Superstar in Istanbul – Familienmensch im Ländle

WANN & WO: Die Story von Mike Galeli ist faszinierend: Vom Kind türkischer Migranten zum Mister bis hin zum Filmstar. Wie kam es dazu?

Mike Galeli: Ganz von vorne? Geboren bin ich in Istanbul. Im Alter von zwei Jahren bin ich nach Bludenz gekommen. Mit 15 ist etwas passiert, das mein Leben verändert hat: Ich war mit meinem Bruder am Sonntag­nachmittag spazieren. Eine Familie mit zwei Kindern hat in Bludenz Mühlebach ganz nah am Uferrand gespielt. Das jüngere Kind ist ins Wasser gefallen. Mein Bruder und ich haben nur gehört, wie jemand nach Hilfe gerufen hat. Ich bin sofort über die Straße gerannt, bin ins Wasser gesprungen und habe den Jungen herausgezogen. Er hätte sonst wohl nicht überlebt. Danach wurde ich vom damaligen Bürgermeister  Hermann Stecher in sein Büro eingeladen. Er sagte zu mir: „Du hast einen Wunsch frei, denn du hast einem österreichischen Kind das Leben gerettet.“ Meine Antwort: „Was heißt österreichisch? Es ist ein Mensch, ob das ein Österreicher oder Türke ist, ist mir egal. Wichtig ist, dass das Kind am Leben ist.“

WANN & WO: Was war dein Wunsch?

Mike Galeli: Eine Arbeits­bewilligung.

WANN & WO: Warum ausgerechnet dieser Wunsch?

Mike Galeli: Ich habe mich in Österreich gut integriert, ich habe Fußball gespielt, war bei Vereinen dabei, bin hier zur Schule gegangen, hatte eine Zusage für eine Lehrstelle. Aber: Ich hatte keine Arbeitsbewilligung. Das konnte ich nicht verstehen, mir erschien das so unglaublich unfair. Der Bürgermeister hat mir die Arbeitsbewilligung besorgt, somit konnte ich meine Lehre zum Automechaniker bei Orlainsky in Bürs beginnen. Ich bin der Überzeugung, im Leben ist vieles festgelegt, ist vieles bestimmt. Hätte ich das Kind damals nicht gerettet, wäre mein Leben wahrscheinlich ganz anders verlaufen.

WANN & WO: 1989 hast du dir den Titel „Mister Vorarlberg“ gesichert.

Mike Galeli: Mein Meister hat mich zur Misterwahl angemeldet. Ich war immer der Typ, der sich gern rausgeputzt hat. Am Freitag habe ich mir nach der Arbeit eine Stunde lang die Hände mit Zitronensaft gewaschen (lacht). Er hat das gemerkt und mir gesagt: „Du bist ein hübscher Kerl, du hast gute Chancen“. Erst als Kandidat Nummer zwölf wurde ich beim Casting im damaligen Rhomberg-Areal in Dornbirn ausgerufen: Mike Galeli hieß es. Rückblickend gesehen ein Moment, der sehr wichtig für den weiteren Verlauf meines Lebens war. Letztlich hat es bis zum Sieg gereicht.

WANN & WO: Mit dem Titel „Mister Vorarlberg“ hast du natürlich polarisiert – du warst der erste Mister türkischer Herkunft.

Mike Galeli: Das stimmt. Auf der einen Seite gab es viele Leute, die mir meinen Sieg gönnten und sich freuten, dass ich gewonnen habe. Auf der anderen Seite waren auch viele Neider. Eine Woche nach der Misterwahl war mein ganzes Auto zerkratzt. In der Zeitung waren Leserbriefe abgedruckt, in denen gestanden ist: „Ein Türke wird Mister Vorarlberg, wacht auf! Wo leben wir denn?“ Mir wurde sogar eine Briefbombe geschickt. Es war zwar eine Attrappe, die Kripo musste trotzdem kommen. Da wurde mir klar: Ich muss allen beweisen, dass ich akzeptiert werden will. Das hat mich zusätzlich angetrieben, hat mir Kraft gegeben, meine Karriere zu starten und meine Ziele zu erreichen. Diese Zeit war wirklich nicht einfach, ich habe gerade Gänsehaut, wenn ich davon erzähle. Walter Raid vom Fashionteam hat mir ein Job-Angebot gemacht, das ich angenommen habe.

