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Rabbiner Aron Tänzer 1871-1937

Aron Tänzer wurde am 30. Januar 1871 in Preßburg (heute Bratislava in der Slowakei, damals Ungarn) geboren. Er entstammte einer alten Rabbinerfamilie mit langer Tradition: Sein Vater war der Rabbiner und Kaufmann Heinrich Tänzer, seine Mutter Marie Schlesinger. Er galt schon früh als Wunderkind, konnte er doch bereits im Alter von zwei Jahren lesen und schreiben. Mit großem Erfolg studierte er an der berühmten Preßburger Jeschiwa (Talmudhochschule). Wie in Preßburg, so musste sich Tänzer auch in Berlin sein Studium erbetteln, wo er ab 1892 Philosophie, Germanistik, Semitische Philologie und Geschichte studierte. Größten Einfluss auf ihn nahmen der Philosoph Moritz Lazarus (1824– 1903), weiters der Philosoph Wilhelm Dilthey (1833–1911) und der Orientalist Hermann Strack (1848–1922). Tänzer, der seinen persönlichen Neigungen entsprechend gerne Schauspieler geworden wäre, veröffentlichte in Berlin 1894 auch sein erstes Bühnenstück 'Borgen macht Sorgen', dem 1900 und 1936 weitere folgten.

1895 schloss Tänzer in Bern seine Studien mit dem Dr. phil. ab; Thema seiner unter Professor Ludwig Stein (1859–1930) entstandenen Dissertation war "Die Religionsphilosophie Josef Albo's nach seinem Werke "Ikkarim' systematisch dargestellt und erläutert" (Preßburg 1896). Anschließend erwarb er in Obornik (damals preußische Provinz Posen) 1895 ein Rabbinerdiplom. Über Fogaras bei Kronstadt (Siebenbürgen) gelangte Tänzer nach Buczacz in Galizien, wo er 1896 das Heimatrecht und die österreichische Staatsbürgerschaft erwarb. Über eine Stelle in Totis (Tata, Ungarn), wo er Leonore Rosa Handler (eine Schwester des berühmten ungarischen Rabbiners Simon Hevesi) heiratete, kam Tänzer 1896 als Rabbiner nach Hohenems. Von Anfang an war Tänzer vom zunehmenden Zerfall der Hohenemser Gemeinde betroffen. Da Tänzer auch für die Juden in Südtirol zuständig war, fasste er frühzeitig den Plan, seinen Amtssitz nach Meran zu verlegen, dessen jüdische Gemeinde expandierte. 1901 weihte er die dortige Synagoge ein. Die Behörden ließen jedoch alle Pläne scheitern, er selbst verlor seine Stelle in Hohenems, die neue Stelle in Meran blieb ihm verwehrt, was Tänzer wohl veranlasste, in Göppingen ein neues Wirkungsfeld zu suchen. Gleichwohl war das Wirken Tänzers in Hohenems, wo er sich für ein gutes Verhältnis zwischen Juden und Christen einsetzte, überaus segensreich, nicht zuletzt durch seine fundamentale "Geschichte der Juden In Hohenems" (Meran 1905), die 1971 und 1982 in Bregenz neu aufgelegt wurde. Die vielseitigen kulturellen Aktivitäten entfaltete Tänzer auch ab 1907 in Göppingen. Den Ersten Weltkrieg machte er als Feldrabbiner freiwillig mit und erwies sich als glühender Patriot. Umso härter traf ihn der nationalsozialistische Umschwung. Tänzer zog sich in die innere Emigration zurück; er widmete sich einer Biografie seines Lehrers Moritz Lazarus und schrieb an einem vielbändigen Werk "Die Thora im Talmud". Die Zerstörung seiner Synagoge in Göppingen erlebte der am 26. Februar 1937 Verstorbene nicht mehr mit; seine zweite Frau Bertha Strauss wurde am 29. September 1943 in Theresienstadt ermordet. Mit weit über hundert Titeln hat Tänzer ein riesiges literarisches Werk von großer Vielseitigkeit hinterlassen. K.H.B.

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Bild: Das Innere der Synagoge in Hohenems
Das Innere der Synagoge in Hohenems
Bild: Aron Tänzer (Bildmitte) als Feldrabbiner im Ersten Weltkrieg
Aron Tänzer (Bildmitte) als Feldrabbiner im Ersten Weltkrieg