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Die Landstände

Als Geburtsstunde der Vorarlberger Stände als Vorläufer eines Landtags gilt das Jahr 1391. Damals schloss Graf Albrecht von Werdenberg-Bludenz mit den Bewohnern der Stadt und der Herrschaft Feldkirch, die auf diese Weise ihren politischen Gestaltungswillen zum Ausdruck brachten, ein Bündnis. Zwar gibt es mehrfach Hinweise, dass die Landesherren im ausgehenden Mittelalter mit den Organen der städtischen und ländlichen Gebiete Vorarlbergs Verhandlungen pflegten. Aber erst das Interesse der österreichischen Herzöge im ausgehenden 15. und im 16. Jahrhundert an einem Gremium, das außerordentliche Steuern genehmigen und Truppen stellen sollte, schuf eine institutionalisierte Vertretung der österreichischen Untertanen auf Vorarlberger Boden.

War der Finanzbedarf des Landesherrn, vor allem für Kriege, aus den herkömmlichen Abgaben nicht mehr zu decken, konnte er sich nunmehr an den 'Landtag' wenden, der nach entsprechenden Verhandlungen solche Zahlungen genehmigte. Auf den Landtagen versammelten sich die Vorsteher – sie führten den Titel "Ammann" – der städtischen und ländlichen Verwaltungssprengel ("Gerichte") im österreichischen Vorarlberg: der drei Städte Feldkirch, Bregenz und Bludenz sowie der 21 ländlichen Gerichte Sonnenberg, Montafon, Jagdberg, Rankweil-Sulz, Neuburg, Damüls, Bregenzerwald, Dornbirn, Höchst-Fußach, Mittelberg, Tannberg, Lingenau, Alberschwende, Sulzberg, Hofrieden, Hofsteig, Hohenegg, Grünenbach, Altenburg und der Kellhöfe Weiler und Scheidegg. Nicht vertreten waren die nicht-österreichischen Territorien, nämlich die Reichsgrafschaft Hohenems mit dem Reichshof Lustenau sowie die Reichsherrschaft Blumenegg mit St. Gerold. Sie blieben aus der Sicht der habsburgischen Gebiete "Ausland".

Die Landtage fanden ursprünglich meist in Feldkirch, ab dem 17. Jahrhundert immer öfter auch in Bregenz statt. Als Versammlungsort für informative Gespräche der Abgesandten der einzelnen ständischen Sprengel diente das Gasthaus "zum Bauern" bei Altach. Die Vorarlberger Stände besaßen kein Landhaus, ihre Verwaltungsaufgaben wurden von den Kanzleien der Städte Bregenz und Feldkirch wahrgenommen. Nur der Landesherr war befugt, Landtage einzuberufen. Er erschien bei diesen Zusammenkünften jedoch nur selten persönlich, sondern ließ sich durch Kommissäre vertreten, die die Abgeordneten mit den fürstlichen Geldforderungen konfrontierten. Die Stände ihrerseits verwiesen regelmäßig auf ihre bedrängte Finanzlage, worauf man sich nach einigem Verhandeln schließlich auf eine bestimmte Summe einigte. Die Landtage boten darüber hinaus die Gelegenheit, Wünsche und Beschwerden der einzelnen Gerichte an die Herrschaft heranzutragen und um Abhilfe zu bitten.

Neben der Genehmigung der vom Landesherrn geforderten außerordentlichen Steuern bildete deren Einhebung bei den Bewohnern eine Hauptaufgabe der Landstände. Die Gelder wurden vornehmlich durch eine zusätzliche Vermögenssteuer und das "Umgeld", eine Konsumsteuer auf Wein, aufgebracht.

Groß war die gesellschaftliche Bedeutung, die diese ständische Vertretung für jene aus den örtlichen Oberschichten stammenden Amtsträger besaß, die auf den Landtagen ihren Sprengel vertraten. Sie kamen in persönlichen Kontakt mit den Vertretern der Herrschaft, was nicht nur eine Steigerung des Sozialprestiges mit sich brachte, sondern auch weitere Karriere- und Verdienstmöglichkeiten für sich und die Verwandtschaft eröffnete.

Erfolgreich waren die Stände mit ihren Bemühungen um den Erhalt der österreichischen Landeshoheit über Vorarlberg. Sowohl 1655, als Dornbirn an die Grafen von Hohenems abgetreten werden sollte, wie auch 1702, als der Plan erwogen wurde, Vorarlberg zwischen der Abtei von St. Gallen und der Abtei Kempten aufzuteilen, verhinderten die Stände diese Vorhaben unter hohem finanziellen Aufwand, der von der Bevölkerung getragen wurde.

Insgesamt aber war die "innenpolitische" Wirksamkeit der Stände verhältnismäßig beschränkt. Vor allem der sehr ausgeprägte Partikularismus und das aus ihm resultierende Beharren auf lokalen Sonderrechten verhinderte vielfach ein gemeinsames Wirken. Besonders folgenreich waren diese inneren Streitigkeiten, die vor allem zwischen den "oberen" (den südlichen Landesteilen mit Feldkirch und Bludenz) und den "unteren" (den nördlichen um Bregenz) Ständen ausgetragen wurden, auf militärischem Sektor. Dieser Zwist führte dazu, dass sich gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges, als ein Vormarsch schwedischer Truppen nach Vorarlberg drohte, die Oberländer Stände weigerten, das Land an der Bregenzer Klause zu verteidigen, was die Einnahme und Ausplünderung der Stadt Bregenz und ihres Umlandes im Januar 1647 durch das Heer General Wrangels wesentlich erleichterte.

Die staatlichen Reformen des 18. Jahrhunderts und schließlich die nach der Abtretung Vorarlbergs an Bayern (1805) erfolgte Aufhebung aller regionalen Verfassungen im Jahre 1808 setzten dem Vorarlberger Ständewesen ein Ende. A.N.

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Bild: Wappen der Herrschaft Sonnenberg 1670 und des damaligen Landammanns Jonas Mayer
Wappen der Herrschaft Sonnenberg 1670 und des damaligen Landammanns Jonas Mayer
Bild: Die Bürger von Dornbirn protestieren 1655 gegen den Grafen Karl Friedrich von Hohenems, der auf der Treppe des Roten Hauses steht. Der abgebildete Wandteppich enstand im 20. Jahrhundert
Die Bürger von Dornbirn protestieren 1655 gegen den Grafen Karl Friedrich von Hohenems, der auf der Treppe des Roten Hauses steht. Der abgebildete Wandteppich enstand im 20. Jahrhundert
Bild: Montafoner Gerichtsprotokoll
Montafoner Gerichtsprotokoll