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Talente entfalten

Tribünentreppe. Eine Komposition kräftiger Baukörper und freier Durchblicke, die in Dachform und Stufen der großen Treppe die Landschaft spüren lassen.
Tribünentreppe. Eine Komposition kräftiger Baukörper und freier Durchblicke, die in Dachform und Stufen der großen Treppe die Landschaft spüren lassen. ©Robert Fessler
Doren - Der Raum ist der Dritte im pädagogischen Bund – neben Schülern und Lehrern. Und da gibt’s hier in Doren keinen einzigen Schwachpunkt.
Bilder: Talenteschule Doren

Wenn das ein sehr engagierter Schulleiter sagt, Arno Eugster nämlich, Direktor der Talente- Mittelschule Doren, dann darf sich der Architekt freuen. Markus Thurnher ist für Umbau, Sanierung und Erweiterung des Baus verantwortlich und gibt das Lob weiter an Jakob Albrecht, der ab den 1960ern Jahren den Grund legte – „mit einem städtebaulich und schultechnisch exzellenten Konzept“, so sein Urteil. „Der Architekt hat umgesetzt, wie’s die Pädagogen und Kinder wollten – in hautenger Abstimmung“, legt der Direktor nach.

Eine Anlage also, die den Bedürfnissen auf den Leib geschnitten war. Und weil diese heute andere sind als vor einem halben Jahrhundert und an Bauten andere Anforderungen gestellt werden, wurde ein Umbau nötig. „Individualisierung und Personalisierung des Lernens sind heute gefragt – jeder Schüler als eigene Person soll seine Talente entdecken und entwickeln. Großzügige Räume – zu Lernlandschaften gruppiert – sind dafür Voraussetzung. Das erleichtert die Vernetzung, unterstützt durch Medien und moderne Lerntechnik“, führt Eugster aus. Vier solche Lernlandschaften für unterschiedliche Altersgruppen hat die Schule: je drei Klassenzimmer um einen Mehrzweckraum gruppiert, ergänzt durch eigene Nebenräume – wie eine Wohnung mit Einzelzimmern, Wohnraum und Bad. Ebenso „gemütlich“: Die Böden dieser Räume sind aus sägerauer Esche aus umliegenden Wäldern, die Wände und Einbaumöbel aus Weißtanne. Da konnte die Gemeinde auf Pioniererfahrung mit dem Schulhaus in der Dorfmitte zurückgreifen. „Ökologische Maßstäbe galten für uns bei der Sanierung nicht nur für die Gebäudehülle, sondern ganz besonders für das Raumklima“, betont Bürgermeister Guido Flatz.

Dieses Raumkonzept konnte mit geringem Aufwand umgesetzt werden – dank der „grandiosen Schule von Albrecht mit Zentrum und Flügeln“, so der Direktor. Die Flügel mit Korridor und Klassenzimmern wurden durch Aufgabe eines Klassenzimmers zu offenen Raumgruppen. Die zentrale Pausenhalle mit lichten, versetzt angeordneten Treppen tut dagegen kaum verändert ihren Dienst.

Ergänzt werden die Lehrlandschaften durch Fachräume mit staunenswerter Ausstattung – ob Physiksaal, Lehrküche, Zeichensaal, Werk- und Textilraum, alle aufs Beste mit Tageslicht versorgt. Lediglich die an der Pausenhalle gelegene Kantine muss darauf verzichten – dennoch wird das Angebot einer Mittagsmahlzeit von fast allen Schülern in Anspruch genommen.

Im wahrsten Sinn herausragen der „Fachraum“ freilich ist die neue Turnhalle – mit 15 x 27 Meter plus Tribüne turniertauglich, neben dem Schulbetrieb von den Vereinen der vier Einzugsgemeinden schon heute voll ausgebucht. Auch hier: Esche am Boden, Weißtanne an Wand und Decke. „Die Lichtführung lag uns hier besonders am Herzen: Die hoch gelegene Tribüne hat Oberlicht, die gegenüber liegende Hallenwand ein bodenbündiges, mannshohes Fensterband mit blendfreiem Blick auf den Pausenhof“, so Markus Thurnher. So bleibt auch innen spürbar, was die ganze Anlage auszeichnet: ihre Einbettung in die Landschaft.

Die Turnhalle stemmt sich als gewichtigster Bau an höchster Stelle gegen Wald und Sulzberg und beschirmt den davor liegenden Schulhof. Ein weiter, gestufter Raum mit tribünenartiger Freitreppe. Die flankierenden Bauten unterstreichen die Hanglage: schmalseitig mit geschlossenen Steinwänden und Pultdächern, längsseitig – den Höhenlinien folgend – Holzfassaden mit Fensterbändern zum Tal. Ein fast urbaner Raum ist so entstanden. Das folgt einer einfachen, auf Anhieb verständlichen Logik, die das gesamte Volumen in mehrere Bauten gliedert, mit Freibereichen dazwischen und Durchblicken den Hang entlang – und mit kolossalen Ausblicken ins Tal.

