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Verfassungsgerichtshof prüft Teile des Vorarlberger Raumplanungsgesetzes

Wenige Tage nach der Eröffnung des Eurospar-Marktes in Frastanz trudelte das Schreiben des VfGH ein.
Wenige Tage nach der Eröffnung des Eurospar-Marktes in Frastanz trudelte das Schreiben des VfGH ein. ©VOL.AT bzw. Spar
Frastanz - Anlass ist ein Eurospar-Markt in Frastanz, dessen Bau die Gemeinde nach Gewährung von vielen Ausnahmen zugelassen hat - VfGH prüft deshalb Teile des RPG auf Verfassungsmäßigkeit und Flächenwidmungs- sowie Bebauungsplan auf deren Gesetzmäßigkeit.

Jahrelang kämpfte die Handelskette Spar für die Errichtung eines neuen Eurospar-Marktes in Frastanz in Nachbarschaft zur Brauerei Frastanzer. Nach wie berichtet umfangreichen Umwidmungen von Freihalteflächen in Baumischgebiet, dem Gestatten eines Neubaus im Quellschutzgebiet sowie größeren durch die Gemeinde genehmigten Ausnahmen vom Bebauungsplan und juristischen Auseinandersetzungen wegen Einsprüchen der Nachbarn erfolgte im September 2016 der Baubeginn. Seit Ende Juni 2017 ist der rund 1.400 Quadratmeter große Eurospar-Markt in Betrieb.

Doch die Freude bei Spar und den Frastanzer Gemeindeobersten über die erfolgreiche Umsetzung dieses Marktes könnte sich demnächst in das genaue Gegenteil verkehren, auch wenn der Bau nach derzeitiger Rechtslage rechtskonform erfolgte. Denn die Nachbarn des Eurospars, die sich von Beginn an gegen das Projekt auf der grünen Wiese gewehrt haben, wandten sich noch während des Bewilligungsverfahrens mit einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Sie wehrten sich damit gegen ein Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg, das im Mai 2016 nach längeren juristischen Auseinandersetzungen grünes Licht für den Bau gab. Spar hatte also mit der Bautätigkeit begonnen, während noch juristische Verfahren anhängig waren.

VfGH prüft Teile des RPG auf deren Verfassungsmäßigkeit

Anfang Juli 2017 und damit kurz nach der Eröffnung des Eurospars trudelte dann ein Schreiben des Verfassungsgerichtshofes in Frastanz und im Bregenzer Landhaus ein. Und es hat Sprengkraft in sich: Denn der VfGH hat beschlossen, aufgrund der eingebrachten Beschwerde rund um den Eurospar-Markt den Paragraphen 35 Abs. 2 und 3 des Vorarlberger Raumplanungsgesetzes (RPG) von Amts wegen auf seine Verfassungsmäßigkeit zu prüfen. Darüber hinaus prüft der VfGH die Änderungen des Flächenwidmungsplanes und den Gesamtbebauungsplan der Marktgemeinde für die Eurospar-Grundstücke auf deren Gesetzmäßigkeit. Das geht aus dem 37-seitigen Schreiben des VfGH hervor, das der Wirtschaftspresseagentur.com vorliegt.

Die beiden Absätze “dürften verfassungswidrig sein”

Der Paragraph 35 Abs. 2 und 3 des Vorarlberger RPG gestattet es der Gemeinde (Gemeindevorstand respektive Gemeindevertretung), einem Antragsteller bzw. Bauwerber nicht näher definierte Ausnahmen von einem gültigen Bebauungsplan zu gestatten. Diese vom Umfang nicht genau spezifizierten Ausnahmen werden allein in der Gemeinde auf einfachem Wege und ohne Angabe von wichtigen Gründen beschlossen und benötigen keine umfangreichen Zwischenschritte, wie etwa in einem Änderungsverfahren. Das Land Vorarlberg als oberste Aufsichtsbehörde muss solchen von der Gemeinde gestatteten Ausnahmen nicht zustimmen.

Für den VfGH ist demnach möglicherweise nicht klar genug geregelt, wann es im Bedarfsfall das deutlich umfangreiche Änderungsverfahren oder die wesentlich einfachere Gewährung einer Ausnahme durch die Gemeinde benötigt. Zudem hat der VfGH Bedenken, dass die beiden Absätze gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen könnten. “Der Verfassungsgerichtshof geht daher vorläufig davon aus, dass der Vorarlberger Landesgesetzgeber den ihm zukommenden rechtspolitischen Gestaltungsspielraum insoweit überschritten hat und Par. 35 Abs. 2 und 3 verfassungswidrig sein dürften.”