WANN & WO: Mit bürgerlichem Namen heißt du Oguz. Hat der Name Mike für dich eine spezielle Bedeutung?

Mike Galeli: Auf einer Modeschau, das war noch vor der Misterwahl, habe ich einmal ein Playback zu einem Lied von Michael Jackson gesungen. So kam ich zum Namen Mike (lacht).

WANN & WO: Aufträge von Hugo Boss und Tommy Hilfinger sind nur zwei Namen, auf die du in deiner Model-Karriere zurückblicken kannst. Was waren deine persönlichen Highlights?

Mike Galeli: Da war zum einen natürlich die Misterwahl. Ohne WANN & WO würde ich heute vermutlich nicht hier sitzen. Wir waren wie eine kleine Familie, auch nach der Wahl. Das zweite Highlight war die Aufnahme ins Fashionteam, ein großer und sehr bedeutender Schritt. Die Krönung kam 2000 in Brüssel.

WANN & WO: Was hat sich dort zugetragen?

Mike Galeli: Ich wurde als Schauspieler entdeckt. Mein Bruder hat in Brüssel gewohnt, gemeinsam mit meiner Mutter habe ich ihn besucht. Wir sind auf eine türkische Film-Premiere gegangen, den Hauptdarsteller Kenan Imirzalioglu habe ich aus Modelzeiten gekannt. Nach der Premiere haben wir das Nachtleben unsicher gemacht. Mit dabei war Regisseur und Produzent Osman Sinav – für viele der türkische Steven Spielberg. Er sagte zu mir: „Mike, die Kamera liebt dich, du hast einen Wiedererkennungswert“. Er sprach von einem Drehbuch, das er zu dieser Zeit schrieb. Eine der beiden Hauptrollen wäre wie für mich gemacht. Er würde sich bei mir melden. Vier Jahre später (!) hat er mich dann tatsächlich angerufen und mich für die Serie „Aci Hayat“ verpflichtet. Mein Leben hat sich damit von Grund auf verändert.

WANN & WO: Inwiefern?

Mike Galeli: Ohne Bodyguard konnte ich in der Türkei nicht mehr auf die Straße. Die Serie hatte von 2005 bis 2007 zur Primetime eine Einschaltquote von 52 Prozent. Als ich das erste Mal nach der Ausstrahlung in Istanbul unterwegs war, traute ich meinen Augen nicht. Überall waren Fans, die Autogramme wollten. Es war surreal, der Hype war fast schon beängstigend. Daraufhin habe ich sofort den Produzenten angerufen und gefragt, was das soll? Er meinte nur, er habe mich gewarnt. In der Türkei ist das Fernsehen für viele der einzige Luxus. Die ganze Familie versammelt sich abends vor dem TV. Entsprechend wird den TV-Stars gehuldigt. Die Serie „Aci Hayat“ war die erfolgreichste am Markt.

WANN & WO: Neben Modeln und Schauspielern hast du bei den Dancing Stars auch dein Talent auf dem Tanzparkett bewiesen.

Mike Galeli: Der Programmchef vom ORF, Wolfang Lorenz, ist auf mich zugekommen und hat mich als Promi eingeladen. Dancing Stars war eine sehr schöne Erfahrung, eine große Chance und auch sehr anstrengend. Für das Finale haben wir zehn Stunden am Tag trainiert.

WANN & WO: Du bist auch erfolgreicher Unternehmer. Was war die Idee hinter den Taschen für Smartphones und Tablets?

