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Ulrich Ilg 1905-1986

Der 15. Mai 1927 ist dem 'Vorarlberger historischen Gedächtnis' kaum bekannt, und dennoch kann er zu den Marksteinen der Vorarlberger Geschichte gezählt werden. Auf dem 1. Bauerntag schlossen sich christlich-soziale und unabhängige Bauern zum Vorarlberger Landesbauernbund zusammen und wählten den erst 22-jährigen, politisch völlig unbekannten Ulrich Ilg aus Dornbirn-Hatlerdorf zum neuen Obmann. Diesem gelang es rasch, wertvolle Mitarbeiter um sich zu sammeln und damit auf bäuerlicher Basis unbewusst jene Strukturen zu schaffen, die ihn nach dem Zweiten Weltkrieg zum "Vater des heutigen Vorarlberg" machen sollten.

Den 29-Jährigen, als jüngstes Mitglied seines Kabinetts, rief 1934 Bundeskanzler Engelbert Dollfuß als Staatssekretär nach Wien. Nach dem Dollfuß-Attentat von Wien nach Vorarlberg zurückgekehrt, führte Ilg als Bauernbundobmann 1936 die einzigen Bundesstandswahlen Österreichs nach der berufsständischen Ordnung durch. Demokratiepolitisch waren jene Wahlen in der autoritären Zeit wahrscheinlich vernachlässigbar, ihre psychologische Wirkung in der bäuerlichen Bevölkerung darf aber nicht unterschätzt werden, denn die berufsständische Kontinuität wurde durch die Zeit des Nationalsozialismus nicht aufgehoben.

Ulrich Ilg wurde am 7. April 1905 als ältestes von drei Kindern einer Bauernfamilie in Dornbirn-Hatlerdorf geboren. Er besuchte die landwirtschaftliche Schule in der Mehrerau und arbeitete danach auf dem väterlichen Hof. Zeitlebens war für ihn die bäuerliche und die politische Arbeit eine Einheit, die er täglich aufs Neue lebte. Sein "spärliches Fachwissen", wie er es in seiner Biografie "Meine Lebenserinnerungen" nannte, veröffentlichte er im Bauernbund-Taschenkalender und konnte so nicht nur der bäuerlichen Bevölkerung wertvolle Hinweise in Steuer- und anderen Angelegenheiten geben, sondern auch ein enges Netz der bäuerlichen Interessenvertretung aufbauen.

Nach Kriegsende im Mai 1945 – auf Grund seiner bäuerlichen Tätigkeit war er nicht zum Kriegsdienst eingezogen worden – konnte der 40-jährige Ilg die Franzosen von der Richtigkeit der Wiederherstellung des Landes Vorarlberg überzeugen, das während der Zeit der Nationalsozialisten dem Gau Tirol eingegliedert gewesen war. Zusammen mit Eduard Ulmer, Karl Zerlauth, Adolf Vögel, die alle schon in der Zwischenkriegszeit hohe politische Funktionen innegehabt hatten, und dem jungen Widerstandskämpfer Eugen Leißing auf christlichsozialer Seite sowie mit den Sozialdemokraten Jakob Bertsch, Emil Nesler und Hans Mayer bildete er den provisorischen Vorarlberger Landesausschuss. Auf der 1. Bundesländerkonferenz der ÖVP im Juli 1945 in Salzburg setzte Ilg sich als Wortführer für die Einführung der Bundesverfassung von 1929 und damit für die bundesstaatliche Idee ein, das Grundprinzip unserer heutigen Bundesverfassung.

Mit dem Slogan "Nit lugg lo!" gewann die Vorarlberger ÖVP die ersten freien Wahlen am 25. November 1945 mit über 70 Prozent der Stimmen; bis auf das "rote Hard" erreichte die ÖVP in allen Gemeinden die absolute Mehrheit. Ilg wurde zum ersten Landtagspräsidenten und zum ersten Landeshauptmann gewählt, eine Tradition, die seit 1861, seit Bestehen des Vorarlberger Landtags, bestand. Im Gegensatz zu den Verfassungen anderer Bundesländer sieht die Vorarlberger keine proporzhafte Aufteilung der Regierungsämter vor. Dennoch wurden die anderen Parteien freiwillig mit Regierungsämtern betraut; eine Tradition, die sich mit der SPÖ bis 1974 und mit der FPÖ, respektive VdU, seit 1949 bis heute gehalten hat. Gemeinsam mussten die Ernährungssituation, die soziale Fürsorge, der Wiederaufbau der Landesverwaltung, die Inganghaltung der Betriebe und die Wirtschaftsbeziehungen zur Schweiz, die Vorarlberg selbst in einem eigenen Vertrag noch im Dezember 1945 mit Bern regelte, gemeistert werden. Trotz aller Schwierigkeiten legte Ilgs Finanzlandesrat, der Bauer Adolf Vögel aus Doren, von 1945 bis 1964 ausnahmslos ausgeglichene Budgets vor. Das Neinsagenkönnen, so Ilg, bewahre vor einer unerträglichen Bürokratie, denn dies sei keine Bremse am gesunden Fortschritt, sondern Bedachtnahme auf das allgemeine Wohl.

Ilg, geradlinig, ehrlich und bescheiden, als Verhandler und wegen seiner Grundsatztreue geschätzt, sah die "Politik als Kunst des Möglichen" an, denn Erfolg und Misserfolg hingen für den tiefreligiösen Ilg von einer höheren Gnade ab. Nach dem schlechten Abschneiden der ÖVP bei den Nationalratswahlen 1962 kam es 1964 zur "Hofübergabe" an Dr. Herbert Keßler aus Rankweil. Ilg selbst gehörte aber noch weitere fünf Jahre als Finanzlandesrat der Regierung an.

Ilg starb am 9. Mai 1986. 1937 hatte er Hilde geb. Hillbrand aus Braz geheiratet. Das Ehepaar hatte sechs Töchter und vier Söhne. Kl

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Bild: Ulrich Ilg, Landeshauptmann 1945–1964
Ulrich Ilg, Landeshauptmann 1945–1964
Bild: Trotz politischer Karriere arbeitete Ulrich Ilg weiterhin auf seinem Bauernhof.
Trotz politischer Karriere arbeitete Ulrich Ilg weiterhin auf seinem Bauernhof.
Bild: Die erste Sitzung der neugewählten Landesregierung unter der Leitung von Landeshauptmann Ulrich Ilg, 11. Dezember 1945
Die erste Sitzung der neugewählten Landesregierung unter der Leitung von Landeshauptmann Ulrich Ilg, 11. Dezember 1945