Änderung  “dürfte gesetzwidrig sein”

Die fast gleichen Worte findet der VfGH in seiner vorläufigen Beurteilung der Änderung des Flächenwidmungsplanes und des Bebauungsplanes rund um das betreffende Grundstück in Frastanz. “Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass die beschlossenen Änderungen des Flächenwidmungsplanes diesen (rechtlichen, Anm. d. Red.) Anforderungen in mehrfacher Hinsicht nicht entsprechen.” Und weiter: “Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass der Gesamtbebauungsplan 2012, soweit er sich auf die /…/ (besagten, Anm. d. Red.) Grundstücke bezieht, gesetzwidrig sein dürfte.”

Deshalb hat der VfGH dieses Prüfverfahren eingeleitet. Zwischenzeitlich haben sowohl das Land Vorarlberg als auch die Marktgemeinde Frastanz ihre Stellungnahmen abgegeben. Eine Entscheidung des VfGH steht noch aus.

Ausnahme-Gewährungen dürften schwieriger werden

Sollte der VfGH jene Teile des RPG als verfassungswidrig und die Änderungen des Flächenwidmungsplanes und den Bebauungsplan für die betroffenen Flächen als gesetzwidrig aufheben, dann hätte das zweierlei Folgen: Erstens würde es zu einer Änderung des RPG hinsichtlich der Gewährung von Ausnahmen bei Bebauungsplänen durch die Gemeinden kommen, denn das Land Vorarlberg müsste die betroffenen Gesetzesteile umformulieren. Entweder wird die Gewährung von Ausnahmen durch die Gemeinden wesentlich genauer festgelegt oder aber die Möglichkeit entfällt zur Gänze. Dann gäbe es bei Wünschen nach einer Änderung gültiger Bebauungspläne nur noch das umfangreiche Änderungsverfahren mit klaren Begründungen und Anführen eines wichtigen Grundes. So oder so dürften sich die Entscheidungsmöglichkeiten der Vorarlberger Städte und Gemeinden nach einer Neuregelung jedoch reduzieren.

Eurospar in Frastanz hätte keinen gültigen Baubescheid

Zweitens stünde der Eurospar-Markt plötzlich ohne gültigen Baubescheid da, weil dieser Bescheid dann auf verfassungswidrigen Passagen im RPG und auf gesetzwidrigen Änderungen des Flächenwidmungsplanes und einem gesetzwidrigen Bebauungsplan basieren würde. Spar würde dabei zum Verhängnis werden, dass das Unternehmen noch während des laufenden Verfahrens auf eigenes Risiko mit den Bauarbeiten begonnen hat. Nach der notwendigen Änderung des Raumplanungsgesetzes müsste das Bauverfahren für den Eurospar-Markt deshalb zurück an den Start und noch einmal durchgeführt werden. Gleiches gilt für die Änderung des Flächenwidmungsplanes. Ob es mit einer geänderten Rechtslage und einem dann möglicherweise komplizierteren Verfahren so ohne weiteres möglich sein wird, eine Widmung und einen Baubescheid für das bestehende Gebäude zu bekommen, ist völlig offen. Jedenfalls würde dem Eurospar-Markt solange kein Abriss (nach Wiederherstellungs-Beschluss) drohen, solange das neuerliche Bauverfahren läuft.

Mitbewerber könnte auf Unterlassung klagen

Allerdings schwebt noch ein anderes Damokles-Schwert über den Betreibern des Eurospar-Marktes in Frastanz. Denn ein Mitbewerber könnte nach der Aufhebung der Gesetzespassagen durch den VfGH auf die Idee kommen, aufgrund des dann ungültigen Baubescheides Spar wegen unlauteren Wettbewerbes auf Unterlassung zu klagen. Nach Ansicht von Juristen wäre das die schnellste und spitzeste Waffe, die man dann gegen diesen Eurospar-Markt einsetzen könnte. Bei einer erfolgreichen Unterlassungsklage müsste der Standort bis zum Vorliegen eines neuen Bescheides sofort den Betrieb einstellen.

Aber auch wenn die Handelsketten in Vorarlberg in einem erbitterten Wettbewerb stehen, so glauben Juristen dennoch nicht, dass ein Mitbewerber von Spar so einen Schritt setzen wird. Denn fast jeder hatte oder hat mitunter ähnliche oder andere Probleme bei seinen eigenen Standorten oder kann diese für die Zukunft nicht ausschließen. Deshalb wolle man den Ball hier wohl eher flach halten, meint ein Insider, um keine Kettenreaktion auszulösen.

(Quelle: Wirtschaftspresseagentur)

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