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Über(s)Leben in Bangladesch: Von Rikschas, Streiks und Hühnern am Kopf

Ein Reisebericht aus Bangladesch.
Ein Reisebericht aus Bangladesch. ©Sabine Unterweger
Ein Reisebericht von Dr. Sabine Unterweger von 8. bis 20. November 2013. Eines vorweg: Bangladesch ist kein Urlaubsland im herkömmlichen Sinn. Wer sich von einer Reise Entspannung und Cocktails erwartet, ist in Bangladesch an der falschen Adresse. Wem es jedoch um neue Erkenntnisse und das Kennenlernen einer fremden Kultur geht, dem wird dieses Land die Augen öffnen. Mit etwas Geduld und einheimischer Unterstützung lässt sich in Bangladesch so einiges bewerkstelligen.
Bilder aus Bangladesch

Hauptverkehrsmittel Fahrrad

Indische Facetten, afrikanische Einschläge, westliche Werbung – in Bangladesch entdeckt man durchaus Bekanntes und Gewohntes. Es gibt Restaurants, Busse, LKWs und trotzdem ist auf den zweiten Blick alles anders. Es ist wie eine Mischung aus mehreren Jahrzehnten. Moderne Autos duellieren sich auf den teils völlig überfüllten Straßen mit alten LKWs und noch älteren Fahrrädern. Sie sind das Hauptverkehrsmittel schlechthin und auch weitverbreitete Rikscha-Taxis. Ein Großteil der Einheimischen benutzt heillos überfüllte Busse als Transportmittel, die stark verbeult und ohne Scheiben am Land und in der Stadt unterwegs sind oder sogenannte CNG, gasbetriebene Mini-Blechautos. Gibt es keine Steh- oder Sitzplätze mehr, wird auf dem Dach mitgefahren. Und zwischen all dem Gewusel und Gehupe werden auch noch Handkarren mit Waren geschoben.

Stau

Die Hauptverkehrsadern in und rund um die Hauptstadt Dhaka lassen sich am besten mit einem einzigen Wort beschreiben: Stau. Wer keine Geduld hat, ist in Bangladesch fehl am Platz. Um die Stadt zu durchqueren benötigten wir mehr als zweieinhalb Stunden. Alltag für die Einheimischen. Aber auch auf den Landstraßen kann man einiges erleben. Hier geht es zwar etwas schneller, für eine Fahrt von rund 250 km ist aber doch ein ganzer Tag einzuplanen. Entlang der Landstraßen gibt es relativ wenig freie Landstriche. Aus praktischen Gründen siedelt man sich in der Nähe der Straßen an. So reiht sich Behausung an Behausung, aufgelockert durch kleinere und größere Dörfer. Die seitlichen Begrenzungen bilden weiß angestrichene Bäume. Im Westen Dhakas ist eine neue Straße in Bau, die eine deutliche Entlastung bringen soll. Die derzeit idyllische, afrikanisch angehauchte Landschaft wird sich dadurch sicherlich bald verändern und auch hier werden nahtlos Hütten und Dörfer entstehen.

Bestaunte Besucher

Die Bewohner von Bangladesch begegnen den Touristen sehr freundlich und interessiert. Bei Besichtigungen wird man von Einheimischen umringt und während des gesamten Besuchsprogramms begleitet. Mit rudimentären englischen Vokabeln wird man von Jung und Alt nach Herkunft und Namen gefragt. Denn an vielen touristischen Hot-Spots sind nach wie vor selten hellhäutige Reisende anzutreffen.

Einzigartige Bauwerke in Bangladesch

Die kulturelle Wertigkeit von Bangladesch ist durch drei Welt-Kultur-Erbe-Stätten gegeben, jedoch auf den ersten Blick nicht offensichtlich. Wer Bangladesch daher allein bereisen möchte, wird sich etwas schwer tun. Islamische Bauwerke, alte buddhistische Klöster und hinduistische Tempel sind ohne Ortsansässige nicht leicht zu finden. Einfach überwältigend ist die weltgrößte buddhistische Klosteranlage in Paharpur aus dem 8. Jahrhundert, die großen Einfluss auf die buddhistische Architektur Südostasiens hatte oder die 60-Dom-Moschee in Bagherat wie auch der Shiva Tempel in Puthia. Ein absolutes Highlight sind die hinduistischen Tempel mit ihren Terrakotta-Ziegeln wie etwa der Gobinda Tempel in Puthia oder der Kantajee-Tempel aus dem 18. Jahrhundert in Dinajpur. Viele Bauten allerdings verfallen, da der Staat kein Geld zur Verfügung hat und die Erhaltung nicht oberste Priorität ist.

