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Sunniten berichteten über Massaker im Irak

Im Irak sollen schiitische Milizen in einem Dorf dutzende junge sunnitische Männer erschossen haben. Angesichts der Vorwürfe von Überlebenden des mutmaßlichen Massakers ordnete der irakische Ministerpräsident Haider al-Abadi am Donnerstag eine Untersuchung an, wie sein Sprecher Medienberichten zufolge sagte.


Das Massaker an mehr als 70 Männern soll sich am Montag im Dorf Barwana in der zentralen Provinz Dijala ereignet haben, wo zahlreiche Sunniten vor Monaten Zuflucht vor der Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) gesucht hatten.

Die Armee hatte am Montag verkündet, die gesamte Provinz Dijala von den Jihadisten zurückerobert zu haben. Laut Augenzeugen kamen am Nachmittag aber schiitische Milizionäre, die die irakische Armee im Kampf gegen die IS-Miliz unterstützen, in das Dorf Barwana. Dort hätten sie alle junge Männer zur Kontrolle ihrer Papiere zusammengerufen und sie sodann an die Wand gestellt und erschossen. Demnach wurden zwischen 71 und 77 männliche Dorfbewohner getötet, darunter auch Kinder und Jugendliche.

“Sie haben alle zusammengerufen, selbst Kinder”, sagte die örtliche Abgeordnete Nahda al-Daini. “Sie haben 77 getötet. Es waren schiitischen Milizen, die dieses Massaker mit der Mittäterschaft der Sicherheitskräfte verübt haben.” Der Lehrer Jamal Mohammed sagte, in der Früh hätten sie noch die irakische Armee mit Applaus und Süßigkeiten empfangen. Dann jedoch seien die schiitischen Milizionäre eingetroffen und hätten die Namen der Bewohner aufgenommen.

Ali Joburi, der im Juni nach der Eroberung seines Dorfes durch die Jihadisten nach Barwana geflohen war, sagte, die Milizionäre überprüften noch die Namen, als die ersten Schüsse zu hören waren. Der Dorfvorsteher sei in mehrere Häuser gegangen und habe in einem 35 Leichen gefunden. In einem anderen Haus hätten 40 Getötete gelegen. Der Dorfvorsteher habe sie dann aufgefordert, fortzurennen, sonst würden sie alle getötet. Daraufhin seien sie in einen Hain gerannt, sagte Joburi.

Der für die Operationen in der Region zuständige Armeegeneral Abdulamir al-Saidi bestritt, dass in Barwana Schüsse gefallen seien. Seine Leute hätten aber Hinweise gefunden, dass sich IS-Kämpfer die Bärte abrasiert hätten, um sich in Barwana unter die Bewohner zu mischen. Den Augenzeugen zufolge schrieben die schiitischen Milizionäre in Anspielung auf ein IS-Massaker an Hunderten jungen Rekruten im Juni bei Tikrit Racheparolen auf die Mauern des Dorfes.

Menschenrechtsgruppen beschuldigen die schiitischen Milizionäre immer wieder schwerer Verbrechen. So warf Amnesty International im Herbst den Milizen vor, dutzende Sunniten gezielt ermordet zu haben. Beobachter verweisen darauf, dass die Jihadisten auch deshalb bei Teilen der sunnitischen Bevölkerung Unterstützung finden, weil diese die mehrheitlich schiitischen Sicherheitskräfte und die schiitischen Milizen als die größere Bedrohung betrachteten.

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