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Türkei fordert von Russland und dem Iran Stopp der Offensive in Idlib

Neue Spannungen vor Gesprächen in Sotschi.
Neue Spannungen vor Gesprächen in Sotschi. ©AFP
Angesichts der Offensive der syrischen Regierungstruppen in der nordwestlichen Provinz Idlib mehren sich die Spannungen der Türkei mit Russland und dem Iran. Ankara rief am Mittwoch die Verbündeten des syrischen Machthabers Bashar al-Assad auf, ihrer "Verantwortung" gerecht zu werden und Damaskus zum Stopp der Offensive zu bewegen.

Laut der Türkei verletzt die Offensive die geltende Deeskalationszone in Idlib. “Der Iran und Russland sollten ihre Verantwortung erfüllen. Wenn Ihr Garantiemächte seid, und das seid Ihr, müsst Ihr das Regime stoppen”, sagte Außenminister Mevlüt Cavusoglu der Nachrichtenagentur Anadolu Ajansi. Die am 25. Dezember gestartete Offensive sei nicht einfach eine Luftoffensive. “Das Regime dringt nach Idlib ein. Es hat eine andere Absicht”, sagte Cavusoglu.

Demnach verletzt die Offensive die Deeskalationszone, die auf Initiative der Türkei, Russlands und des Iran in Idlib eingerichtet worden ist. Die Schutzzone sieht eine Waffenruhe zwischen Rebellen und Regierungstruppen vor. Allerdings gilt diese nicht für die Jihadisten der Fatah-al-Sham-Front, die große Teile von Idlib kontrolliert.

Regierung eroberte Dutzende Dörfer

Seit dem 25. Dezember rücken die syrischen Regierungstruppen mit Unterstützung der russischen Luftwaffe im Südosten von Idlib vor. Dabei haben sie bereits Dutzende Dörfer erobert. Bei den schweren Luftangriffen in der Region wurden laut Aktivisten schon Dutzende Zivilisten getötet. Beobachter warnen vor einer humanitären Krise mit einem weiteren Ansteigen der Flüchtlingszahlen.

Grafik: Ziel der syrischen Offensive ist die strategisch wichtige Luftwaffenbasis Abu Al Dhuhur

Laut Cavusoglu gehen 95 Prozent der Verletzungen des Schutzgebiets auf die syrischen Regierungstruppen zurück. Am Dienstagabend wurden der iranische und der russische Botschafter ins Außenministerium zitiert, um ihnen das “Unbehagen” der Türkei über die “Verletzung der Grenzen der Deeskalationszone in Idlib” zu übermitteln.

Türkei entsendet Truppen

Die Türkei hat Truppen in den Norden von Idlib entsandt, um die Deeskalationszone abzusichern. Ankara gehört zu den schärfsten Kritikern Assads, arbeitete aber mit Russland und dem Iran an einer politischen Lösung des Konflikts. Das Vorgehen in Idlib gefährde jedoch die Kooperation, sagte Cavusoglu.

Grafik: Die Assad-Truppen rücken von zwei Richtungen vor

Experte: Spannungen “nicht überraschend”

Der russische Experte Alexej Malaschenko sagte der Nachrichtenagentur AFP, die aktuellen Spannungen könnten nicht überraschen. Russland, die Türkei und der Iran hätten jeweils eigene Interessen, die nicht völlig in Einklang zu bringen seien. Allerdings habe auch keiner der drei Staaten Interesse an einem Bruch, sagte Malaschenko. Sie seien daher “zum Konsens verdammt”.

Russland hat die Konfliktparteien für 29. und 30. Jänner zu Gesprächen in Sotschi eingeladen. Jedoch sorgt die Teilnehmerliste für Diskussionen, da die Türkei eine Einladung der syrischen Kurdenpartei PYD strikt ablehnt. Aus ihrer Sicht handelt es sich dabei um den syrischen Ableger der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK).

Diplomatische Lösung: Europäischer Diplomat skeptisch

Ein europäischer Diplomat äußerte sich skeptisch, dass es Russland gelingen werde, in Sotschi einer politischen Lösung näher zu kommen. Das Treffen habe sich bereits zwei Mal nicht konkretisiert, und auch dieses Mal gebe es keine Klarheit über die Teilnehmer, sagte er. Nicht nur sei Russlands Verhältnis zur Türkei angespannt, sondern auch zu Assad und dem Iran.

Die Spannungen zwischen Ankara und Moskau werden noch verschärft durch jüngste Drohnenangriffe auf russische Militärbasen in Syrien. Laut dem Verteidigungsministerium in Moskau kamen die Drohnen unbekannter Herkunft aus Idlib. Es rief den türkischen Generalstab und Geheimdienst auf, ähnliche Drohnenangriffe zu verhindern.

Ankara besorgt wegen Flüchtlingszahlen

Die Türkei ist besorgt, dass die Offensive in Idlib zu einem erneuten Ansteigen der Flüchtlingszahlen führen könnte. Zahlreiche Zivilisten aus anderen Regionen Syriens haben in Idlib Zuflucht gesucht. Die Türkei hat drei Millionen Syrer aufgenommen, bevor sie ihre Grenze schloss. Nach UNO-Angaben sind 1,39 Millionen Menschen in Idlib auf humanitäre Hilfe angewiesen.

Türkei steht vor Offensive in syrischen Kurdengebieten

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hat einen Militäreinsatz in den kurdisch kontrollierten Regionen Afrin und Manbidsch in Syrien angekündigt. “Jetzt ist es soweit, das Projekt der separatistischen Terrororganisation, einen Syrien-Terrorkorridor zu errichten, vollkommen zunichte zu machen”, sagte Erdogan am Dienstag vor Mitgliedern seiner islamisch-konservativen Regierungspartei AKP im Parlament in Ankara. Mit “separatistischer Terrororganisation” meint Erdogan die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK, deren syrischer Ableger YPG die Regionen Afrin und Manbidsch kontrolliert.

Die Türkei werde den im August 2016 begonnen Militäreinsatz in Nordsyrien “Schutzschild Euphrat” auf die Regionen Afrin und Manbidsch ausweiten “und danach Sicherheit und Ruhe entlang der gesamten Grenze bringen”, sagte Erdogan.

Mit dem Militäreinsatz “Schutzschild Euphrat” war die Türkei 2016 mit von ihr unterstützten Rebellen in die nordsyrische Region um Dscharabulus einmarschiert. Ziel dieser Operation war, die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) von der türkischen Grenze zu verdrängen. Die Türkei kämpfte aber zugleich gegen die YPG und setze sich damit zwischen die zwei kurdisch kontrollierten Gebiete um Afrin und Manbidsch.

Der türkische Präsident hatte in der Vergangenheit immer wieder mit einem Einsatz in den kurdisch kontrollierten Regionen in Syrien gedroht.

(APA/dpa)

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