Unverpackt ans Ziel

Als eines der ärmsten Länder der Welt bemüht sich Bangladesch redlich, Geld zu verdienen, sich zu verändern und zu überleben. Müll liegt auf den Straßen verteilt, aber viel weniger als vermutet. In Bangladesch wird traditionell auf Märkten eingekauft. Ob Gemüse, Schuhe, Stoffe, Papier, Obst bis hin zu lebenden Hühnern. Die Ware wird unter anderem am Kopf balancierend transportiert. Plastiksäcke gibt es keine. Vieles wird unverpackt geliefert.

Auf der Waagschale

Die Bangladescher sind ein fleißiges Volk. Es wird kaum gebettelt und man bemüht sich redlich um Arbeit, auch wenn die Bedingungen mühsam sind. Große Fabriken entstehen durchaus mit internationalen Investments, allerdings gibt es viele Bereiche, in denen Maschinen fehlen. So werden Ziegel teilweise noch händisch hergestellt. Um sich finanziell über Wasser zu halten, werden eigene Verkaufsstrategien wie das Abwiegen von Passanten auf einer Waage gegen Bezahlung entwickelt. Staatliche Fabriken erhalten Aufträge vom Ausland, die sie wiederum an heimische, private Firmen weiter geben.

Typische Bilder

Auch die Werbetafeln zeigen einen Zwiespalt. Einerseits wird die Aufmerksamkeit für Kosmetikprodukte und westliche Kleidung geweckt, andererseits besteht das Straßenbild nur aus Menschen in typischer, einheimischer Kleidung. In Dhaka gibt es auch Shopping-Malls nach westlichem Vorbild, die einheimische und internationale Marken führen. Die Männer tragen allerdings mehrheitlich den Longhi, einen traditionellen Rock, der aus einem Tuch gebunden wird. Die Frauen tragen bunte Kleidung mit Hose, knielangem Kleid und Schal oder langen Kleidern und Stola.

Wenn man im Land unterwegs ist, wird man ständig von Werbetafeln für Zement begleitet. Und da es in Bangladesch ca. 400 Tiger geben soll, werden die wilden Tiere häufig zu Werbesymbolen. Es sind die einzigen Tiger, die man zu Gesicht bekommt. Denn auch bei einem zweitägigen Ausflug in die Sundarbans mit den weltgrößten Mangrovenwäldern hielt sich diese Spezies im Verborgenen.

Qual der Wahl

In Bangladesch wird der Alltag ganz sicher von Männern beherrscht. An der Spitze der Macht stehen allerdings zwei Frauen, die regierende Sheikh Hasina und die Oppositionsführerin Khaleda Zia, die bei der Wahl im Jänner um Stimmen kämpfen. Weil schon jetzt Zweifel an der ordnungsgemäßen Durchführung gehegt werden, soll eine Übergangsregierung für Fairness sorgen. Die Opposition ruft daher immer wieder zu Generalstreiks auf. Fast wöchentlich wird diesen weitreichend Folge geleistet. Es kommt zur Einstellung der Transportmittel, Lebensmittel verrotten im Hafen, Aufständische werden mit Knüppel, Steinen und manchmal sogar mit Brandbomben zur Räson gebracht. Einzelne Demonstranten können sich innerhalb weniger Sekunden zu einer wütenden Menge formieren. Immer wieder ist von Todesopfern die Rede, Straßen- und Dorfsperren sind keine Seltenheit. So wird die bessere Zukunft wohl doch noch etwas länger auf sich warten lassen.

Abschließende Vergleiche zur Veranschaulichung

Bangladesch ist fast doppelt so groß wie Österreich und hat mit seinen 160 Millionen Menschen fast 20-mal so viele Einwohner. Ein Arbeiter verdient im Schnitt zwischen 65 und 400 Euro. Für ein T-Shirt aus der Mall bezahlt man 6 Euro, was für Einheimische teuer ist, für ein neues Fahrrad rund 100 Euro und die monatliche Miete für eine 3 Zimmer-Wohnung beläuft sich auf rund 200 Euro. Der Neupreis eines Mittelklassewagens ist 20.000 Euro. Bangladesch belegt Platz acht der bevölkerungsreichsten Länder der Welt. Rund 25 Prozent leben in Städten. Obwohl 98 Prozent der Bevölkerung Bengali als Muttersprache haben, werden insgesamt 39 verschiedene Sprachen gesprochen. 15 TV-Stationen bestehen in Bangladesch, 14 davon sind private Sender, eine ist staatlich. Sieben überregionale Radiosender werden von sieben lokalen Stationen ergänzt.

(Dr. Sabine Unterweger)

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