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Tschetschene schoss in Wien auf Bruder: Urteil steht fest

Ein 35-Jähriger schoss in Wien auf Bruder.
Ein 35-Jähriger schoss in Wien auf Bruder. ©APA (Sujet)
Er wollte Familienstreitigkeiten "wie in der Heimat" beenden und schoss auf seinen Bruder: Am Mittwoch musste sich ein 35-jähriger Tschetschene wegen versuchten Mordes am Wiener Landesgericht verantworten. Nun steht das Urteil fest.
Schussattentat in Meidling
Rätselraten um Motiv

Der 35-jährige Angeklagte wollte sich von seinen vier Brüdern, insbesondere vom Ältesten, nicht vorschreiben lassen, wie er in Österreich zu leben hatte. So sollte er nach deren Ansicht seine Frau und sechs Kinder mehr an die “Kandare” nehmen und etwa einen Pkw-Kauf vom Bruder genehmigen lassen.

Als er derartigen Forderungen nicht nachkam, wurde er im Juli 2016 von den eigenen Brüdern verprügelt. Besonders hart traf den Arbeitslosen, dass dies vor den Augen seiner Ehefrau und den Kindern geschah. “Ich habe mich nicht wie ein Ehemann und Vater gefühlt”, meinte der Angeklagte zur Vorsitzenden Richterin Martina Krainz.

Schussattentat auf Bruder: Pistole illegal gekauft

Um weitere Attacken zu unterbinden, kaufte sich der 35-Jährige illegal eine Pistole und besuchte seinen Bruder, um diesen ins Bein zu schießen. Trotz mehrerer Nachfragen – “Haben Sie sich gedacht, heute ist ein guter Tag zum Schießen?” – konnte er nicht schlüssig erklären, warum er zwischen dem Besuch durch seine Brüder und dem Schussattentat fast fünf Monate verstreichen ließ.

Am 26. November 2016 suchte er den 38-Jährigem auf, wartete bis seine Nichten und Neffen das Vorzimmer verlassen hatten und zückte die Waffe. “Du bist mit einer Pistole gekommen?” – “Soll ich nach dem, was vorgefallen ist, mit Blumen kommen?”, meinte der Angeklagte und wollte feuern. Doch es habe sich zunächst kein Schuss gelöst, was der Sachverständige des Bundeskriminalamts jedoch ausschloss.

Brüder verweigerten Aussage vor Gericht

Beim folgenden Gerangel gab der Angeklagte insgesamt drei Schüsse ab, einen durch die noch geöffnete Wohnungstür. Der ältere Bruder wurde dadurch am Knie verletzt. Dennoch blieb der 38-Jährige der Linie treu, die Gerichte nicht mit Familienangelegenheiten zu behelligten. Er wollte nur aussagen, wenn er seinem angeklagten Bruder damit helfen könne. Die Richterin machte ihm jedoch schnell klar, dass das Rechtssystem in Österreich so nicht funktioniere, worauf der Mann sich entschlug. Dies tat auch noch ein weiterer Bruder, während zwei andere, die als Zeugen geladen waren, bereits abgeschoben wurden.

Die Staatsanwältin verwies in ihrem Schlussplädoyer darauf, dass zuletzt viele Menschen aus anderen Kulturkreisen ihre Problemlösungen auch in Österreich anwenden würden. Verteidiger Nikolaus Rast schloss sich der Ansicht an, dass man Selbstjustiz nicht tolerieren könne. Seinem Mandanten sei es jedoch nur darum gegangen, seinem älteren Bruder einen Denkzettel zu verpassen und keinesfalls, diesen zu töten.

Absichtliche schwere Körperverletzung: Urteil nicht rechtskräftig

Die Geschworenen schlossen sich mit 5:3 Stimmen dieser Ansicht an und entschieden auf absichtliche schwere Körperverletzung. Die Richterin unterstrich, dass sich der Angeklagte nicht ausreichend zur Absicht schuldig bekannt habe, weshalb man nicht von einem vollständigen Geständnis sprechen könne. Er sei vor dem Krieg geflohen und habe dann selbst Gewalt ausgeübt. “Selbstjustiz hat hier nichts zu suchen.” Auch wegen der Signalwirkung nach außen habe man keine teilbedingte Strafe aussprechen können.

Der Angeklagte zeigte sich trotz der relativ milden Strafe, der Strafrahmen reicht bis zehn Jahre, völlig verdattert und ungerecht behandelt. Schließlich hätten seine Brüder angefangen. Zudem fürchte er, dass diese seiner Familie etwas antun, während er sich in Haft befindet. Trotz intensiver Versuche seines Verteidigers nahm er die Strafe nicht an, sondern man einigte sich auf drei Tage Bedenkzeit. Auch die Staatsanwältin gab daraufhin keine Erklärung ab. Das Urteil ist vorerst nicht rechtskräftig.

(APA/Red)

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