Besinnung auf architektonische Mittel – Betonung der Volumen, Gliederung und Abstufung, Beschränkung der Mittel – verleihen der Anlage Kraft. Dabei waren sich die Architekten des Erbes bewusst, und es war ihre Absicht, „den Albrecht-Bau spürbar zu lassen. Zurückhaltung und starke Atmosphäre, einst und jetzt.“ Steigern, was angelegt war und so zu eigener Gestalt finden. Neue Möglichkeiten der Technik – etwa bei der Verglasung – erlauben, die Bauten deutlicher voneinander abzusetzen. Die energetisch, erneuerte Holzfassade, die der alten tragenden vorgelagert ist, unterstreicht den Baukörper ohne Dachüberstände. „Indem wir so die Volumen betonen konnten, haben wir die Staffelung gesteigert und damit Maßstab und Landschaftsbezug gestärkt.“

Zurückhaltung und Atmosphäre – Maxime außen wie innen. Warme, freundliche Räume, Hintergrund für die Entfaltung der Talente der Schüler. Dass man sich der Ressourcen des Orts bedient, versteht sich von selbst und geschieht auf so selbstverständliche Weise, dass davon nichts zu sehen ist. Die eigene Hackschnitzelanlage, unterstützt durch großflächig Photovoltaik, die großflächige optimierte Fassade und künstliche Be- und Entlüftung bei manueller Lüftung – man hat’s und braucht es deshalb nicht herzuzeigen. Vieles, meint der Direktor, kommt bei diesem Bau zusammen: „Ein eigenes Schulkonzept, das geht mit der Macht der Menge – den Lehrern, den Eltern, der Gemeinde, den Architekten.“ Das, bestätigt der Bürgermeister, entfaltet Wirkung: „Ein Impuls für die Ortschaft und die gesamte Region – das ist die sanierte Schule und die tolle Halle.“

Daten & Fakten

Objekt: Talenteschule Doren

Eigentümer:
Standortgemeinde Doren (beteiligt: Doren, Langen, Sulzberg)

Architektur: Markus Thurnher, Bregenz,

Statik:
Hagen Huster, Bregenz

Projektsteuerung:
Thomas Marte, Dornbirn

Geotechnik:
3 P Geotechnik, Bregenz

Bauphysik:
Bernhard Weithas, Hard

Beleuchtung:
Lichtimpulse, Höchst

Planung:
2009 –2011

Ausführung:
2011 –2012

Nutzfläche:
4600 m²

Bauweise Bestand: Sanierung in ökologischer Bauweise; 3 cm Holzschirm Tanne, Lattung, Windpapier, 26 cm Mineralwolle, 18 cm Ziegel Bestand, Innenputz

Bauweise Turnsaal: Neubau in Mischbauweise; Holzbau: 3 cm Holzschirm Tanne, Lattung, Winddichtung, 20 cm Holzfaserplatte, 38 cm Holzträger und Mineralwolle, 2 cm OSB- Platte, Dampfbremse, 5 cm Schafwolle, Sperrholzplatte; Westseite Ständerbau 20 cm Dämmung; Fußböden: Esche sägerau und unbehandelt; Heizung: Anstelle der alten Ölheizung wurde eine Hackschnitzelheizung installiert; Komfortlüftung in allen Bereichen; Holz-Alufenster

Besonderheiten: Umbau einer klassischen Gangschule zu einer Schule mit offenen Lernlandschaften, 600 m² Photovoltaikanlage auf bestehendem Pultdach integriert. Errichtung unter Berücksichtigung des Kommunalgebäudeausweises 937/1000 Punkten

Ausführung/Bauleitung: Schmelzenbach Baumanagement, Riefensberg; Baumeisterarbeiten: Nägelebau, Röthis; Zimmerer Bestand: OA.SYS baut, Alberschwende; Zimmerer Neubau: Zimmerei Österle, Doren; Fenster: Heinrich Manahl, Bludenz; Holzböden: Fröwis, Bezau; Heizung/Lüftung: Intemann, Lauterach; Elektro: Willi, Andelsbuch

Energiekennwert: 19 kWh/m² im Jahr (sanierter Bestand) 14 kWh/m² im Jahr (Turnhalle)

VN/ Leben & Wohnen

Für den Inhalt verantwortlich:
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter architektur vorORT auf v-a-i.at

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