Mike Galeli: Ich war in New York und wollte mir im Apple Store ein Accessoire kaufen. Dem Verkäufer hat meine Smartphone-Hülle gefallen. Ich habe sie auf irgendeinem Basar in der Türkei gekauft, sogar das Apple Logo war drauf, eine Fälschung. Er fragte, ob er die Hülle seinem Chef zeigen dürfe. Ich bin dann gleich abgehauen, weil ich gedacht habe, sie wollen mich einsperren (lacht). Beim Rückflug habe ich mir dann Gedanken darüber gemacht. Mein Ziel war es dann, bis zum Erscheinen des ersten iPhones in Europa meine Hüllen produzieren zu lassen. Jetzt ist die Firma so groß, wir haben schon vor einem Monat begonnen die Hüllen für das neue iPhone 7 zu designen. Wenn du schon vor dem Launch des Smartphones mit deinen Accessoires im Regal hängst, bist du der Hero. Das haben wir bisher geschafft. Dieses Jahr werden wir auch Damen- und Herrentaschen produzieren. Das Unternehmen gibt mir auch eine gewisse Sicherheit. Als Model und Schauspieler ist man extrem abhängig von Aufträgen, das bringt eine extreme Anspannung mit sich.

WANN & WO: Du wurdest von Sebastian Kurz (damals Staatssekretär für Integration) neben Top-Gastronom Attila Dogudan und Fußballlegende Ivica Vastic als Hauptintegrationsbotschafter ausgewählt. Was bedeutet das für dich?

Mike Galeli: Immer wieder halte ich im Zuge dessen Vorträge und erzähle jungen Menschen von meinen positiven Erfahrungen. Ich will ein gutes Vorbild sein. Ich will zeigen, dass jeder etwas erreichen kann und alle Türen offen stehen, wenn man Engagement, Ehrgeiz und Wille, mitbringt.

WANN & WO: Was hast du für die Zukunft geplant?

Mike Galeli: Im Herbst drehe ich in der Türkei eine Actionkomödie im Stil von „Rush Hour“. Auch mit Fritz Wepper steht ein Projekt an. Zudem ist ein Teilnahme bei Let’s Dance in Deutschland im Gespräch.

WANN & WO: Wie schaffst du es, den Spagat zwischen Familienmensch, Schauspieler und Unternehmer zu spannen?

Mike Galeli: Ich schlafe durchschnittlich drei bis vier Stunden pro Nacht (lacht). Meine Frau Renate hält mir den Rücken frei, jede Frau würde das nicht mitmachen. Mit  Renate bin ich seit 28 Jahren zusammen, kennengelernt habe ich sie schon vor der Misterwahl. Zusammen haben wir zwei Söhne und sind noch immer glücklich.

WANN & WO: Was unterscheidet dein Leben in Istanbul von dem in Vorarlberg?

Mike Galeli: Das sind zwei komplett verschiedene Welten. In der Türkei bin ich ein Fernsehstar, hier in Vorarlberg bin ich der Familienmensch. In Istanbul wimmelt es nur so von Leuten, es ist so belebt. Sobald ich in Vorarlberg ankomme, kann ich ­abschalten.

WANN & WO: Du führst ein Leben, wie es sich viele nur wünschen. Was gibt dir Halt?

Mike Galeli: Meine Familie, sie ist mein Leben. Ich habe viel erlebt, sehr viel gesehen. Am Ende des Tages ist aber die Familie das, was zählt. Die Karriere kommt und geht, die Familie bleibt.

Zur Person: Mike Galeli

Jahrgang, Wohnort: 1967, Koblach, geboren in Istanbul
Familie: Verheiratet mit Renate, zwei Söhne
Titel: Mister Vorarlberg, Mister Austria, Best Fotomodel, Mister Europe

Mister Vorarlberg

1989 wurde Mike Galeli zum Mister Vorarlberg gewählt. „Ohne WANN & WO würde ich heute vermutlich nicht hier sitzen“, erzählt er im Sonntags-Talk.

3 Highlights in Mike Galelis TV-Karriere

1. Aci Hayat
Hauptrolle als Ender ¬Kervancioglu, ein verwöhnter und intriganter Sohn reicher Eltern, der sich um die Liebe einer jungen Frau bemüht. Aci Hayat war von 2005 bis 2007 die erfolgreichste TV-Serie in der Türkei.

2. Alles außer Liebe
Nebenrolle als Alexander, Koch und Liebhaber, in der Romantikkomödie mit Fritz Wepper und Gila von ¬Weitershausen.

3. Dancing Stars
In der sechsten Staffel der ORF-Show „Dancing Stars“ wagte sich Mike Galeli als erster türkisch-stämmiger Kandidat aufs Parkett und konnte sich auf Platz drei tanzen.

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