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"Süchte sind die Seuchen unserer Zeit"

Nahezu jeder dritte Vorarlberger ist nikotinsüchtig.
Nahezu jeder dritte Vorarlberger ist nikotinsüchtig. ©VOL.AT, Klaus Hartinger
Frastanz. Alkohol, Kokain und Medikamente, aber auch Glücksspiele, Einkaufen und Sex: Das Thema „Sucht“ bedient sich vieler Gesichter, die Betroffenen – obwohl vielerorts auch im Jahre 2012 noch stigmatisiert – sind in allen gesellschaftlichen Kreisen zu Hause. Vorarlberg ist hier keine Insel der Seeligen.
Süchte der Vorarlberger
Drogenkonzept weiterentwickeln

Das beweist der Blick auf die nackten Zahlen: Bis zu 50.000 Vorarlberger gelten als alkoholkrank bzw. sind stark gefährdet (und trinken somit etwa mehr als 1,5 Liter Bier am Tag), rund 4500 Vorarlberger sind süchtig nach Schlaf- und Beruhigungstabletten, weitere 6700 Vorarlberger haben ein existenzielles Glücksspiel-Problem – Tendenz stark steigend.

„Beinahe jeder Mensch ist in irgend einer Art mit dem Thema Sucht konfrontiert“, erklärt Reinhard Haller, Primar im Sucht-Krankenhaus Maria Ebene in Frastanz – und präzisiert: „In der Regel jedoch mit zumeist harmlosen Auswirkungen – etwa wie bei der Eifersucht.“

Krankhaft wird die Sucht dann, wenn der erhoffte Rauschzustand zum dominierenden Lebensinhalt wird. Aber auch hier gibt es Ausnahmen. Denn streng medizinisch betrachtet ist etwa das Rauchen keine Sucht. Entzugserscheinungen wie Nervosität, depressive Verstimmung und Aggressivität treten aber auch hier bei nahezu jedem Zweiten auf. Und: „Es ist der Killer Nummer eins“, sagt Haller.

Wieder mehr Frauen rauchen

500 Menschen sterben jährlich in Vorarlberg an den Folgen des blauen Dunstes. Zum Vergleich: An den Folgen von Alkohol sterben rund 100 bis 150, an harten Drogen etwa 20 Vorarlberger. Auffallend sei, dass wieder verstärkt Frauen zur Zigarette greifen. „Die Emanzipierung zeigt sich auch in dieser Hinsicht. Es kommt zu einer Angleichung im Sucht-Verhalten an den Mann“, erklärt Haller. Zumindest beim Rauchen. Das Thema Alkohol ist und bleibt eine Männer-Domäne, die Medikamenten-Sucht hingegen ein weitgehend weibliches Phänomen.

Größeres Angebot

Grundsätzlich habe das Sucht-Verhalten in den vergangenen Jahren stark zugenommen. „Das liegt aber vor allem daran, dass das Angebot deutlich erweitert wurde“, erklärt der Sucht-Experte. Will heißen: Computer- und Internetsucht waren vor zehn Jahren noch kein Thema, auch beim Thema Glücksspielsucht sei ein exorbitanter Anstieg zu verzeichnen – eben auch durch ein größeres Angebot im Internet. „Die Pest war gestern. Süchte sind die Seuchen unserer Zeit“, verdeutlicht Haller.

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