehmen: Letzte Anekdoten um Leonard Cohen

Ein innerer Abschied Cohens dürfte sich bereits im Vorfeld abgezeichnet haben. Zum Erscheinen von “You want it darker” sprach er in einem Interview mit dem Magazin “New Yorker” über seine rapide nachlassende Gesundheit, weshalb er einige noch unfertige Songs wohl nicht mehr beenden könne und es auch mit Konzerten schwierig werde. Die Zukunft sei ungewiss und er “zum Sterben bereit”, sagte Cohen und ergänzte: “Ich hoffe, es wird nicht allzu unbequem.”

Auch eine Anekdote um seine langjährige Liebe Marianne Ihlen wurde vielfach kolportiert – jene Frau, die Cohen zu seinem legendären “So long, Marianne” inspirierte und mit der er jahrelang auf der griechischen Insel Hydra zusammenlebte. Ihlen litt an Krebs und verstarb im Juli 2016 – wenige Monate vor Cohens Tod im November. Cohen hatte ihr noch im Juli in einem Brief geschrieben: “Also, Marianne, es ist jetzt so, dass wir beide wirklich so alt geworden sind, dass unsere Körper auseinanderfallen. Und ich denke, ich werde dir bald nachfolgen. Du sollst wissen, dass ich so nah hinter dir bin, dass du, wenn du deine Hand ausstreckst, die meine erreichen kannst.” Wenige Tage später starb Marianne.

Verlust einer musikalischen Legende

Leonard Cohen wurde auf einem jüdischen Friedhof in seiner Geburtsstadt Montreal beigesetzt – neben seinen Eltern, Großeltern und Urgroßeltern. Während der Trauerzeremonie wurden Zitate aus dem Lied “You want it darker” vorgetragen. Die Welt trauert um eine musikalische Legende.

“Wir haben einen der meistverehrten und produktivsten Visionäre in der Musik verloren”, hieß es seitens seiner Plattenfirma anlässlich seines Todes. Cohen selbst singt: “Only one of us was real and that was me”.
Amen. Oder vielmehr: “Hallelujah”.
In Memoriam Leonard Cohen (1934 – 2016)
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