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Varoufakis legt sich wieder mit Schäuble und EZB an

Varoufakis will Vertrauen Deutschlands gewinnen
Varoufakis will Vertrauen Deutschlands gewinnen
Griechenland heizt mit neuen Vorwürfen gegen Berlin und die Europäische Zentralbank (EZB) den Schuldenstreit an. Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis knöpfte sich einmal mehr die EZB vor, an deren Tropf Athens Banken hängen. "Aus meiner Sicht verfolgt die EZB eine Politik gegenüber unserer Regierung, die ihr die Luft zum Atmen nimmt", kritisierte Varoufakis in einem Interview. Gegen Schäuble legte die griechische Regierung indes beim Auswärtigen Amt Protest ein.
EZB: Totengräber oder Retter?
Ringen in Brüssel geht weiter

Zurück in Athen sind die Kontrolleure der Ex-Troika, um die Umsetzung der Sparauflagen zu überprüfen und zu schauen, wie groß das griechische Finanzloch tatsächlich ist. Die Experten des Internationalen Währungsfonds (IWF), der EZB und der EU-Kommission dürfen aber nicht in die Ministerien, sondern müssen die Unterlagen im Hotel durcharbeiten.

Varoufakis: Wir hatten das Vertrauen Deutschlands nie

Über den deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble sagte Varoufakis, dieser habe von Anfang an kein Vertrauen in die Syriza-Regierung gehabt. Der griechische Finanzminister meinte im griechischen Fernsehsender Mega: “Wir sprechen immer sehr zivilisiert und konstruktiv.” Zugleich betonte er: “Bei einem Treffen, das ich mit Herrn Schäuble hatte, sagte er mir, ich hätte das Vertrauen der deutschen Regierung verloren. Und ich sagte ihm: Ich hatte es nie, ich bin Mitglied einer Regierung der radikalen Linken.” Er bemühe sich aber, auch in Deutschland Vertrauen zu gewinnen.

Athen beschwert sich beim Auswärtigen Amt über Schäuble

Die griechische Regierung beschwerte sich sogar bei der deutschen Regierung über eine Äußerung von Schäuble. “Der griechische Botschafter in Berlin, Panos Kalogeropoulos, hat sich am Dienstagabend an das Auswärtige Amt gewandt, um einen förmlichen Protest der griechischen Regierung wegen einer Äußerung des Bundesfinanzministers vorzutragen”, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes am Donnerstag in Berlin. Auf welche Äußerung sich dieser Protest konkret bezog, wollte er nicht sagen.

Schäuble: “Unsinn” – Habe Varoufakis nicht beleidigt

Schäuble wies die Vorwürfe, er habe seinen griechischen Kollegen Gianis Varoufakis beleidigt, hingegen zurück Dies sei Unsinn, sagte Schäuble am Donnerstag in Berlin am Rande der Zoll-Jahrespressekonferenz.

“Dümmlich naiv”

Auslöser waren womöglich Berichte griechischer Medien, nach denen Schäuble die Kommunikation von Varoufakis am Rande des Treffens der Finanzminister am Dienstag in Brüssel vor Journalisten angeblich als “dümmlich naiv” bezeichnet haben soll. Dabei handelt es sich aber offensichtlich um eine falsche Übersetzung und ein Missverständnis.

Tatsächlich hatte Schäuble von einem langen, intensiven Gespräch mit Varoufakis am Vorabend berichtet und gesagt, in Sachen Kommunikation habe Varoufakis einen stärkeren Eindruck gemacht als in der Substanz: “Also, dass er (Varoufakis – d. Red.) nun plötzlich naiv in Sachen Kommunikation wäre, habe ich ihm gesagt, das ist mir ganz neu. Aber man lernt ja nie aus.”

Varoufakis Vorwürfe, die europäischen Notenbanken würden dem schuldengeplagten Land nicht genug helfen, wies unterdessen Bundesbank-Präsident Jens Weidmann zurück. Es sei Sache von Regierungen und Parlamenten zu entscheiden, wie weit sie den Griechen unter die Arme greifen wollten, erläuterte Weidmann in Frankfurt: “Ich sehe diese Aufgabe weniger denn je beim Eurosystem.”

