Viel wurde in den vergangenen Monaten über Evakuierungen in Bezug auf einen möglichen Reaktor-Störfall, bei dem Radioaktivität austritt, debattiert. Doch Evakuierungen in Vorarlberg sind – egal bei welchem Szenario – laut VOL.AT-Informationen nicht vorgesehen. Das widerspricht einer Aussage von Andreas Molin, Strahlenschutzexperte und Leiter der Abteilung für Nuklearkoordination im Umweltministerium, im Juli dieses Jahres, der sehr wohl eine Teilevakuierung im schlimmsten Falle für nötig hält.
“Schwierige Angelegenheiten”
Laut Gernot Längle, Leiter der Abteilung für Inneres und Sicherheit des Landes Vorarlberg, sind Evakuierungen “schwierige Angelegenheiten”. Ganze Ortschaften oder gar Regionen zu evakuieren, könne unter Umständen mehr Schaden erzeugen, als tatsächlich Nutzen stiften. „Beim Strahlenschutz oder Bundesstrahleninterventionsplan ist laut Ministerium davon auszugehen ist, dass auch im schlimmsten Fall eine Evakuierung nicht anzunehmen ist“, erklärt Längle und widerspricht den Aussagen des Umweltministeriums.
Erstmaßnahmen: Bund fällt Entscheidung
“Der Strahlenschutz ist grundsätzlich eine Bundesangelegenheit und wird somit auch primär von Wien aus gesteuert“, erklärt Längle. Trotzdem verfügten alle Bundesländer über Frühwarnmessstationen, mit denen Auffälligkeiten sehr rasch erkannt werden können. „Wenn aber seitens des Bundes entsprechende Meldungen über erhöhte Werte nach Vorarlberg kommen, ist natürlich hier auch das Land verpflichtet, einen Krisenstab entsprechend hochzufahren und mit Experten zu bestücken“, erklärt Längle die Vorgehensweise im Krisenfall.
Informationsabkommen mit der Schweiz
Laut Längle existieren zahlreiche zwischenstaatliche Informationsabkommen. „Auch mit der Schweiz besteht ein solches Abkommen, falls es zu einem Gau oder Störfall in einem Atomkraftwerk kommt. Diese Informationen sollen deshalb sehr rasch von den jeweiligen Behörden in der Schweiz an Österreich weiter gegeben werden“, so Längle zur Informationskette.
Bevölkerung soll Anordnungen Folge leisten
Grundsätzlich sei es sehr schwierig, sich auf einen Strahlenschutzunfall oder Super-Gau vorzubereiten. „Man kann sich hier auch als Bevölkerung nur sehr eingeschränkt vorbereiten. Ich glaube, der wichtigste Punkt und die wichtigste Botschaft an die Bevölkerung ist es, den Anordnungen der Behörden und zuständigen Experten Folge zu leisten und hier nicht eigenmächtig Tabletten einzunehmen oder sonstige Maßnahmen zu setzen“, meint Längle.
Präventionsmaßnahmen
Die zuständige Gesundheitsbehörde möchte die österreichische Bevölkerung vorbeugend mit Kaliumjodid-Tabletten versorgen. In Schulen und Kindergärten sei dies bereits erfolgt, so Längle zu den laufenden Präventionsmaßnahmen. Somit können sich alle Personen im Alter von 18 bis 40 Jahren zur Heimbevorratung mit zugelassenen KJ-Tabletten auf eigene, aber geringe Kosten (2,75 Euro; Anm.) über die Apotheken eindecken. Laut Vorarlberger Apothekenkammer hält sich die Nachfrage aber noch in Grenzen.
Kaliumjodtabletten für Schüler
Die Ausgabe von Kaliumjodid-Tabletten an Schüler bis zur 8. Schulstufe erfordert das Einverständnis der Erziehungsberechtigten. Eine solche Einverständniserklärung ist durch die Schulen bei Schuleintritt einzuholen und für die Dauer des Aufenthalts in der Schule gültig. Die Kaliumjodidtabletten dürfen allerdings nur auf ausdrückliche Anordnung der Gesundheitsbehörde eingenommen werden.
SPÖ fordert Szenarien, FPÖ beschwichtigt
Für die SPÖ ist es auf jeden Fall notwendig, Evakuierungsszenarien zu entwickeln. Dieses hätte im Vorjahr Fukushima gezeigt. „Es kann nicht sein, dass bei derart wichtigen Fragen der Ball zwischen Land und Bund – auf dem Rücken der Vorarlberger Bevölkerung – hin- und hergespielt wird“, so SPÖ-Parteichef Michael Ritsch. Für Dieter Egger von der FPÖ gilt die Devise „Raus aus Atom statt Evakuierungspläne”. „Unser vorrangiges Ziel muss es sein, uns nicht Gedanken über die Ausgestaltung von Evakuierungen bzw. deren Organisation bei einem atomaren Reaktorunfall zu machen“, so Egger. Vielmehr sollte man sich darum kümmern, dass sich die Schweiz und mit ihr das moderne Europa endlich von der Atomkraft verabschieden. „Dann stellt sich die Frage von Evakuierungen nicht mehr, denn vor den Folgen eines Super-Gau kann man nicht davon laufen“, meint Egger.
Landesregierung scheint unglaubwürdig
Für Bernd Bösch von den Vorarlberger Grünen ist nicht nachvollziehbar, warum sich das Land weigert, im Hinblick auf mögliche Reaktor-Störfälle, Evakuierungsmaßnahmen zu planen. „Andreas Molin ist auch in Vorarlberg anerkannter Strahlenschutzexperte und wurde im Zusammenhang mit den Klagen gegen das Akw Mühleberg zu Rate gezogen. Er hat dabei eindeutig festgestellt, dass im schlimmsten Falle auch Evakuierungen notwendig sein werden“, erklärt Bösch.
Klagen gegen Schweiz
Die Landesregierung mache sich völlig unglaubwürdig, wenn sie in Klagen gegen die Schweizer Atomanlagen die Gefährdung der Bevölkerung ins Treffen führt und gleichzeitig behaupte, dass auch im schlimmsten Fall eine Evakuierung nicht anzunehmen ist.
Gernot Längle im Interview:
Verhaltensregeln bei einem Störfall:
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