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Tate-Direktor Nicholas Serota kündigt seinen Rückzug an

Nein, überraschend kommt sie nicht, die Ankündigung, dass der 70-jährige Nicholas Serota seinen Posten als Direktor der Tate-Museen und Galerien im nächsten Jahr aufgibt. Doch der Zeitpunkt wirkt beunruhigend. Gerade erst hatte Martin Roth (61) seinen Abschied von der Spitze des Victoria and Albert Museums bekannt gegeben. Ein Rückzug, der wohl auch mit dem Brexit zu tun hatte.


Aus seinem Unwohlsein über den geplanten EU-Austritt Großbritanniens hatte der glühende Europäer Roth zuvor keinen Hehl gemacht. Sein Abgang löste Ängste vor einem Exodus in der britischen Kunstwelt aus. Hat Serotas Abschied auch mit dem Brexit zu tun? Wohl eher nicht.

Nach 28 Jahren an der Spitze einer der wichtigsten Kunstinstitutionen Großbritanniens war klar, dass irgendwann Schluss sein muss. Serota wird dem britischen Kunstbetrieb als Chef des “Arts Council England”, einer Institution, die mit öffentlichen Geldern Künstler und Kunstprojekte fördert, erhalten bleiben. Auch er hatte vor den Auswirkungen des Brexit-Referendums auf die Kunstszene gewarnt. Die Unsicherheit über den Ausgang, sagte er kurz vor der Abstimmung, habe das Sammeln von Spenden für den Erweiterungsbau der Tate Modern erschwert. Nun, gut zweieinhalb Monate nach dem Referendum, ist die Unsicherheit immer noch nicht gewichen.

Die Erweiterung der Tate Modern gelang ihm trotzdem. Geld aufzutreiben, wenn eigentlich keines da war, galt schon immer als größte Stärke des studierten Wirtschaftswissenschaftlers und Kunsthistorikers. So war es schon, als er um die Jahrtausendwende die Tate Modern aus der Taufe hob. Die Aufteilung der Sammlung des bis dahin Tate Gallery genannten Museums in ein Haus für moderne internationale Kunst (Tate Modern) und eines für britische Künstler der Vergangenheit (Tate Britain) gilt als sein Meisterstück. Die Tate Modern ist längst das Flaggschiff der vier Museen in London, Liverpool und St. Ives.

Serota gestaltete das Museum als Ort, der zum Verweilen, statt nur zum Betrachten einlädt. Zuletzt zog die Tate Modern beinahe drei Viertel der knapp acht Millionen Tate-Besucher an. Spätestens seit ihrer Eröffnung gilt Sir Nicholas Serota als Grandseigneur der britischen Museumswelt.

Begonnen hat Serota als Wunderkind. Mit nicht einmal 30 Jahren wurde er Direktor des Museum of Modern Art in Oxford und verursachte beim konservativen Publikum mit Zeichnungen von Joseph Beuys Wirbel. Kurz darauf wechselte er zur Whitechapel Art Gallery und machte sie zu einer anerkannten Institution für internationale Gegenwartskunst.

Seit 1988 stand Serota an der Spitze der Tate, die damals noch ein Museum für britische Malerei vom Jahr 1500 bis in die Gegenwart war. Serota teilte sie auf und trieb die Gründung von Ablegern in anderen Städten voran. Im Jahr 2000 eröffnete Queen Elizabeth II. die Tate Modern in einem stillgelegten Kraftwerk an der Themse gegenüber der St.-Paul’s-Kathedrale. Mit ihrem mächtigen Schornstein erscheint die Tate Modern beinahe wie eine Kathedrale der Modernen Kunst. Sie wird immer mit dem Namen Serota in Verbindung bleiben.

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