Reparationen: Athen bekommt Unterstützung aus Deutschland

Im Streit mit Deutschland um Reparationen  – Athen fordert von Berlin bis zu 332 Milliarden Euro – bekommt Athen Rückendeckung von der deutschen Linkspartei. Deren Vorsitzender Bernd Riexinger sagte in der ARD: “Das verjährt nicht. Das ist ein Kredit, der zurückgezahlt werden muss. Da haben die Griechen recht.” Die deutsche Regierung sieht die Entschädigungsfrage als erledigt an – Athen lässt aber nicht locker.

Griechenland droht mit Pfändung deutschen Eigentums

Griechenlands Justizminister Nikos Paraskevopoulos drohte offen mit der Pfändung deutscher Immobilien in Griechenland. Die Links-Rechts-Regierung fordert die Rückzahlung eines griechischen Zwangskredits an die Besatzungsmacht Nazi-Deutschland von 1942.

Flüchtlingsthema hält Einzug in Finanzdebatte

Griechenlands Regierung hatte zudem damit gedroht, Zehntausende Flüchtlinge in andere EU-Staaten weiterzuschicken, wenn Europa Athen in der Schuldenfrage nicht entgegenkomme. Deutschlands Innenminister Thomas de Maiziere sagte in Brüssel, bisher gehe die Berliner Regierung von einem Missverständnis aus. “Wenn es so wäre, dass Migrations- und Flüchtlingsthemen vermischt würden mit der Debatte um Finanzhilfen, dann wäre das sehr ungewöhnlich und würde von uns natürlich eine klare Antwort bekommen”, sagte de Maiziere.

EZB lässt Geldhahn für Athen weiter offen

Die EZB lässt indes den Geldhahn für griechische Institute nach Angaben aus Finanzkreisen weiter offen. Der EZB-Rat habe den Spielraum der Notenbank in Athen zur Gewährung von Notfallhilfen an ihre heimischen Geldhäuser um 600 Mio. Euro erweitert, erfuhr Reuters am Donnerstag aus Bankenkreisen. Damit liegt die Obergrenze nun bei 69,4 Mrd. Euro.

Vertrauensverlust – deutliche Worte aus Berlin und Athen

Nach der Wahl des Linksbündnisses “Syriza” in Griechenland hat sich der Ton zwischen Athen und Berlin verschärft. Doch es geht auch zurückhaltend. Eine Auswahl von Zitaten:

“Wir haben uns freundlich begrüßt. Ich habe ihn beglückwünscht zu seiner Wahl. Und ich habe ihm gesagt, dass von meiner Seite aus alle Bereitschaft besteht, gut zusammenzuarbeiten.” (Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nach ihrer ersten Begegnung mit dem neuen griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras am 12. 2. in Brüssel)

“We agree to disagree” (Wir sind uns einig, dass wir uns nicht einig sind.) (Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) am 5.2. beim Treffen mit seinem Athener Kollegen Gianis Varoufakis in Berlin)

“Bisher ist er (Varoufakis) nicht sehr wirkungsvoll,(…) andere zu überzeugen. (…) Also da hat er noch Luft nach oben.” (Schäuble am 17. 2. in Brüssel)

“Wir sind jetzt gerade dabei, das Vertrauen aufzubauen.” (Schäuble am 20. Februar zur Griechenland-Vereinbarung)

“Schauen Sie sich Tsipras an, schauen Sie sich Varoufakis an: Würden Sie von denen einen Gebrauchtwagen kaufen? Wenn die Antwort darauf Nein ist, dann stimmen Sie auch mit Nein heute.” (Der CDU-Abgeordnete Klaus Peter Willsch am 27. 2. im Bundestag vor der Abstimmung über eine Verlängerung des Hilfsprogramms für Griechenland)

“Herr Tsipras ist im Wort. Wenn Griechenland sich daran nicht hält, wird es keine weiteren Hilfen geben. (…) Wir sind solidarisch, aber nicht erpressbar.” Als Rat an die griechische Regierung: “Verhaltet Euch so, dass Ihr möglichst viel Vertrauen findet, denn Ihr braucht ja das Vertrauen von Investoren, von Banken und und und.” (Schäuble am 1.3. in der ZDF-Sendung “Berlin direkt”)

“Bei einem Treffen, das ich mit Herrn Schäuble hatte, sagte er mir, ich hätte das Vertrauen der deutschen Regierung verloren. Und ich sagte ihm: Ich hatte es nie, ich bin Mitglied einer Regierung der radikalen Linken.” (Varoufakis am 11.3. im griechischen Fernsehen)

(APA/dpa/red)

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